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Schafft Deutschland mit dem Lockdown die Wende in der Pandemie? Anne Will und ihre Gäste diskutieren.

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„Anne Will“ zum Lockdown vor Weihnachten: Liebe zeigen durch „Schutz der Anderen“

Anne Will und ihre Gäste diskutierten Weihnachten im Zeichen des Lockdowns. Wer sich wie mit wie vielen treffen dürfe, war eine leitmotivische Frage.

Von Caroline Fetscher

Anne Wills Runde tagte am Abend nach der Entscheidung von Kanzlerin Ministerpräsidenten für einen neuen Lockdown, ab Mittwoch und bis zum 10. Januar. Wills Frage an die Gäste: „Schafft Deutschland mit dem Lockdown die Wende?“ Klar war das So-geht-es-nicht-weiter. Vertrauen in den Lockdown light hat sich als trügerisch erwiesen, und laut Markus Söder ist Corona „außer Kontrolle geraten“.

Nun also eine zweite Vollbremsung, nur kleine private Treffen, Schließung von Schulen, Läden, Frisören, Hotels. Parole: Zuhause bleiben.  

Zwei der Talkgäste, beide zugeschaltet, hatten selber an der Videokonferenz mit Angela Merkel teilgenommen, Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident des schwer betroffenen Nordrhein-Westfalen, und Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, das bisher besser gefahren ist. Beide demonstrierten ihre volle Unterstützung der Maßnahmen. Warum erst jetzt? Warum nicht schon ab Montag? So fragte Anne Will als Megaphon vieler im Land.

Laschet verwies auf die Empfehlungen der Leopoldina und pries das aktuelle „kraftvolle Signal“, Schwesig erklärte, es sei erst das Parlament zu fragen. Doch das rückblickende Konjunktiv-Spiel - was hätte es gebraucht - war schnell vom Tisch. Eindringlich appellierte Laschet an die Vernunft der shoppenden Bevölkerung in der kurzen Zeitspanne vor dem Lockdown – es werde mehr Kontrollen in Fußgängerzonen geben. Schwesig mahnte, die „Schutzwoche vor Weihnachten“ bewusst zu nutzen, ehe sich die Familien mit Großeltern treffen. Wer sich wie mit wie vielen treffen dürfe, war eine leitmotivische Frage.

„Ehrlich wäre: nur das Notwenigste!“ Klar die Warnung des Mediziners Uwe Janssens, seit 2019 Präsident der Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Weihnachten als das Fest der Liebe bedeute heute, seine Liebe durch den „Schutz der Anderen“ zu zeigen. Nötig sei ein „durchdringender und nachhaltiger Lockdown“, wie etwa in Finnland oder Irland praktiziert.

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Respekt und teils vielleicht Betretenheit löste das Beispiel von nebenan aus. Will zeigte per Einspieler Tübingens alternativen Weg durch die Krise: Schnelltests in allen Seniorenheimen, Rentner dürfen Taxis zum Bustarif nutzen, und zwischen neun und elf am Vormittag dürfen nur sie einkaufen. Schwere Fälle gibt es seit Wochen kaum noch in der Studentenstadt. Und Anne Will wollte wissen, warum das Tübinger Modell nicht nachgeahmt werde. Laschet und Schwesig finden es „gut und richtig“, davon könne man durchaus etwas übernehmen. Uwe Janssens forderte beherzt, das Modell müsse „bundesweit Standard werden“.  

Datenschutz bleibt ein Thema

Noch weiter gehen möchte Julian Nida-Rümelin, Philosophieprofessor und Mitglied des Deutschen Ethikrats. Ihn stört die Scheu vor dem Einsatz effektiver Tracking-Apps, die in asiatischen Staaten wie Singapur und Taiwan große Erfolge bei der Verfolgung von Infektionsketten haben. Der Blick auf die Folgen der Pandemie für den Rest der Welt sei auch ethisch geboten, wenn durch unterbrochene Lieferketten Millionen Menschen hungern. Daher Nida-Rümelins eindringliches Plädoyer für bessere Apps.

So liberal man in Deutschland sei, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei nicht höher zu werten, als der Schutz vor der gefährlichen Infektion. Den Datenschutz „absolut zu setzen“ sei falsch. Die Gäste aus der Koalition reagierten freundlich ausweichend, Mühe war ihnen anzumerken, sie kennen die Argumente. Nun gehe es ja erstmal um die kommenden Wochen, versetzte Laschet, man werde weitersehen. Sicher hätte das Publikum hier gern mehr erfahren. Das Jahr der Krise ist auch das Jahr des kollektiven Lernens, und auch, wie Nida-Rümelin anmerkte, ein großer Mathekurs für alle.  

Wenn sie Kristina Dunz zugehört haben, dann könnten die Zeitgenossen nachdenklich geworden sein, die weiter bedenkenlos auf Glühweinpartys gehen oder im Supermarkt eben mal ihre Maske unter die Nase ziehen. Dunz, Redakteurin im Berliner Büro der „Rheinischen Post“, hatte Anfang Oktober mit ihrem Mann zusammen ihre alte Mutter besucht. Das Paar ahnte dabei nicht, dass beide infiziert waren. Als sich das nach dem Besuch herausstellte, war die Sorge enorm. Durch Glück und Zufall hatte sich die Mutter nicht angesteckt. Beim bangen Warten auf deren Test wurde Kristina Dunz existentiell klar: „Sich dann verantwortlich fühlen, ist sehr schwer.“

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