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Wie war das, Herr Dutschke?  Dass Moderator Günter Gaus (Jörn Hentschel, re. mit Aaron Hilmer) nahezu verschwindet, weil das legendäre Interview von 1967 in einer Mischung aus Spiel und Originalausschnitten wiedergegeben wird, ist kaum entschuldbar.

© NDR/Mathias Schöningh

ARD-Dokudrama zum Dutschke-Attentat: Rechter Terror im Jahr 1968

Ein ARD-Dokudrama zeigt, was aus dem Dutschke-Attentat auch zu lernen ist. Eines ist dabei aber kaum entschuldbar.

Josef Bachmann, der Rudi Dutschke am 11. April 1968 in Berlin mit drei Schüssen schwer verletzte, hatte sich die Tatwaffe in der militanten rechten Szene in Peine besorgt. Der Gelegenheitsarbeiter hasste Kommunisten, schoss auf DDR-Wachtürme an der innerdeutschen Grenze, besuchte NPD-Versammlungen und las die rechtsextreme „National-Zeitung“, die damals titelte: „Stoppt Dutschke jetzt!"“

Auch die rechtsextreme Gruppe in Peine habe ihn vor dem Attentat aufgehetzt, sagt der Journalist Peter Wensierski in dem ARD-Dokudrama „Dutschke - Schüsse von Rechts“. Sie habe sich in den 1970er Jahren zu "eine der gefährlichsten Neonazigruppen" in der Bundesrepublik entwickelt. Bachmann galt allerdings lange Zeit als Einzeltäter.

Die Existenz einer rechten Terrorgruppe habe man nicht für möglich halten wollen, erklärt Wensierski, der Bachmanns Verbindungen in die rechte Szene nach der Auswertung von Stasi-Akten bereits 2009 im „Spiegel“ enthüllt hatte.

Insofern liefern die Filmautoren, der langjährige „Spiegel“-Redakteur Cordt Schnibben und Peter Dörfler, nicht wirklich „einen neuen Blick auf den Mordanschlag“, wie der Pressetext es glauben machen will („Dutschke – Schüsse von Rechts“, ARD, Montag, 23 Uhr 35). Dennoch macht es Sinn, gerade jetzt, in einer Zeit zunehmender Gewalt von Rechts, daran zu erinnern, dass es eine lange Tradition gibt, die Strukturen hinter den vermeintlichen Einzeltätern zu ignorieren.

Nicht immer nachvollziehbar ist es, wenn Dutschkes Werdegang in Spielszenen geschildert wird

Schnibben und Dörfler rekonstruieren die Vorgeschichte des Attentats, an dessen Folgen Rudi Dutschke Heiligabend 1979 starb, mit Spielszenen. Das mag einleuchten, wenn es um Bachmann selbst geht, um seine Kontakte in Peine und das Gerichtsverfahren. Rafael Gareisen spielt den rechten Fanatiker, der im Verhör seinen Gewaltfantasien freien Lauf ließ. Das Attentat selbst wird nachgestellt – und schockiert als Spielszene umso mehr.

Gleichzeitig schildert der Film Dutschkes Werdegang. Als gläubiger Christ verweigerte er in der DDR den Militärdienst, zog Tage vor dem Mauerbau nach West-Berlin und avancierte zum Kopf der Studentenbewegung.

Zu den Interviewten zählen mit Rainer Langhans, Bahman Nirumand, Peter Schneider, Knut Nevermann und dem mittlerweile in die rechtsnationale Szene abgedrifteten Bernd Rabehl einige der damals führenden Köpfe der 68er Bewegung. Dutschkes Witwe Gretchen Dutschke-Klotz, die Publizistin Barbara Sichtermann und Stefan Aust ordnen Dutschkes Bedeutung für die Bewegung ein.

Nicht immer nachvollziehbar ist es, wenn Dutschkes Werdegang in Spielszenen geschildert wird. Darsteller Aaron Hilmer bemüht sich, im typischen Dutschke-Pulli den typischen Dutschke-Duktus zu treffen. Aber die ja zahlreich vorhandenen Originalaufnahmen sind halt nicht nur authentisch, sondern auch eindrucksvoller.

Und dass Moderator Günter Gaus nahezu verschwindet, weil das legendäre Dutschke-Interview von 1967 aus der Reihe „Zu Protokoll“ in einer Mischung aus Spiel und Originalausschnitten wiedergegeben wird, ist ein kaum entschuldbarer Handgriff.

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