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Die guten Beziehungen zwischen den Präsidenten von Brasilien und Russland, Jair Bolsonaro (links) und Wladimir Putin, haben durch den Ukrainekrieg nicht gelitten.

© Foto: Imago Images/Itar-Tass

Actualidad RT und Sputnik Mundo: Seicht und suggestiv

Russische Staatsmedien stoßen in Lateinamerika auf positive Resonanz. Dafür ist nicht nur der immerwährende Ärger auf den "US-Imperialismus" verantwortlich

In Deutschland sind russische Propagandasender verboten. In Lateinamerika hingegen verbreiten Actualidad RT und Sputnik Mundo nahezu ungehindert die russische Version des Ukrainekriegs. Von „militärischer Spezialoperation“ ist die Rede, von „Nazis“ und davon, dass an allem die Osterweiterung der Nato schuld ist. Wolodymyr Selenskyj ist nicht Präsident und damit Repräsentant einer souveränen Nation, sondern schlicht „Selenskyj“.

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Derzeit steht die Berichterstattung über Proteste, Inflation und Rezession in der Region im Vordergrund – um den Latinos zu suggerieren, die Sanktionen seien für sie persönlich schlimmer als der weit entfernte Krieg. Auch Verschwörungstheorien stehen hoch im Kurs, etwa, dass die USA die Ukraine mit biologischen Waffen aufgerüstet hätten.

Spanisch ist mit 460 Millionen Muttersprachlern die am weitesten verbreitete Sprache weltweit nach Mandarin und daher strategisch wichtig. RT beschäftigt nach eigenen Angaben 200 Mitarbeiter und hat Büros in Caracas, Havanna und Buenos Aires; Sputnik unterhält in fast allen lateinamerikanischen Ländern Korrespondentenbüros.

Starke Präsenz in den sozialen Medien

Stark aufgestellt sind die russischen Medien in sozialen Netzwerken. In Brasilien hatte der Youtube-Kanal von RT bis zu seiner Schließung knapp drei Millionen Abonnenten, der spanische Facebook-Account von RT hat 16 Millionen Fans – dreimal so viel wie der englische Dienst.

Gelungen ist die Mischung aus seichter Unterhaltung und Desinformation. Experten zufolge nutzte Präsident Vladimir Putin 2018 geschickt die Fußball-WM in Russland als Katalysator, um die Verbreitung seiner Propagandaorgane im fußballverrückten Kontinent zu erhöhen.

Putin scheute dabei keine Kosten. Höchst professionell in der Machart und vermeintlich plural kommen die Nachrichtensendungen von RT daher. Auf den Webseiten wird sogar aus westlichen Zeitungen wie „Wall Street Journal“ oder „New York Times“ zitiert – aber nur Nachrichten, die ins Propaganda-Schema passen. So wurde der Einsatz von Streubomben durch die Ukraine hervorgehoben,russische Gräueltaten werden verschwiegen.

Inhalte sind gratis

Die meisten Inhalte der beiden Medien sind gratis aus dem Internet zu beziehen – ein willkommener Rettungsanker für viele defizitäre Medienhäuser oder auch unterfinanzierte Startups der Region. Häufig zitiert werden die russischen Propagandaorgane auch in linken Medien, beispielsweise in der Zeitung „La Jornada“ in Mexiko, dem sozialistischen Staatsorgan „Granma“ in Kuba oder den venezolanischen Staatsmedien VTV und „Telesur“.

Geht es um die Ukraine, ist Actualidad RT mittlerweile auf Twitter unter den drei Anbietern, deren Inhalte weltweit am meisten geteilt werden – vor der BBC oder CNN. Bots spielen dabei offensichtlich eine Schlüsselrolle. Der kolumbianische Internetexperte Esteban Ponce de Leon hat im März einen näheren Blick auf den Erfolg der russischen Staatsmedien auf Twitter geworfen – und dabei herausgefunden, dass 171 Accounts wöchentlich bis zu 200 000 Tweets absetzen, die dann von russischen Diplomaten, Journalisten und anderen Sympathisanten aufgegriffen und weiter verbreitet werden.

Abneigung gegen "US-Imperialismus"

Russland knöpft dabei an alte Sympathien in der Region an. Zum ehemaligen Bruderstaat Kuba bestehen weiterhin gute Beziehungen, aber auch zu ehemals kommunistischen Altlinken, bei denen die Abneigung gegen den „US-Imperialismus“ zum Selbstverständnis gehört. Diese Antipathie wurzelt in zahlreichen blutigen US-Interventionen, vom Sturz Salvador Allendes in Chile bis zu den Bürgerkriegen in Mittelamerika.

Aus diesem Milieu rekrutierten die russischen Staatsmedien zahlreiche Kolumnisten, die ihre Weltsicht mundgerecht aufbereitet an ein jüngeres Publikum weitergeben können. Dabei haben sie ein leichtes Spiel, gehören Medienkritik oder ein reflektierter Umgang mit der Geschichte in den meisten lateinamerikanischen Ländern nicht zum Bildungskanon.

Abgehalfterte Kolumnisten

Unter den Kolumnisten finden sich abgehalfterte mexikanische Wissenschaftler und Verschwörungstheoretiker wie Alfredo Jalife oder ehemalige AgentInnen wie Vicky Pelaez, die regelmäßig vermeintliche Umsturzversuche und Komplotte des US-Geheimdienstes CIA entlarvt. Der prominenteste lateinamerikanische Host auf RT war der mittlerweile wegen Korruption verurteilte linke ecuadorianische Expräsident Rafael Correa, der seine Talkshow dazu nutzte, um seine Nachfolger zu diskreditieren.

Bei alledem gehe es nicht um Journalismus, um ausgewogene Berichterstattung oder um die Wahrheitsfindung, erklärte Ben Dubow von der US-amerikanischen Medienanalysefirma Omelas. „Hispanos und Latinos sind Ziele, um im Westen Unruhe zu schüren und Chaos zu stiften“, sagte er dem Sender NBC News.

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