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In der "Anne Will"-Ausgabe vom 2. Juni wollte Olaf Scholz keinesfalls SPD-Parteivorsitzender werden. In der Ausgabe vom 25. August erklärte er seinen Meinungsumschwung.

© dpa

„Anne Will“ zurück aus der Sommerpause: Scholz zeigt ungewohnte Empathie

Den Soli abschaffen? „Anne Will“ wollte erst mal Olaf Scholz und sein Glaubwürdigkeitsproblem diskutieren, der zeigte sich überraschend nahbar.

Kommt auch nicht alle Abende vor in einer politischen Talkshow: Knapp eine Viertelstunde nach dem Start von „Anne Will“ gab es eine energische Intervention von FDP-Chef Christian Lindner. Wann endlich wollten die Moderatorin und die Runde darüber diskutieren, was ein möglicher SPD-Parteichef Olaf Scholz in der SPD verändern möchte?

Wahr daran war, dass der Beginn des Talks ein reines Zwiegespräch zwischen Will und Scholz war, der in ebendieser Sendung am 2. Juni erklärt hatte, dass das Amt des Finanzministers und der Parteivorsitz keinesfalls zusammenpassen würde.

Scholz hat sich korrigiert und will jetzt mit der Brandenburgerin Klara Geywitz in den nächsten Jahren seine Partie zu der Kraft und Stärke bringen, die das Land brauche. Der Politiker konnte seine Argumente in der Tat ausführlich darlegen – und er tat es mit ungewohnter Empathie, selbst das Wort vom „Pathos“ kam dieser übernüchternen Persönlichkeit über die Lippen.

Den stets eifrigen und sehr selbstgewissen Lindner konterte die reaktionsschnelle Anne Will mit seinem eigenen „Glaubwürdigkeitsproblem“: Hatte nicht der FDP-Chef die damaligen Koalitionsverhandlungen brüsk beendet, wo er doch angetreten war, mit einer, seiner Regierungsbeteiligung das Land voranzubringen?

Lindner ersparte sich die Antwort und machte stattdessen die beachtliche, weil einsichtige Bemerkung, im politischen Berlin würden sich Journalismus und Politik nur füreinander interessieren. Der FDP-Politiker nannte Beispiele aus seinem Wahlkampf in Brandenburg, wo den Leuten, sprich Wählern wirklich der Schuh drückt. Da hatte auch Katja Kipping, Vorsitzende der Linken, aus Sachsen einiges Handfestes beizutragen.

Das eigentliche Thema kam dann auch noch

Dann wurde tatsächlich das angekündigte Talkthema aufgerufen: „Streit um Soli-Abschaffung – für wen zahlt sich das aus?“ Die Diskussion verlor damit an Dynamik und an Kraft. Nicht dass es an Leidenschaft und Lautstärke gefehlt hätte, aber konnten die Positionen von Kipping, Lindner und Scholz wirklich überraschen?

Der SPD-Mann führte den Dax-Vorstand ins Feld, der bei sieben Millionen Euro Gehalt durchaus den Solidaritätsbeitrag weiterbezahlen könnte, die Linken-Vorsitzende erinnerte an die Solidarität mit Armen und Alten, Lindner argumentierte, Mittelstand und Handwerk würden weiterzahlen müssen.

Auch da reagierte Will wieder vive: Ob Scholz eine Neiddebatte wolle, fragte sie mit Blick auf einen Tweet der SPD-Bundestagsfraktion. Nein, er wolle eine Gerechtigkeitsdebatte, war Scholz‘ Replik.

Ähnlich nahm er auch den Einwurf von Elisabeth Niejahr, Chefreporterin der „Wirtschaftswoche“ auf, die statt Soli-Flickschusterei bei einer Steuer die Reform der gesamten Architektur der Einkommenssteuer anmahnte. Das hätte der Finanzminister längst gerne ins Werk gesetzt, aber in der Großen Koalition hätte es dafür keine Mehrheit gegeben. Ob Scholz' Erzählung stimmt? Keiner aus der Runde sagte etwas dazu oder dagegen, auch Moderatorin Will war offenbar ratlos.

Klar ist: Über den Soli wird weiter emsig gestritten werden zugleich sich die Frage aufdrängt, ob die Art und Weise seiner (nur mehrheitlichen) Abschaffung wirklich das Thema des Abends war. Auch die führende Talkshow im deutschen Fernsehen muss für sich reflektieren, ob hier ein Zirkelgespräch von und für Berlin-Mitte stattfinden oder die wirklichen Probleme „der Menschen draußen im Lande“ verhandelt werden sollen.

Und eine kleine Bitte noch: Hoffentlich sind Kameracrew und Regie von „Anne Will“ am nächsten Sonntag besser in Form. Da wurde doch beträchtlich geschwankt, gab es fragwürdige Umschnitte. Geht deutlich besser.

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