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Immer unter der Lupe: Was sind die 17,50 Euro Rundfunkbeitrag wert?

© dpa

17,99 Euro für Netflix, 17,50 Euro für ARD & Co.: Macht 35,49 Euro - und das ist gut so

Netflix und öffentlich-rechtliches Fernsehen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ein Kommentar.

Der Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio kostet monatlich 17,50 Euro. Das Premium-Paket des Streamingdienstes Netflix kostet monatlich 17,99 Euro. Das sind zwei Tatsachen, die nicht zu diskutieren und schon gar nicht aus der Welt zu leugnen sind. Eine dritte Tatsache kommt hinzu: Netflix fußt auf dem Abomodell, der Dienst wird freiwillig bestellt und bezahlt. Der Rundfunkbeitrag ist verpflichtend, er ist eine Zwangsabgabe, der jedem Haushalt in Deutschland abverlangt wird.

Dieser fundamentale Unterschied teilt für nicht wenige Menschen die audiovisuelle Welt in Gut und Böse, wie die heftigen Leserkommentare zum Artikel „Netflix verteuert das Abo“ am Freitag in dieser Zeitung gezeigt haben. Gut ist dann Netflix, weil die Entscheidung für dessen Nutzung und Bezahlung allein auf individueller Entscheidung beruht. Böse ist das öffentlich-rechtliche System, das fern von jeder Mitbestimmung und Mitentscheidung die Bürgerinnen und Bürger zur Kasse bittet.

"Tagesschau" erreicht Höchstwert bei der Quote

Sind damit die Programmleistungen von ARD, ZDF und Deutschlandfunk überflüssig, untauglich, auf jeden Fall überbezahlt? Das Corona-Jahr 2020 hat den Zuspruch zum linearen Fernsehen auf die unglaubliche Zahl von täglich 220 Minuten je Zuschauer hochgeschoben. Und es zeigt sich, dass die Information in den öffentlich-rechtlichen Programmen am meisten davon profitiert hat. Die „Tagesschau“ meldet mit 11,78 Millionen Zuschauern täglich den höchsten Wert seit Beginn der Quotenmessung. Das Bedürfnis nach relevanten, geprüften Fakten über Covid 19 hielt mit dessen Ausbreitung Schritt. Solche breite Aufklärung ist ohne Rundfunkbeitrag nicht zu haben, kann das mal ohne Schaum vor dem Mund anerkannt werden? Nun bestehen die öffentlich-rechtlichen Kanäle aus weit mehr als nur Information. Sie schwanken zwischen der vorherrschenden Sucht zur Omnipräsenz – alle Genres, Formate, Farben für alle Zuschauer – und der geringen Einsicht zur Beschränkung – vieles für viele. Besonders die Fiktion bietet sich für heftige Kritik an. Neben der Anstrengung eines „Tatorts“ (ARD) oder eines außerordentlichen ZDF-Montagsfilms regieren Formate wie „In aller Freundschaft“ und „Soko“ das Angebot. Es ist bitter und es ist wahr: Die Krankenhaus-Soap ist die zumeist erfolgreichste Fiktion am Dienstag, die werktägliche „Soko“ im Zweiten fundamentiert die Marktführerschaft des ZDF im deutschen Fernsehen. Mehr Publikum geht kaum.

Netflix hat Fernsehfiktion revolutioniert

Dann hatte der Fernsehgott ein Einsehen. Mit Netflix, Amazon Prime und weiteren Streamingdiensten kam die Erlösung. Netflix, das war und ist eine Befreiungsaktion des Mediums, der Kreativität, der Phantasie. Binge-Watching kam in Mode, dieses sich stundenlange Gehen-Lassen in die Neuschöpfung von Welt und Mensch. Halleluja! Die Audiovision führte vor, dass sie hinter den alteingesessenen Medien und Künsten wie Literatur und abstrakter Malerei nicht zurückstehen muss. „Breaking Bad“, das ist „Faust“, „American Gods“, das ist die Genesis pur, „Big Little Lies“, das sind Menschen, die um Daseinsfragen ringen. Und dieses Paradies für nur 17,99 Euro Eintritt im Monat! Bleibt der Ärger über die 17,50 Euro für all den „Mist“, so ein Kommentarschreiber, in den öffentlich-rechtlichen Discountern. Netflix ist bei aller schäumenden Phantastik ein Geschäftsmodell, der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Jederzeit ist ein Streit über seine Finanzierung möglich und in deren Form des Zwangsobolus auch nötig. Muss es wirklich die strenge Verpflichtung bis ins Sterbedatum hinein sein, kann es nicht auch nur der Wille des Einzelnen sein, der 17,50 Euro monatlich überweisen will? Die britische BBC wird über den individuellen Erwerb von Fernsehlizenzen finanziert und es gibt bislang keine Erkenntnisse, dass dort kein qualitätsorientierter Rundfunk produziert wird.

Netflix funktioniert, die Öffis funktionieren

Und damit ist für Großbritannien wie für Deutschland fixiert: Wer von der Allgemeinheit finanziert wird, der wird der Allgemeinheit etwas geben müssen, von der fiktionalen „IaF“ und der „Soko“ bis zur dokumentarisch behandelten Frage, wie der Holocaust ins deutsche Fernsehen kam.
Netflix funktioniert nur, weil ARD, ZDF und Deutschlandfunk funktionieren. Und damit beide, der Streamingdienst wie das öffentlich-rechtliche System, funktionieren, muss der Rundfunkbeitrag, muss das Abonnement bezahlt werden.

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