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„Ich weiß selbst nicht, was ich bin.“ Sagte Zarah Leander über sich selbst. Sicher ist, dass NS-Propagandaminister Joseph Goebbels den Unterhaltungsstar sehr schätzte. Foto: ARD

© rbb/Falco Seliger

ARD-Porträt: Spionin? Nazi-Diva? Filmstar?

Ein sehenswerter Dokumentarfilm öffnet erneut „Die Akte Zarah Leander“. Die Schauspielerin und Sängerin sagte über sich: "Ich weiß selbst nicht, was ich bin."

Sie zählte zu den ganz Großen. War Diva, war Ikone, war Kult: Zarah Leander (1907 bis 1981). In ihrer schwedischen Heimat bis heute sehr umstritten und mit nur mit wenig Renommee bedacht, ist sie im Deutschland der späten 1930er Jahre eine lebende Legende, ein Star der Extra-Klasse. Doch im Frühjahr 1943, inmitten des Zweiten Weltkriegs, verlässt die Leander über Nacht ihre deutsche Wahlheimat und stößt damit zahlreiche Menschen und Fans vor den Kopf. Sie kehrt ihrem Anwesen in Berlin-Dahlem und all ihrem Ruhm den Rücken zu und geht wieder in die Heimat nach Schweden zurück, wo der Empfang mehr als nur nordisch frostig ausfällt. Sie ist in Schweden Persona non grata: Liebling der Deutschen. Liebling der Nazis. Sie lebt fortan auf ihrem Landgut, Schloss Lönö an der schwedischen Ostseeküste, das sie von den Ufa-Gagen 1939 gekauft hatte.

Woher rührt diese abrupte Entscheidung zum Weggang, wo liegen die wirklichen Gründe? Sie, die sie doch vom Regime, von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels umhegt und hofiert wird. Die Filmautoren Torsten Striegnitz und Simone Dobmeier gehen diesem Phänomen in ihrem ARD-Dokumentarfilm „Die Akte Zarah Leander“ nach.

Filmklassiker wie „Zu neuen Ufern“ (1937) und „Die große Liebe“ (1942) – bis heute mit 27 Millionen Zuschauern der erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten – oder populäre Lieder wie „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“, „Davon geht die Welt nicht unter“ und, ihr größter Hit, „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“ machten sie früh schon unsterblich. Das alles geschah um 1939, dem Datum des Kriegsbeginns, herum. Die elegante Schwedin verlässt – ähnlich der zwei Jahre älteren Kollegin Greta Garbo, die nach Hollywood in die USA ging – 1936 die Heimat, geht erst nach Österreich, dann nach Deutschland, in die von den Schweden damals so geachtete Kulturnation. Sie rollt kräftig das R und hat eine auffallend tiefe, sonore Stimme von beinahe männlicher Färbung. Seit Oktober 1936 steht die Leander bei der Ufa höchstbezahlt unter Vertrag (und steht sie auch noch weiterhin, als sie Deutschland abrupt verlässt).

Joseph Goebbels, der Leander regelmäßig zu Arbeitsgesprächen trifft, notiert in seinem Tagebuch, „sie ist ein wirklicher Gewinn für den deutschen Film“. Und sie wiederum bekundet, „der Goebbels war ein hochinteressanter Mann“. Spricht da die „Nazi-Diva“? Es entstehen zudem die Gerüchte, sie sei für die Sowjetunion als Spionin tätig gewesen, fuhr sie doch laut Akten des schwedischen Geheimdienstes bereits im August 1935 mit einer skandinavischen Delegation für zwei Wochen nach Moskau, inklusive offizieller Audienz im Kreml.

Wenn die persönliche wie politische Ambivalenz der Schauspielerin und Sängerin in dieser neuen Dokumentation auch nicht aufgeklärt oder hinreichend erklärt werden kann und die Filmautoren keine Wertung vornehmen, so wird hier doch die tiefe Zerrissenheit dieser Frau, dieses Stars deutlich. Dieser politisch Unpolitischen. Bis heute wird sie glühend verehrt und tief verachtet.

„Ich bin die Leander. Das muss reichen. Ich weiß selbst nicht, was ich bin“, sagt sie wie verloren an einer Stelle in einem Archiv-Mitschnitt eines Fernsehinterviews aus dem Jahr 1974. Weitere Interviewpartner kommen im Film zu Wort, Leander-Biografen und Filmhistoriker, Musikwissenschaftler und Forscher, und andere mehr. Aber auch Leanders langjährige deutsche Sekretärin und Haushälterin Brigitte Pettersson, die sicher viel zu erzählen hatte. Doch ausgerechnet sie, die Einzige, die der Diva persönlich nahestand, kommt im ARD-Film nur an zwei kurzen Stellen zu Wort. Über all die politischen Vorgänge in ihrem Leben schweigt die vermeintlich Unpolitische.

„Die Akte Zarah Leander“, ARD, Montag, 23 Uhr 20

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