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Don Quijote Allmen (Heino Ferch, links) als letzter Ritter von der untraurigen Gestalt.

© ARD Degeto/Hardy Brackmann

ARD-Krimi mit Heino Ferch: Im Land des Leichtsinns

Und der Urlaub vom „Tatort“ wird wieder zu Ende gehen: Heino Ferch lockt Krimifreunde mit Martin Suters Allmen-Romanen.

Stell dir vor, auf einmal sind sie weg, die Plagegeister des deutschen Krimigenres. Kein Nuscheln, kein Muffen, keine mutwillige Verständnisverwirrung, kein Terror der Flegel, keine Lederjacken, kein spätprotestantischer Gewissensdiskurs. Bloß ein zartes Fernsehtheater von aus der Zeit gefallenen Figuren – die Erinnerung daran, dass auch die engagierteste Beschäftigung der Fiktion mit der bösen Wirklichkeit immer auch Spiel ist.

Es beweist Risikobereitschaft, dass ausgewiesene TV-Ritter im Orden gesellschaftlicher Relevanz-Fiktionisten wie Nico Hofmanns Ufa Fiction, der Drehbuchautor Martin Rauhaus („Die Eisläuferin“) und der Regisseur Thomas Berger („Neben der Spur“) dem Leidenskanten Heino Ferch („Spuren des Bösen“) eine Perücke aufsetzen und ihn einen scharlatanesken Schweizer Adeligen spielen lassen, der nach der Null-Problemo-Devise handelt: Spiel mir das Lied vom Spielen.

Die Filme nach den Vorlagen des Schweizer Krimiautors Martin Suter „Allmen und das Geheimnis der Libellen“ und „Allmen und das Geheimnis des rosa Diamanten“ sind nicht bewusst als ironische Angriffe auf die grassierende Krimibrutalität konzipiert. Sie sind selbstgenügsam und wollen durch altmodischen Außenseitercharme bezaubern.

Das gelingt im Libellen-Film sehr unterhaltsam. Der Zuschauer staunt, wie gelassen der Taugenichts-Held Allmen Unsummen im Casino verjeut und – vollkommen abgebrannt – den Busfahrer überredet, ihn umsonst in sein Anwesen am Zürichsee, eine in den Besitz der Bank übergehenden Villa, zurückzubringen. Don Quijote Allmen, dieser letzte Ritter von der untraurigen Gestalt und sein ihm dienender Sancho Panza Carlos (Samuel Finzi), alles andere als ein eseliger Bauerntölpeldiener, haben eiserne Nerven noch in der heikelsten Situation und spielen das einzige Kapital aus, das sie besitzen: immer die aristokratische Form bewahren.

Dieser Johann Friedrich von Allmen will frei von moralischen Sorgen friedlich als Dandy unter Dandys leben. Seinen edlen Wein zu jeder Tageszeit trinken, die von Diener Carlos gebratenen Chateaubriands verzehren und sein nichtsnutziges Leben mit nervigen Weisheiten beweihräuchern. Bloß das Geld – es neigt zu chronischer Abwesenheit.

Wie „Graf Yoster gibt sich die Ehre“

Einfühlend und sozialkritisch nimmt sich der Film daher des Problems an. Ein unangenehmer Geldeintreiber (Peter Kurth) stört des Adligen selbstgewähltes Existenzrecht. Der und die Bank werden immer tauber für Allmens Argumente. Es muss etwas geschehen. Hermes ist der Gott der Kaufleute und der Diebe, und Allmen handelt nach der Devise des eleganten Gottes: Klauen und Kaufmann kommen aus einer ehrbaren Wurzel.

Der Zuschauer muss sich daran gewöhnen, dass für diesen Suter-Film gilt, was Hundebesitzer gern vierbeinerverfolgten Joggern zurufen: Der beißt nicht. Zurücklehnen heißt die Devise und zusehen, wie das Spiel mit sich selbst champagnerglasperlt. Dazu gehört das Ertragen von gelegentlich auftretender Langeweile. Wir sind nicht bei James Bond mit seinem Riesenbudget für Effektfeuerwerke. Sondern bei einem Mittelständler, der aber mehr sein möchte als ein Lieferant mittelmäßiger Gentlemangangstergüter wie „Graf Yoster gibt sich die Ehre“.

Kultiviert verknüpft erscheinen die Handlungsketten aus Suters Designerstudio für schönes Schicksal: zufälliges Einspringen Allmens als Opernbegleiter einer schönen Millionenerbin (athletisch robust: Andrea Osvart), Puccini, Liebesbegegnung in der Villa des Vaters (Hanns Zischler), Diebstahl einer erlesenen Glasschale, Verkauf bei einem (später leider ermordeten) Antiquitätenhändler (Gustav Peter Wöhler).

Im zweiten Film haben der eigentlich jede Arbeit vermeidende Allmen und sein Diener das Wiederbeschaffen gestohlener Luxusgüter zum Beruf gemacht. Der erste Auftrag: die Suche nach verschwundenen „Rosa Diamanten“. Es geht über Abwege – unter anderem in die Computerwelt – zu einem Treffen zwischen dem russischen Geschäftsmann Sokolow (Daniel Wagner) im Ostsee-Grandhotel von Heiligendamm und dem Mord des bärtigen Ostgesellen in der dortigen Sauna. Und aus der Dauerironie erwächst das Seltenste, was einen Dandy wie Allmen heimsuchen kann: die Begegnung mit moralischem Lebenssinn. Ferch spielt die Entwaffnung durch das Gute hinreißend.

Keine Angst: Das Ereignis verursacht keine Katharsis des Helden. Er raucht weiter und genießt den Wein. Und der Urlaub vom „Tatort“ wird wieder zu Ende gehen.

„Allmen und das Geheimnis der Libellen“, 29. April, „Allmen und das Geheimnis des rosa Diamanten“, 6. Mai, beide ARD, jeweils 20 Uhr 15

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