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Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, zu Gast bei Anne Will im Ersten Deutschen Fernsehen.

© imago/Jürgen Heinrich

"Anne Will" zu Chemnitz und den Folgen: Weniger Kretschmer, mehr Köpping wagen

Der sächsische Ministerpräsident entsprach bei "Anne Will" allen Vorurteilen, während die Integrationsministerin Köpping forderte: Kümmert euch um die Menschen!

Wenn man selbst die Latte hochlegt, darf man sich nicht wundern, wenn das Publikum erwartet, dass man sie auch überquert. Das waren die Fragestellungen, mit denen Anne Will ihr Publikum vor den Bildschirm locken wollte: Hat die sächsische Landesregierung die gewaltbereite, rechtsextreme Szene unterschätzt? Haben die Politiker angemessen auf Sorgen und Proteste aus der Bevölkerung reagiert? Und was ist jetzt von Politik und Zivilgesellschaft gefordert? Wer da einmal Nein  (nichts unterschätzt), einmal Ja (angemessen reagiert) und einmal mit wortreichem Achselzucken (was ist jetzt gefordert?) antwortet, liegt vermutlich im deutschen Mainstream.

Kann so ein Ministerpräsident des von den rechtsextremen Auftritten betroffenen Bundeslandes (Michael Kretschmer)  reagieren? Ein früherer Bundestagspräsident (Wolfgang Thierse), der die DDR ja noch als Nicht-Mitläufer erlebt hat? Und eine zuständige Integrationsministerin (Petra Köpping)? 

Sachsens Ministerpräsident entspricht allen Vorurteilen

Die Überraschung: Nur der sächsische Ministerpräsident entsprach (leider) allen Vorurteilen, weil er weiß zu waschen versuchte, wo eben für jeden erkennbar Schmutz gewesen ist. Der Staat habe sein Gewaltmonopol zu jeder Zeit ausgeübt, beharrt er, auch, als nur 591 Polizisten 5000 rechten Demonstranten gegenüber standen. Und Anne Will, und Wolfgang Thierse, die hätten eben, anders als er,  keine Ahnung, sagt Michael Kretschmer, weil beide keine Polizisten sind und nicht vor Ort waren. Er aber, der Ministerpräsident, wusste natürlich, was Sache war, immer. Konsequent abschieben, und zurückweisen, sind seine völlig richtigen Forderungen in der Flüchtlingsdebatte.

Nur erklären die gemachten Fehler (übrigens auch sächsischer Behörden) nicht, warum es in Sachsen ein latentes Problem mit dem Rechtsextremismus gibt. Das hielt ihm nicht nur Thierse vor, sondern auch der Kabarettist Serdar Somuncu, der mit großer Eindringlichkeit argumentierte, und der rbb-Redakteur Olaf Sundermeyer, der der Polizei in Chemnitz bescheinigte, nach ernsten Problemen am Montag vor einer Woche zum ersten Mal korrekt  mit Journalisten und auch mit klarer Kante gegen rechtsextreme Demonstranten vorgegangen zu sein. 

Köpping fordert ein Ende der Pauschalisierungen

Bis zum Ende dabei geblieben zu sein, lohnte sich aber vor allem wegen Petra Köpping, der sächsischen  Ministerin für Gleichstellung und Integration. Die Sozialdemokratin, die in der DDR-Zeit in der SED aktiv gewesen war, forderte auf, in der öffentlichen Diskussion endlich mit dem pauschalisieren aufzuhören. Integriert erst mal uns, verlangte sie, kümmert euch nicht nur um die Infrastruktur, sondern um die Menschen.

Da traf sie sich am Ende mit Thierse, der daran erinnerte, dass nach der Flucht von fast 20 Millionen Deutschen aus dem Osten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und bei der Integration der ersten Gastarbeitergeneration es eben auch 20 oder 30 Jahre gedauert habe. Fazit: Mehr Denken à la Köpping, weniger Rechthaberei im Stile Kretschmers, könnten das Land weiter bringen. 

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