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ARD-Reporter Dennis Leiffels

© Radio Bremen

ARD-Reportage über "Hater": Nahkampf mit Trollen

Wo bleibt der andere Zugang? Die ARD -Reportage „Hass ist ihr Hobby“ macht es sich mit den "Hatern" etwas zu einfach.

„Hass ist ihr Hobby“, der fünfte Film in der „Rabiat“-Reihe im Ersten, widmet sich einem Übelkeit erregenden Schattenreich, in dem aus unscheinbaren Mitbürgern menschenverachtende Wüteriche werden. „Wenn ich jemanden unter Druck setzen kann, gibt mir das eine innere Befriedigung“, zitiert Reporter Dennis Leiffels aus einem Gespräch mit einem „Hater“, mit dem er sich in einem Restaurant treffen konnte, der aber lieber doch nicht gefilmt werden wollte. Morddrohungen würde er nicht versenden, aber „Geh ins Gas“ könne man schon schreiben, „wenn man es kunstvoll verpackt“.

„Dorian, der Übermensch“ dagegen tritt aus seiner Anonymität im Netz heraus. Der junge Mann mit langen Haaren, Brille und Bart, der Leiffels da in einem Café gegenüber sitzt, wirkt eher wie ein blasser Erstsemester. Doch in seinem Benutzerkonto mit dem bezeichnenden Namen „Free-Breivik“ schreibt er Kommentare wie: „Schwule sind keine Menschen“.

Oder er empfiehlt, Menschen mit verschwindend geringem IQ „auszuselektieren“. Leiffels findet diesen armseligen Typen seltsamer Weise „mutig“, und das Interview ist zwar das seltene Dokument einer Begegnung mit einem sonst anonymen Troll, aber mit dieser Chance wusste der Autor eher wenig anzufangen.

Leiffels' Reportage dreht sich insbesondere um den besonders krassen Fall eines Youtubers aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Nürnberg. Das Beispiel ist aufschlussreich, weil es belegt, welch massive Auswirkungen Cybermobbing in der realen Welt haben kann.

Das Opfer ist seit Jahren die Zielscheibe eines Mobs, für den es zu einer Art Sport geworden ist, ihn zu provozieren und zu demütigen – nicht allein im Netz: Bis zu 150 Hater pilgern angeblich an Wochenenden in das Dorf, provozieren und pöbeln, werfen Böller und beschmieren die Hauswand, schießen Fotos und drehen Filme, die dann wieder im Netz landen.

„Solche Leute ignoriere ich“

Leiffels spricht mit einigen von ihnen, auch mit den entnervten Nachbarn, die mittlerweile in das „Spiel“ miteinbezogen werden, und mit dem ratlosen Bürgermeister („Solche Leute ignoriere ich“), der offenbar nicht mehr tat, als ein Schild aufzustellen, um Fremde von der Fahrt ins Dorf abzuhalten. „Die Strategie des Wegschauens hat fünf Jahre gar nichts gebracht“, kritisiert der Autor, aber gibt ihm das das Recht, den Fall gegen den Willen des Mobbing-Opfers zum Thema zu machen?

Ein Interview kommt nicht zustande, im Gegenteil: Der Autor wird geradezu davongejagt, wie die Kamera aus sicherem Abstand beobachtet. Offenkundig hatte der im Film namentlich genannte Youtuber Bedenken, dass ein Fernseh-Interview nur noch alles schlimmer machen würde. Leiffels, der sich in einer Art Selbstversuch einem Shitstorm aussetzte und nach 1500 Hass-Kommentaren Anzeige bei der Polizei erstattete, scheut nicht den Nahkampf mit den Trollen. Und zweifellos bietet sein Film traurige Einblicke in diese Form moderner, enthemmter Kommunikation. Aber im Umgang mit dem Mobbing-Opfer verliert er das rechte Maß.

Auch wenn der Betroffene auf seinem Youtube-Kanal selbst – und nicht gerade auf ansprechende Weise – die Öffentlichkeit sucht, ist eine solche Reportage ohne dessen Zustimmung und Mitwirkung fragwürdig. So bleibt das Opfer auch in der ARD vor allem die Person, zu dem ihn die Hater machen; denn einen anderen Zugang hat Leiffels nicht gefunden. Dass dann auch noch Bilder, die sich über den Mann lustig machen, zur Illustration des kurzen Abspanns dienen, geht gar nicht. Das ist dann wirklich „rabiat“, aber auf eine unappetitliche Weise.

„Rabiat - Hass ist ihr Hobby“; ARD, Montag, 22 Uhr 45

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