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"Der Bastler": Thomas Thieme als Carl Borgward, der Geschäftsmann ohne Geschäftssinn.

© NDR

ARD-Dokudrama über Carl Borgward: Geschäftsmann ohne Geschäftssinn

An die Wand gefahren. In "Die Affäre Borgward" mit Thomas Thieme erinnert die ARD an den glücklosen Bremer Automobilfabrikanten.

Die 50er und 60er Jahre gelten als Phase des Wirtschaftswunders. Der Schock, den der unerwartete Konkurs des damals drittgrößten deutschen Autobauers im Jahr 1961 auslöste, ist weitgehend in Vergessenheit geraten. der ARD-Fernsehfilm "Die Affäre Borgward" erinnert an den eigensinnigen Bremer Firmenpatriarchen, der als Geschäftsmann ohne Geschäftssinn in die Industriegeschichte einging.

Als Sohn eines Kohlenhändlers hat Carl Friedrich Wilhelm Borgward es vom Schlosser zum Industriekapitän gebracht. Seine Autos tragen klingende Frauennamen wie Isabella oder Arabella. Am Steuer eines Borgward ist man wieder wer: „Wir schauen nicht zurück, denn wir fahren ins Glück“ – so lautet damals das Werbemotto. Der Firmenchef geht voran, und zwar auf seine Weise. Als der Bremer Bürgermeister ihn zu einem Termin aufsucht, trifft er Borgward nicht etwa hinter dem Schreibtisch seines Büros an. Der Tüftler, der von der Zierleiste bis zum Getriebe alles selbst konstruiert, werkelt lieber in einem Schuppen neben den Montagehallen. Borgward ist ein Künstler. Einer, der sich für den Ingenieursbleistift interessiert und den Schraubenschüssel selbst in die Hand nimmt. Ein besorgniserregender Absatzrückgang in den USA? Papperlapapp. Einwürfe des besorgten Prokuristen bügelt Borgward brüsk ab. Ebenso provozierend begegnet er den steifen Bremer Honoratioren, die diesem Emporkömmling widerwillig das Bundesverdienstkreuz umhängen müssen.

Instinktsicher: Thomas Thieme

Hochmut kommt vor dem Fall: Nur wenig später tritt Borgward vor die Belegschaft, um mit brüchiger Stimme zu erklären, er werde für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen. Dieser Moment geht unter die Haut. Dank seiner Mischung aus physischer Präsenz und instinktsicherem Spiel glänzt Thomas Thieme als visionärer Eigenbrödler, dem bald ein eisiger Wind ins Gesicht bläst. Der notorisch beratungsresistente Firmenchef produziert alles, was mobil ist, LKW, PWK, Rennwagen und sogar einen Helikopter. Doch seine Modelle, alle in kleinen Stückzahlen auf den Markt geworfen, rentieren sich nicht. Banken drehen den Geldhahn zu.

Nun soll der Bremer Senat für 50 Millionen Mark bürgen. Der Bürgermeister steht vor einem kniffligen Dilemma: Soll er gegen das Grundprinzip der unabhängigen Wirtschaft verstoßen oder 22.000 Menschen arbeitslos werden lassen? Dieses packende Thema bereitet der Film mit einer Mischung aus Biopic und Wirtschaftskrimi auf. Statt der ordnenden Hand eines Kommissars greifen aber nur halbseidene Politiker und zwielichtige Funktionäre ein. Allen voran der vermeintliche Sanierer Johannes Semler (Bruno Eyron), der als BMW-Aufsichtratschef alles daran setzt, um den konkurrierenden Betrieb so richtig an die Wand zu fahren. Beleuchtet wird auch die Rolle des „Spiegel“, der den taumelnden Wirtschaftsriesen im ungünstigsten Moment noch als „Der Bastler“ verunglimpft.

Als "Bastler" verunglimpft

Das erschütternde Drama ist ein gut recherchiertes Beispiel dafür, dass die Kooperation zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft zur ökonomischen Sollbruchstelle wird. Leider lässt die Regie von Marcus O. Rosenmüller, der auch das Buch beisteuerte, eine persönliche Handschrift vermissen. Das mag an den strikten Formatvorgaben des Sendeplatzes liegen. Wie zuletzt „Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau“ erzeugt auch der Borgward-Film mit seiner Mischung aus Archivmaterialien und gestellten Zeitzeugen-Interviews die gewöhnungsbedürftige Anmutung eines Dokudramas. Der Auftritt von Borgwards Tochter Monika, die neben dem Bremer Borgward-Denkmal im Februar 2018 vor die Kamera tritt, um mit belegter Stimme aus ihrem Tagebuch zu zitieren, soll der fiktiven Aufarbeitung einen authentischen Anstrich verleihen. Die Kombination unterschiedlicher Bildquellen fördert jedoch einen ästhetisch diffusen Gesamteindruck. Spannend und mitfühlend erzählt ist die Geschichte aber dennoch.

„Die Affäre Borgward“, ARD, Montag, 20.15 Uhr

Manfred Riepe

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