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Fast eine Familie. Klaus Gysi mit seinem Sohn Andreas Goldstein.

© ZDF und Peter Goldstein

Andreas Goldsteins Film über Vater Klaus Gysi: Kein Wort über Gregor

ZDF-Porträt „Der Funktionär“: Andreas Goldstein erzählt das Leben seines Vaters Klaus Gysi und vom Leben in der DDR.

Im Alter von 14 Jahren begann der 1964 geborene Andreas Goldstein zu fotografieren. „Als könnte ich auf diese Weise erkennen, was nicht mehr sichtbar war“, sagt der Regisseur in seinem Film „Der Funktionär“. Nicht mehr sichtbar war zum Beispiel sein Vater Klaus Gysi, der fünf Jahre zuvor Botschafter der DDR in Italien geworden war. Auch hatten sich seine Eltern zur selben Zeit getrennt. Als Jugendlicher streifte Goldstein mit der Kamera durchs Haus, das ihm und seiner Mutter vorgekommen sei „wie eine Insel, auf der wir zurückgeblieben waren“. Auch die menschenleeren Schwarz-Weiß-Aufnahmen, mit denen Goldstein in den folgenden Jahren das Leben in der DDR abbildete, drücken Stille und Stillstand aus. Sie sehen aus wie ein vorweggenommenes Ende. Konsequenterweise hörte Goldstein mit dem Ende der DDR auf zu fotografieren, wie er sagt.

Fürs Filmemachen nahm der Berliner Autor und Produzent (Oktoberfilm) dann einen langen Anlauf: Nach dem Studium und ersten filmischen Arbeiten wurde „Der Funktionär“ im Oktober 2018 beim Dokumentarfilmfestival Leipzig uraufgeführt und bei der Duisburger Filmwoche ausgezeichnet. Der Film ist eine Auseinandersetzung mit dem 1999 verstorbenen Vater und natürlich mit dem Land, in dem Andreas Goldstein selbst aufwuchs. Er verwendet neben eigenen Fotografien und Film-Aufnahmen aus Vergangenheit und Gegenwart auch Ausschnitte aus TV-Sendungen, etwa von „Treffpunkt Berlin“ des DDR-Fernsehens. Die sonst in Dokus üblichen Szenen zur DDR-Geschichte vermeidet der Autor jedoch ebenso wie Worthülsen und historische Belehrungen. Die Konflikte der DDR würden heute auf den Gegensatz von Freiheitswillen und Repression reduziert, erklärt Goldstein. Dabei werde weniger die DDR abgebildet als vielmehr eine Gegenwart, „die sich selbst legitimieren muss und nun in diesen Erzählungen als Erlösung erscheinen kann“.

Streng subjektiv

„Der Funktionär“ bleibt streng subjektiv, mit einer eigenwilligen Bildmontage, die sich um vermeintliche Sehgewohnheiten keinen Deut schert, und mit einem persönlichen Kommentar, in dem Goldstein kritisch, aber auch differenziert und nicht ohne Empathie die Lebensgeschichte des Vaters (und der Mutter) erzählt – und dabei seine eigene Sicht auf das Leben in der DDR reflektiert, auch auf das privilegierte Aufwachsen als Kind eines Polit-Funktionärs. Kein Wort dagegen über seinen prominenten Halbbruder Gregor Gysi, dessen Ähnlichkeit mit dem gemeinsamen Vater frappierend ist.

Der 1912 in Berlin geborene Klaus Gysi war zeitlebens ein treues Parteimitglied. 1940 schickten die Genossen ihn und seine erste Frau Irene nach Berlin, trotz seiner jüdischen Abstammung. Ob er dort wirklich für den kommunistischen Widerstand arbeitete „oder einfach mit dem Überleben beschäftigt war“, habe sein Vater ihm nicht erzählt, sagt Goldstein. Nach dem Krieg ermittelte die SED-Führung zeitweise gegen Gysi. „Man zweifelte an den Zufällen, die ihn überleben ließen“, kommentiert sein Sohn. Als sich der Wind aus dem Osten nach Stalins Tod drehte, machte der redegewandte Klaus Gysi Karriere. Er wurde Leiter des Aufbau Verlags und Minister für Kultur (1966-73). Als „Ulbricht-Mann“ (Goldstein) geriet er nach der Übernahme der Spitzenämter durch Erich Honecker wieder aufs politische Abstellgleis, wurde Botschafter und ab 1979 Staatssekretär für Kirchenfragen.

Eine Diktatur müsse man vor Beginn verhindern, antwortete Gysi 1990 dem hartnäckig fragenden Günter Gaus in dessen Talkshow „Zur Person“. „Hinterher wird es unerhört schwer und kompliziert.“ Goldstein sagt, es habe ihn nicht die politische Niederlage der Generation seines Vaters getroffen, „sondern dass seine Worte nun klangen, als hätte er nicht dazugehört“. Thomas Gehringer

„Der Funktionär“, ZDF, am Montag um 0 Uhr 15 und in der Mediathek

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