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Die Zeit als Wirtschaftsjurist hat Bernhard Zünkeler hinter sich gelassen, jetzt zählt nur noch die Kunst.

© ZDF und Pause Film

3sat-Doku von Aljoscha Pause: Wie ist es, wenn man den gutbezahlten Job hinschmeißt, um die Welt zu verändern?

Aljoscha Pause, Bernhard Zünkeler und die Einsamkeit des Langzeit-Dokufilmers.

Mit Kunst das Bewusstsein verändern und dem etablierten Kunstmarkt den Kampf ansagen – das ist das erklärte Ziel von Networker, Kurator, Künstler und Ex-Banker Bernhard Zünkeler, der Protagonist eines sehr ungewöhnlichen Dokumentarfilm-Projekts von einem ungewöhnlichen Filmemacher. Fast zehn Jahre hat Aljoscha Pause an seinem Film „Art is a State of Mind“ gearbeitet, den 3sat am Samstag in einem Primetime-Marathon sendet.

Zehn Jahre Produktion und sechs Stunden Sendestrecke für eine TV-Doku, wo gibt es das noch? Sagt hier nicht nur ein Künstler einem Markt den Kampf an, sondern auch ein Dokufilmer dem kurzlebigen Fernsehgeschäft, wo 30- bis 45-minütige Dokus zu später Stunde an der Tagesordnung sind?

Man weiß nicht, über was man sich mehr wundern soll: über den (auch finanziellen) Wagemut des Filmhelden, der sein Business-Leben schlagartig umkrempelt, um die Welt zu bereisen und mit Kunst zu verändern, oder über den Filmemacher. Pause hat sich mit Dokus wie „Tom meets Zizou“ oder „Being Mario Götze“ einen Namen gemacht hat. Von Fußballstars zu Künstler-Trips. („Art is a State of Mind“, 3sat, Samstag, sechs Folgen ab 20 Uhr 15 und in der Mediathek)

Es braucht schon ein wenig Mut, um sich auf so eine Reise zu machen, sagt Pause dem Tagesspiegel. „Ich habe ja bereits einige Langzeitstudien betrieben und spüre eigentlich immer wieder, dass mich diese bewusst völlig ergebnisoffene Form einfach sehr reizt.“ Die Schriftstellerin Cornelia Funke sagt in seiner aktuellen Serie: „Ich will nie das Ende wissen. Ich überlasse es immer der Geschichte, zu mir zu kommen. Ich glaube, dass jede Art von Kreativität so funktioniert, als ob man ein Labyrinth betritt. Und das, wonach man darin sucht, versucht sich zu verstecken.“

Der Autor erinnere sich noch gut an den Moment, als Funke ihm das im Interview erzählte. „Da hat etwas bei mir Klick gemacht. Geskriptete Sachen haben mich immer abgestoßen. Das war auch einer der Gründe, warum ich für mich diese aufwendige Herangehensweise gesucht und gefunden habe.“ Natürlich mache es dieser Modus schwer, im Vorfeld Mitstreiter für so eine Doku zu gewinnen.

„Das ist für mich schon ein Stück weit Etikettenschwindel.“

Für die Langstrecke, sagt Pause, sei es kompliziert bis unmöglich, vom Start weg Plattformen, Sender oder Förderer zu überzeugen. „Denen ist das Risiko zu groß und die Zielsetzung zu abstrakt. Selbst wenn jemand so viel Erfahrung mit diesen Distanzen hat wie ich. Die Projekte sind nur dann möglich, wenn ich selber voll ins Risiko gehe.“

Natürlich sei jede Langzeit-Doku auch immer von Durststrecken gekennzeichnet. „Und hier meine ich jetzt wirkliche Langstrecke: bis zu zehn Jahre.“ Pause hat es zuletzt häufiger erlebt, auch und gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen, dass einem dort Dokumentationen, für die ein Politiker für drei Monate begleitet wurde, als Langzeitstudie verkauft werden.

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„Das ist für mich schon ein Stück weit Etikettenschwindel. Wenn man wirklich über viele Jahre geht, ereignen sich eben Unwägbarkeiten, die stark betriebswirtschaftlich orientierte Unternehmen nicht kalkulieren können.“

Es hat sich gelohnt, für den Regisseur und die Zuschauer. Man muss sich aber schon über sechs Stunden einlassen können auf einen Mann, der sein Tun und Lassen selbst kommentiert und von Wegbegleitern kommentiert wird. Wir folgen Bernhard Zünkeler über neun Jahre beim Aufbau eigener Künstlerkollektive und beim Etablieren eines globalen Netzwerks mit Gleichgesinnten zwischen Berlin, Los Angeles und Havanna, wo es auch schon mal Spannungspunkte, Ärger mit dem kubanischen System gibt.

Vorher hat der Wirtschaftjurist seinen hoch dotierten Job bei einer großen Bank gekündigt, um sich seiner wahren Passion zu verschreiben: der Kunst. Wer Kunst wirklich leben will, muss ins absolute Risiko gehen, so das Credo des 57-Jährigen.

Dabei ist sein Ziel nicht nur eigene Selbstfindung, sondern nichts Geringeres, als mit Kunst die Welt zu verändern, dem Kunstmarkt, der Kunst primär als Geldanlage versteht, seine Vision einer gesellschaftlich wirksamen Kunst entgegenzusetzen.

Lässt man sich auf diese Utopie ein, nimmt auch die eine oder andere Redundanz in Kauf, folgt sich die Geschichte wie von selbst. Aljoscha Pause gibt nicht mehr, aber auch nicht weniger hinzu als meditative Bilder und seinen speziellen Zugang und sensiblen Umgang mit radikal kreativen Menschen. TV-Tipp zum Wochenende: Doku-Bingewatching!

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