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Gedanken zur ersten deutschen Republik: Ein Kriegerdenkmal in Fürstenberg.

© rbb/Schmidt & Paetzel

ARD-Doku über Weimarer Republik: Verletzliche Demokratie

Der Satz „Schauen wir in die Geschichte“ ist kein leeres Versprechen. Ein ARD-Feature fragt: „Musste Weimar scheitern?“.

Eine Kamera hat am 6. Februar 1919 die Abgeordneten auf dem Weg ins Weimarer Nationaltheater gefilmt. Die Bilder-Montage ergibt eine lustige Parade von Männern, die höflich ihre Hüte ziehen. Und dabei forsch und lächelnd an der Kamera vorbei marschieren wie Matthias Erzberger (Zentrum), der zwei Jahre später von zwei ehemaligen Marine-Offizieren ermordet werden wird, oder freundlich posieren wie Hugo Preuß (Deutsche Demokratische Partei), der kurz darauf im Theater seinen Verfassungs-Entwurf vorlegt. Von den 37 weiblichen Abgeordneten, die nach Einführung des Frauenwahlrechts in die Verfassunggebende Versammlung einziehen, ist hier leider niemand zu sehen.

„In Deutschland brach die Zukunft an“, sagt Andreas Christoph Schmidt, Autor des Fernseh-Features „Musste Weimar scheitern?“. Schmidt zeigt Bilder von umjubelt heimkehrenden Soldaten und fröhlichen Revolutionären. Die Zukunft, das war dann allerdings das nahe KZ Buchenwald, wie Schmidt gleich zu Beginn notiert, während im Hintergrund die Melodie der Nationalhymne in verschiedenen Variationen leise klimpert.

Die Titel-Frage ist rhetorischer Natur: Gewiss musste Weimar nicht scheitern, es sei denn, man glaubt an einen Automatismus in der Geschichte. Aber die Frage, warum die Weimarer Republik nach 14 Jahren Existenz zu Fall gebracht werden konnte, ist nicht nur wegen des Jubiläums ihrer Gründung vor 100 Jahren aktuell. Sondern weil das Scheitern der Demokratie in Deutschland gerade weit weniger abwegig erscheint als noch vor einigen Jahren. Grimme-Preisträger Schmidt sucht in seiner pointierten und auch ästhetisch bemerkenswerten Dokumentation nach Parallelen und Unterschieden.

Wir sollten uns nicht zu sicher sein

Was also sind die Gründe für das Scheitern der ersten Demokratie? Die Folgen des Ersten Weltkriegs, der Versailler Vertrag, die „Webfehler“ (di Fabio) in der Weimarer Verfassung, der Hass und die politische Gewalt, die Angst vor einer kommunistischen Weltrevolution, Inflation und Weltwirtschaftskrise, der Aufstieg Adolf Hitlers, „der versprach, Deutschland wieder groß zu machen“ – Schmidt bietet verschiedene Erklärungen an. Der Satz „Schauen wir in die Geschichte“ ist kein leeres Versprechen.

Der Film besticht durch eine Vielzahl an historischen Bildern, von denen die meisten genau datiert und verortet sind. Zudem äußern sich Experten, die Historiker Wolfram Pyta und Gerd Krumeich, der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio sowie Literaturwissenschaftler Helmuth Kiesel, klar und meinungsfreudig. Auch mit dabei: Harvard-Politologe Daniel Ziblatt: Wir sollten uns nicht zu sicher sein. Vieles ist verletzlicher, als es zu sein scheint.“

Zugleich sind Schmidts Kommentare aus dem Off zwar bisweilen suggestiv („Sind das hier etwa noch Untertanen?“), aber weder fade Belehrung noch penetrante Ermahnung. Schmidts Folgerungen sind interessant und floskelfrei. Außerdem legt der Autor ab und zu kurze Text-Pausen ein, Ruhe-Räume, in denen die Bilder für sich stehen. „Musste Weimar sterben?“ ist eine Format-Doku, die Zeit zum eigenen Nachdenken lässt und am Ende auf das übliche Fazit verzichtet.

„Musste Weimar scheitern?“; ARD, Montag, 23 Uhr 30

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