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Ein Kompakter mit sportlicher Linie. Auf der Rückbank geht es dafür eng zu.

© Rainer Ruthe

Mazda3 Selection Skyactiv-G 2.0 M Hybrid: Das Alles-anders-Auto  

Der Mazda3 der vierten Generation ist ganz anders geworden als die meisten Kompakten. Etliches ist auch besser als bei der Konkurrenz

Der Golf ist der Golf, und eine ganze Auto-Klasse ist nach ihm benannt. Was also macht man, wenn man gegen dieses Auto bestehen will? Ihn kopieren? Das funktioniert kaum, wie viele frühere Versuche belegt haben. Mazda, die vergleichsweise kleine Firma, geht einen anderen, erfolgversprechenden Weg. Keine Golf-Kopie, sondern ein Mazda-Original.  

Die Front mit dem prägnanten schwarzen Grill sowie den scharf gezeichneten angriffslustig wirkenden LED-Scheinwerfern würde eher zu einem Sportwagen passen als zu einem Butter- und Brot-Kompakten. Dagegen sieht der neue Golf 8 merkwürdig zaghaft und schmalbrüstig aus. Sportlich geht es beim auf 4,46 Meter Länge gewachsenen Japaner weiter. Allerdings ist das nur bedingt gut, denn das abfallende Dach des Autos bietet lediglich Menschen bis gut 1,85 Meter Körpergröße genügend Kopffreiheit. Der Dreier von Mazda ist eher ein 2+2-Sitzer. Außerdem fühlen sich die Fondpassagiere wie in einer kuscheligen Höhle untergebracht, zumal dann, wenn der Dachhimmel, wie bei unserem Testwagen, schwarz ist. Der Mazda3 hat das knackigste Hinterteil der gesamten Kompaktklasse. Diesem Auto schaut man gerne nach. Die Japaner erlauben sich, wie einst Alfa Romeo, Leidenschaft. Erinnert das Heck nicht an den legendären Alfasud?

Hinten einsteigen - eine Zumutung

Allerdings hat dieses aufregende Design einige Nachteile: Den Einstieg in den Fond sollten Sie ihrer Schwiegermutter nicht zumuten, denn der ist eine Zumutung! Nur wer sich schlangenartig verrenkt, bekommt keine Kopfnuss. Das Aussteigen ist noch schlimmer. Und die extrabreite C-Säule schränkt sowohl die Rücksicht für den Fahrer als auch die Aussicht für die Fondpassagiere ein. Die Ladekante des nur 358 Liter großen Kofferraums liegt mit 76 Zentimetern viel zu hoch, und dahinter wartet eine mit 20 Zentimeter ungewöhnlich tiefe Stufe, über die das Gepäck beim Ausladen wieder darüber gewuchtet werden muss. Der Gepäckraum hat eher Kleinwagenniveau, 22 Liter weniger als beim 18 Zentimeter kürzeren Golf 8. Und mit 98 Zentimetern ist die Ladeöffnung des Japaners auch sehr gering ausgefallen. Wer schön sein will, muss eben Kompromisse in Kauf nehmen. Klappt man die im Verhältnis 40 und 60 geteilte Rücksitzlehne um, erhält man eine nahezu ebene Ladefläche mit einem Volumen von bescheidenen 1026 Litern. Ein Golf 8 bietet sagenhafte 211 Liter mehr.

Hochwertiger Innenraum

Die größte Überraschung liefert der Mazda3 im Inneren, wo vieles nicht nur anders ist als bei den anderen, sondern auch besser: Die Qualitätsanmutung der Materialien im Mazda3 fällt beispielsweise deutlich hochwertiger aus als im neuen Golf 8, der in dieser Beziehung auf doch arg enttäuscht. Der Japaner hingegen vermittelt eine Wertigkeit, die in dieser Klasse höchst selten anzutreffen ist. Alles ist clean, denn Mazda hat den Innenraum „aufgeräumt“. Fahrer und Auto sollen sich in perfekter Harmonie befinden. Jinba Ittai lautet diese spezielle Philosophie der Japaner. Kein Wunder, dass bei der Ergonomie so ziemlich alles stimmt. Man merkt, dass jede Funktion und jede Taste für eine stressfreie Bedienung vorher durchdacht wurde. Einziger Fehltritt: Die Tasten für den Spurhalteassistent oder die Start-Stopp-Deaktivierung sitzen ein verloren im Lenkrad-Abseits unten links.

