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Wir leben nicht im selben Paris wie Emily (Lily Collins, re.), spotten Kritiker der kürzlich gestarteten Serie.

© Carole Bethuel/Netflix

Ärger um „Emily in Paris“: Klischees in Serie

Haute Couture und Flaneure – Die Franzosen sind erzürnt über die Netflix-Produktion „Emily in Paris“ und den amerikanischen Blick auf ihr Land.

Die Serie „Emily in Paris“ läuft erst seit wenigen Tagen auf Netflix. Schon jetzt ist sie die Nummer eins auf Netflix in Frankreich – und höchst umstritten. Emily aus Chicago, gespielt von Lily Collins, wird in eine französische Marketing-Agentur versetzt und dabei prallen zwei Welten aufeinander. Die Sicht der Amerikanerin auf Paris ist in Frankreich großes Thema. Medien und Franzosen regen sich über die Klischees auf.

Die Serie von Darren Star, der auch „Sex and the City“ geschaffen hat, zeigt die Glamourwelt von Paris. Heldin Emily, die in bunter Designerkleidung den ganzen Tag auf High Heels durch die saubere Postkarten-Stadt stöckelt, wirkt wie eine Karikatur. Von Gelbwesten und Obdachlosen ist nichts zu sehen. Franzosen werden als unfreundlich, faul und Verführer geschildert. Die Frauen sind schlank und haben immer leicht zerzauste Haare, als ob sie gerade aus dem Bett steigen. Die erste Frage ihrer neuen französischen Kollegen an Emily: „Warum sprichst du so laut?“

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Das französische RTL-Radio betont: „Die Serie führt mal wieder alle Klischees der Amerikaner über Paris auf: Haute Couture, Machos, Untreue und Gastronomie-Essen.“ Mit Realität habe das nichts zu tun. Europe 1 betont: „Die schönsten Pariser Klischees.“ Diese schöne Stadt würde man auch gern mal besuchen. Auch die Tageszeitung „Le Figaro“ schreibt: „Die Serie sammelt alle Klischees über die Hauptstadt und ihre Bewohner.“ Es sei eine Stadt der Fantasie.

In den sozialen Netzwerken ärgern sich die Franzosen über die Serie, die von Croissants über Bérets zu Sex alle Klischees bedient. Sie beklagen, dass nur Touristenattraktionen wie Moulin Rouge, Eiffelturm oder Louvre gezeigt werden und kritisieren: „Emily nimmt nie die Metro.“ Als Emily in ihr „Chambre de bonne“ (die Bediensteten-Unterkunft unter dem Dach) einzieht, ist dieses luxuriös und hat Blick auf den Eiffelturm. Auf Twitter machen sich Zuschauer lustig und stellen ein Zimmer eines Luxushotels ironisch als typisches „Chambre de bonne“ vor. Einer twittert: „Was sie nicht in ,Emily in Paris‘ sehen:“ Er zeigt Bilder von den ewigen Pariser Bauarbeiten, Müll, Zelten mit Obdachlosen, Polizei und brennende Geschäfte nach Demonstrationen.

"Wir leben nicht im selben Paris"

Stattdessen sieht man Emily in Designerkleidung, die „Sex and the City“-Stylistin Patricia Field ausgesucht hat, ständig Wangenküsse austeilen, in teuren Cafes Wein trinken – sogar schon morgens – und blutiges Fleisch verspeisen. Die Franzosen werden als „Flaneure“ bezeichnet, die erst um 10 Uhr 30 ins Büro kommen und ewig lange Mittagspausen machen. Wenn sie überhaupt essen. Emilys Chefin erzählt: Ihr Mittagessen ist eine Zigarette. Ein Pariser Firmenchef stimmt zu. „Rauchen ist ein Plaisir und was sind wir ohne dieses? Deutsche?“

Alle Männer, die so aussehen, wie man sich French Lover vorstellt, machen Emily den Hof. Auch hierzu twittern Französinnen: „In 20 Jahren in Paris hatte ich noch nie einen so schönen Nachbarn wie Emilys Nachbar Gabriel.“ Der wird vom Franzosen Lucas Bravo gespielt. „Das Leben ist Croissants und Sex“, heißt es in der Serie. Dazu die Kommentare in den sozialen Medien: „Wir leben nicht im selben Paris, zum Totlachen.“

Emily glaubt an ein Happy End im Leben, die Franzosen an Leidenschaft. Auch wenn alles in der romantischen Komödie übersteigert wird, meint die Kinozeitschrift „allocine“ dennoch: „Seien wir ehrlich, es ist nicht alles völlig falsch beschrieben.“ Die Franzosen seien nicht dafür bekannt, die nettesten Menschen der Welt zu sein, oder Fremdsprachen zu sprechen. Die französische „Vanity Fair“ empfiehlt die Serie. „Lust auf einen Spaziergang an der Seine und Nachmittage auf der Bistroterrasse? In Zeiten der Maske bereitet die Serie schon ein gewisses Vergnügen.“ Gedreht im vergangenen Jahr entführt sie in eine Zeit vor Corona, in eine Pariser Glamourwelt, die gar nicht so weit von der Klischees der Serie entfernt ist.

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