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Barcelona Chair, Entwurf Mies van der Rohe, anlässlich der Weltausstellung 1929 in Barcelona.

© ZDF und Claudia Rauch

3sat-Doku "Die Bauhaus-Revolution": Strenge mit Stil

Vom „Tohuwabohu der Kreativität“ bis zum Apple-Design: Die zweiteilige 3sat-Doku „Die Bauhaus-Revolution“ lässt hundert Jahre Revue passieren

Der Schwabe Norbert Höpfer restauriert in Tel Aviv die Weiße Stadt, eine Siedlung von 4000 Gebäuden, errichtet in den 1930er Jahren vornehmlich von emigrierten deutschen Bauhaus-Architekten. Der ungebrochenen Begeisterung, die in so einem Jubiläumsjahr gerne mal aufkommt, setzt Höpfer die nüchternen Erfahrungen des Praktikers entgegen. Bevor das ganze Haus einstürze, dringe erst mal Wasser in die Decke. Der Rostfraß gehe schneller, auch würden schon mal Teile der Balkone abbrechen. Höpfer findet es gut, „dass wir die Bauhaus-Häuser nicht einreißen“. Aber er sieht den Bauhaus-Stil nicht nur positiv. Das Schlimme sei, dass das Bauhaus das industrielle Bauen eingeläutet habe. „Es gibt wenige Individual-Lösungen, sondern wir arbeiten so nach Schema Gerade.“

Der Restaurator tritt in Folge zwei der Dokumentation „Die Bauhaus-Revolution“ auf, in der es um das Erbe der 1933 unter dem Druck der Nationalsozialisten geschlossenen Kunstgewerbeschule geht. Autor Claudius Gehr und seine Gesprächspartner schlagen hier auch mal etwas kritischere Töne an, während die erste Folge, die die Zeit zwischen 1919 und 1933 Revue passieren lässt, ein wenig unter der Last des Jubiläums leidet, das – natürlich zu Recht – eine Würdigung der vor 100 Jahren in Weimar gegründeten Schule verlangt. Aber wenn sich wortgewaltiges Lob und dröhnende Schlagwörter wie Utopie, Mythos, Moderne und Vision häufig wiederholen, nutzen sie sich auch ein wenig ab. Dennoch ist Gehrs Doku das Pflichtprogramm für all jene, die sich für die Bauhaus-Geschichte interessieren, weil sie den bisher umfassendsten Fernseh-Überblick von den Anfängen in Weimar, diesem „Tohuwabohu der Kreativität“, wie das Museums-Direktor Wolfgang Holler beschreibt, bis zum industriellen Apple-Design in der Gegenwart bietet.

Führung durch Bauhaus-Wohnungen

Gehr widmet sich auch den sozialen und politischen Fragen, dokumentiert mit umfassendem Bild-Material aus den Archiven das gemeinsame Leben und Arbeiten und das weite Spektrum der Tätigkeiten an der Schule. Er lässt sich von heutigen Bewohnern durch Bauhaus-Wohnungen führen, spricht mit Expertinnen wie Claudia Perren, Direktorin Stiftung Bauhaus Dessau, und Annemarie Jaeggi, Direktorin des Bauhaus-Archivs. Außerdem kommt man viel herum als Zuschauer, insbesondere im zweiten Teil: Tel Aviv, Tokio, Ulm, Berlin, Stendal, Sevilla, Stuttgart, Boisbuchet. Und immer wieder geht es in die USA, wo ehemalige Bauhaus-Lehrer maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Künste und der Architektur hatten. Josef Albers setzte seinen Vorkurs als Schule des neuen Sehens am neu gegründeten Black Mountain College fort und unterrichtete auch Maler wie Robert Rauschenberg und Musiker wie John Cage. Walter Gropius kuratierte 1938 eine Bauhaus-Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art und lieferte sich später mit Mies van der Rohe einen Wettstreit bei der Errichtung von Wolkenkratzern.

In Ulm setzt die nach dem Krieg gegründete Hochschule für Gestaltung (HfG) das Bauhaus-Erbe fort. Autor Gehr sieht eine gerade Linie vom Bauhaus über die HfG, die Haushaltsgeräte der Firma Braun, die Piktogramme der Olympischen Spiele 1972 in München bis zum Apple-Design. Die Frauen gehen bis auf eine freundliche Erwähnung der Webkunst von Anni Albers mal wieder ein wenig unter, werden aber in dem zuvor ausgestrahlten Film „Bauhausfrauen – Die vergessenen Pionierinnen der Kunstbewegung“ ausführlich gewürdigt. Autorin Nico Weber war mit einer gleichnamigen Reihe für das Magazin „Kulturzeit“ in diesem Jahr für den Grimme-Preis nominiert. Thomas Gehringer

„Bauhausfrauen“, 3sat, am Samstag um 19 Uhr 20; „Die Bauhaus-Revolution“, um 20 Uhr 15 und 21 Uhr

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