Anders machen es die Japaner auch hier: Das optimal integrierte Zentraldisplay, wo die Japaner sich erfreulicherweise gegen den allgemeinen Trend gestemmt haben, dass der Bildschirm immer größer werden muss, lässt sich bequem per Dreh-Drück-Steller bedienen, wie bei BMW. Kein Vorbeugen, kein Gefummel auf dem Display, keine Fettflecken. Der 3er besitzt ein „echtes“ Head-up Display, keine billige ausklappbare Plexiglasscheibe. Die aufwändige Lösung projiziert Infos wie Geschwindigkeit, Navigationshinweise sowie Verkehrszeichen unmittelbar in die Windschutzscheibe und somit direkt in das Blickfeld des Fahrers. In dieser Fahrzeugklasse bietet dies serienmäßig kein anderer Hersteller.

Auch das ist anders beim japanischen 3er – und besser als bei anderen gelöst. Hat man sich nicht angeschnallt, gibt die Elektronik die elektrische Feststellbremse nicht frei. Erst angurten, dann fahren. Auch ganz anders: Die Waschdüsen befinden sich in den Wischerarmen, so dass das unmittelbar auf die Scheibe gesprühte Wasser direkt weggewischt wird. Das sorgt für ein klareres Blickfeld und eine bessere Sicht bei schlechtem Wetter. Auch das ist in dieser Klasse nicht selbstverständlich: Die Außenspiegel senken sich beim Rückwärtsfahren automatisch ab und erleichtern so das Einparken.

Keine Mogelpackung beim Verbrauch

Wir testen den Mazda3 mit dem „Basismotor“. Der ist kein kastrierter Dreizylinder mit Turboaufladung, sondern ein ausgewachsener Vierzylinder mit zwei Liter Hubraum, Direkteinspritzung, aber ohne Turboaufladung. Er leistet 122 PS bei 6000 Umdrehungen pro Minute, hat ein Drehmoment von 213 Newtonmetern bei 4000 Touren. Damit beschleunigt der 1,35 Tonnen schwere Mazda3 in 10,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und fährt bis zu 197 km/h schnell. Den Kraftstoffverbrauch gibt Mazda mit 6,0 Litern Super E10 nach dem neuen WLTP-Messzyklus an. Und auch das ist anders als bei den anderen: Beim Mazda3 liegen Wunsch und Wirklichkeit nicht so weit auseinander wie bei den Autos mit hubraumkleinen Turbos. Auf den insgesamt 1950 Testkilometern verbrauchte der Mazda3 Selction Skyactiv-G 2.0 M Hybrid 6,1 Liter Super E10 pro 100 Kilometer. Und das bei schwer schuftender Klimaanlage sowie vielen Autobahn-Kilometern.  

Mazda hat einigen Aufwand betrieben. Beim Skyactiv-G-genannten Triebwerk senkt in der neuesten Motorversion ein 24-Volt-Mild-Hybrid-System Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen. Innermotorische Maßnahmen verringern die Entstehung von Rußpartikeln, so dass bereits die Grenzwerte der erst ab 2021 gültige Euro 6d Abgasnorm ohne zusätzlichen Otto-Partikelfilter erreicht werden. Außerdem verfügt der Vierzylinder über eine serienmäßige Zylinderabschaltung: Je nach Fahrsituation wechselt das Triebwerk automatisch zwischen Zweizylinder- und Vierzylinder-Betrieb. Bei geringer Last, etwa beim Dahingleiten mit konstanter Geschwindigkeit, werden Zylinder eins und vier abgeschaltet. Das funktioniert so gut, dass vom Wechsel nichts zu spüren ist.

Fahrspaß ohne Turbo

Fahrspaß liefert der Mazda 3; das ist seine Stärke. Trotz seines turbolosen Motors. Dieser Vierzylinder ist nämlich kein Ausbund an spontan-brachialer Kraftentfaltung. Da kann er mit der Durchzugskraft moderner Turbos nicht mithalten. Vor dem Überholen oder an Steigungen müssen öfter ein, zwei Gänge zurückgeschaltet werden. Dafür reagiert der Sauger viel spontaner auf Gasbefehle als zwangsbeatmete Triebwerke. Zudem beschleunigt er so wunderbar harmonisch-linear. Das adelt Fahren im 3er als besondere Form der Entspannung. Der Fahrspaß beim 3er kommt also nicht vom Motor, sondern von der begeisternden Handlichkeit, die zum Besten in dieser Klasse zählt. Ganz vorn dabei ist der Dreier auch beim Fahr- und Geräuschkomfort – er zählt zu den leisesten Autos seiner Klasse.

Wer richtig sportlich fahren will, muss bei dem drehfreudigen Sauger fleißig schalten. Das ist jedoch kein Problem, denn der Antrieb wartet mit einer der besten Schaltungen überhaupt auf – knackig und zackig. Das ist schon Sportwagen-Niveau! Allerdings steigt dann der Verbrauch dann in die Acht-Liter-Region. Der Vierzylinder mag es lieber entspannt.

