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Undercover. Privatdetektiv Romulo (l.) soll wegen vermuteter Missbrauchsfälle im Altersheim ermitteln. Der 83-jährige Oscar geht als „Maulwurf“ ins Heim.

© SWR

ARD-Doku über ein Altersheim: Hahn im Korb

„Sie sehen fantastisch aus“: Eine herzerwärmende ARD-Dokumentation über einen Spion im Altersheim.

Die Kernidee dieses Dokumentarfilms würde auch als Spielfilmhandlung taugen, deshalb beginnt er wie ein Krimi: Eine Frau glaubt, dass ihre Mutter im Altenheim schlecht behandelt und bestohlen wird. Sie wendet sich an einen Privatdetektiv, und der sucht nun per Zeitungsannonce einen Mitarbeiter, den er als „Undercover-Agent“ in die Einrichtung einschleusen kann. Natürlich muss der Mann im entsprechenden Alter sein, was die Auswahl etwas kompliziert. Schließlich findet der Detektiv einen würdevollen Herrn, der sich über die Abwechslung in seinem überschaubaren Dasein freut. Daheim erinnert ihn alles an seine vor wenigen Monaten verstorbene Frau.

„Der Maulwurf“ ist ein Film aus Chile, die Geschichte ist universell („Der Maulwurf“, Mittwoch, ARD, 22 Uhr 45). Kein Wunder, dass Regisseurin Maite Alberdi internationale Geldgeber gefunden hat, auch den SWR. Die Übersetzung der Dialoge erfolgt als „voice over“: Ähnlich wie in Dokumentationen ist hinter den deutschen Stimmen der Originalton zu hören, was im Zweifelsfall deutlich besser klingt als eine klassische Synchronisation.

Außerdem ist „voice over“ allemal besser als Untertitel, denn es wird ziemlich viel geredet. Die akustische Ebene wird ohnehin recht bald zur Nebensache, weil sich der 83jährige Sergio als Glücksfall entpuppt. Der kontaktfreudige Rentner ist ein Charmeur alter Schule und wird als Witwer prompt von den vielen alten Damen im Heim umschwärmt.

Der Film ist derart unterhaltsam, dass sich sogar verschmerzen ließe, wenn die Sache mit dem Diebstahl bloß eine konstruierte Rahmenhandlung sein sollte. Sergio hat sichtlich Spaß an seiner Mission, selbst wenn er seinem Auftraggeber beim täglichen Bericht keine Belege für den Anfangsverdacht liefern kann. Natürlich sind viele der alten Damen einsam, weil sie von ihren Angehörigen vernachlässigt werden.

Eine Dame würde ihn umgehend heiraten

Eine Frau wartet jeden Tag darauf, dass sie endlich von ihrer Mutter abgeholt wird. Damit sie sich nicht völlig von der Welt vergessen fühlt, führen die Pflegerinnen Telefongespräche mit ihr, in der sie sich als ihre Mutter ausgeben. Diese Frau, die ständig ihre Schultasche sucht, könnte hinter dem vermeintlichen Diebstahl stecken.

Sie hat ein in jeder Hinsicht einnehmendes Wesen. Ungleich berührender sind allerdings Sergios Gespräche mit einer dementen Heimbewohnerin. Bedrückend auch die Bilder der Frauen, die nur so da sitzen, als warteten sie auf den Tod.

Obwohl nicht so viel passiert, ist der 80 Minuten lange Film erstaunlich kurzweilig, selbst wenn der Prolog mit seinen Anleihen beim Spionage-Thriller falsche Erwartungen weckt. Sergio muss lernen, wie sein Spionagewerkzeug funktioniert. Der Detektiv stattet ihn mit einem Kugelschreiber und einer Brille aus, in denen sich Mikrokameras befinden. Als Sergio die Brille aufsetzt und sich in der Detektei umschaut, geraten die Regisseurin und ihr Team ins Blickfeld.

Außerdem muss sich der alte Mann verschiedene Codes einprägen, die er immer wieder vergisst. Dieses Drumherum wirkt wie ein Versuch, die überschaubare Handlung aufzupeppen, denn nach der Einführung dokumentiert Alberdi ausschließlich den ereignislosen Alltag im Heim.

Angesichts der starken Diskrepanz zwischen Frauen und Männern (im Verhältnis 40 zu 4) wird Sergio, der gern Komplimente macht („Sie sehen fantastisch aus“) und sich auch schon mal mit Handkuss verabschiedet, zum Hahn im Korb, was gemischte Gefühle in ihm weckt.

Eine Dame würde ihn umgehend heiraten. Das geht ihm zu weit. Immerhin lässt er sich im Rahmen einer Party zum König des Altenheims krönen, als ihm anlässlich seines Geburtstags ein Ständchen gebracht wird, übermannt ihn die Rührung.

Zwischendurch erinnert Regisseurin Alberdi immer wieder daran, dass ihr Protagonist nur eine Rolle spielt. Im Grunde ähnelt Sergios Vorgehensweise der Methode eines Enthüllungsjournalisten, der die Ergebnisse seiner Recherche selbst präsentiert. Anders als solche Dokumentationen etwa mit Günter Wallraff ist „Der Maulwurf“ allerdings nicht mit versteckter Kamera entstanden, weil Alberdi gegenüber der Heimleitung eine plausible Erklärung für die Anwesenheit der Kamera gefunden hat.

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