Der neue Mazda3 hat die weiterentwickelte Fahrdynamikregelung G-Vectoring Control Plus an Bord. Deren softwaregesteuerte Regelung reduziert beim Einlenken in Bruchteilen von Sekunden das Motordrehmoment, und beim Auslenken aus einer Kurve wird durch leichtes Abbremsen der kurvenäußeren Räder der Übergang in die Geradeausfahrt stabilisiert. Dies verbessert die Fahrstabilität, selbst auch auf rutschiger Fahrbahn.

Zu den McPherson-Federbeinen zum Einsatz gesellt sich nun eine neu entwickelte Verbundlenkerhinterachse, welche die Steifigkeit der hinteren Radaufnahmen erhöht und somit das Ansprechverhalten des Autos verbessert. Der 3er reagiert feinfühlig auf Lenkbefehle, die Lenkung gibt eine gute Rückmeldung. Und das straff ausgelegte Fahrwerk findet einen ausgewogenen Mittelweg zwischen Sport und Komfort.

Immer unter Beobachtung 

Der neue Mazda3 hat etliche Fahrhilfen an Bord: So erkennen vordere und hintere Radarsensoren Autos und warnen, wenn die sich aus nicht einsehbaren Bereichen von links oder rechts zu sehr nähern. In Verbindung mit der Ausparkhilfe mit Notbremsassistent für den hinteren Querverkehr bremst der 3er bei Gefahr automatisch. Und er beobachtet ständig seinen Fahrer! Mit dem neuem Aufmerksamkeitsassistenten geschieht dies mittels einer Infrarot-Kamera, die Anzeichen von Müdigkeit und Unaufmerksamkeit erkennt, um in einer Gefahrensituation mit optimiertem Bremseingriff reagieren zu können. Es gibt auch eine erweiterte Stauassistenzfunktion, welche das Fahren in zäh fließendem Autobahnverkehr durch selbstständiges Beschleunigen, Bremsen und Lenken erleichtert.

Einen Sonderweg geht Mazda auch bei der Positionierung dieses Kompakten. Bei den Japanern gibt es kein Basismodell im herkömmlichen Sinne mehr. Der Mazda3 kostet mindestens 23192 Euro (inklusive 16 Prozent Mehrwertsteuer). Doch dafür ist er derart opulent ausgestattet, dass bei den meisten Konkurrenten noch ein paar Tausender draufgelegt werden müssen, um das Niveau des Japaners zu erreichen. So bietet bereits das „Einstiegsmodell“ des 3er zum Beispiel LED-Hauptscheinwerfer, 16-Zoll-Aluräder, Navigationssystem ab Werk, bindet Apple- und Android-Smartphones ins Infotainmentsystem ein, projiziert Infos mit einem „echten“ Head-up-Display direkt auf die Windschutzscheibe und hält selbstständig den Abstand zum Vordermann. Ein vergleichbares Angebot sucht man in dieser Klasse vergebens.

Konkurrent Golf ist 9000 Euro teurer

Unser Testwagen Mazda3 Selction Skyactiv-G 2.0 M Hybrid steht mit 24458 Euro in der Preisliste, hat dann aber schon jede Menge Komfort an Bord. Sie hier komplett aufzuzählen, würde einfach zu lang werden. In Verbindung mit allen erdenklichen Extras zum Preis von 6047 Euro, mit denen unser Testwagen ausgestattet war, kommen am Ende 30505 Euro zusammen. Das erscheint viel, doch ein vergleichbar ausgestatteter Golf 8 ist gut 9000 Euro teurer. 

Fazit. Die Japaner liefern ein Auto, das vieles anders und einiges sogar besser macht. Es ist nicht alles Golf, was glänzt. Raumökonomie ist keine Stärke des 3er. Da muss er dem aufregenden Design Tribut zollen. Und einen Mazda3 Kombi gibt es nicht. Doch auch da halten es die Japaner anders als die anderen Hersteller. Wer sich an den Nachteilen des knackigen Hecks stört, hat eine schlaue Alternative: Zum Aufpreis eines konventionellen Kombis  gibt es bei Mazda einen unkonventionellen Crossover namens CX30, der, je nach Version, 975 bis 1365 Euro mehr kostet. Der CX30 ist auch wieder anders, eine Mischung aus normalem Kombi und trendigem SUV – und derzeit schwer angesagt.

Wer ein Auto in der Kompaktklasse sucht, dass zwar in Sachen Raumökonomie Defizite aufweist, dafür richtig Spaß macht und ganz anders ist, der kommt am neuen Mazda3 eigentlich nicht vorbei. Es gibt stärkere, spurtschnellere und vor allem geräumigere Kompakte als den japanischen 3er, aber keinen, mit dem man besser angezogen und herzerfrischender unterwegs ist.

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