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Internet-Promis.

© Illustration: Louisa El Bouyahyan, Carolin Först & Andree Volkmann

LeFloid, Bibi und Dagi Bee: Deutschlands junge Internet-Helden

Sie kommentieren Politik, bemalen sich die Fingernägel, daddeln am Computer – und Millionen schauen ihnen dabei zu. Ein Panoptikum der Youtube-Szene.

Die Überflieger

Philipp Laude, 25, Matthias Roll, 24, und Oguz Yilmaz, 24, kennen sich aus Schulzeiten, bilden zusammen das Comedy-Trio „Y-Titty, was man englisch und somit „Wai Titti“ ausspricht. Bekannt wurden sie durch Sketche und Songparodien, die sie auf ihren Youtube-Kanal hochladen. Der hat inzwischen mehr als drei Millionen Abonnenten. Eine ihrer Spezialitäten: Szenen aus populären Computerspielen wie „Call of Duty“ oder „Grand Theft Auto“ nachspielen. Seit 2009 verdienen sie ihren Lebensunterhalt mit Werbung, die vor ihre Videos geschaltet wird. Seit letztem Jahr organisieren sie auch das „WikiBattle“. Ein Turnier, bei dem es gilt, von einem vorgegebenen Artikel im Online–Lexikon Wikipedia mit möglichst wenigen Links zu einem anderen Wikipedia-Eintrag zu gelangen. Inzwischen haben es Y-Titty mit mehreren Eigenkompositionen in die deutschen Charts geschafft, unter anderem mit einem Lied über unerwünschte Erektionen. Kleiner Auszug: „Wenn mich ’ne Frau berührt: Ständertime! Falsche Umkleidekabine: Ständertime! Taucherbrille im Freibad: Ständertime!“

Die Markenbewusste

Die Kölnerin Bianca Heinicke, 23, ist unter dem Namen „Bibi“ bekannt, in ihrer Internetshow „BibisBeautyPalace“ gibt sie Schmink-, Mode- und Shoppingtipps. Jede Folge beginnt mit dem Satz „Halli hallo, meine Lieben, und willkommen zu meinem neuen Video“. Ihre Hauptzielgruppe sind Mädchen im Teenager-Alter. Sie hat 2,3 Millionen Abonnenten auf Youtube, 1,5 Millionen auf Instagram. 2014 musste eine Autogrammstunde in der Kölner Innenstadt wegen eines Massenansturms abgesagt werden, mehrere Fans verletzten sich in dem Gedränge. Kritiker werfen Heinicke offensive Produktwerbung vor. Bei angepriesenen Waren (wie etwa einer 250 Euro teuren Armbanduhr) verweist Bibi unter ihren Videos per Links auf Seiten, auf denen sich die entsprechenden Empfehlungen online kaufen lassen. Klicken Fans darauf und bestellen dort, erhält Bibi eine Provision. Ihren Anhängern schreibt sie: „Ihr könnt euch die Produkte natürlich auch gerne woanders kaufen. Der Link ist lediglich ein Vorschlag, damit ihr euch das Produkt mal anschauen könnt.“

Der Politikinteressierte

Florian Mundt, 27, Berliner Psychologiestudent, heißt im Netz „LeFloid und lädt zweimal die Woche für seine 2,5 Millionen Abonnenten Videos hoch, in denen er aktuelle Nachrichten kommentiert. LeFloid schimpft über Waffenverkäufe, nennt Donald Trump einen „Deppen“, prangert Lobbyismus, Diktaturen sowie die Netzpolitik der Bundesregierung an. Seine Pointen sind bissig, oft auch albern, seine Meinungen aber in den allermeisten Fällen fundiert und plausibel. 2014 wurde LeFloid mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Sein Lebensmotto lautet nach eigenen Angaben „in medias res“, also „mittenrein!“, er hat es sich auf den Oberarm tätowieren lassen. Diesen Juli durfte er Bundeskanzlerin Angela Merkel interviewen, wofür er von klassischen Medien anschließend hart kritisiert wurde. Die „FAZ“ unterstellte ihm „Unkenntnis journalistischer Standards“ und schrieb, Mundt habe gewirkt „wie ein Pennäler, der es kaum fassen konnte, in dieses Kanzleramt vorgelassen worden zu sein.“

Freshtorge und Simon Unge

Internet-Promis.
Internet-Promis.

© Illustration: Louisa El Bouyahyan, Carolin Först & Andree Volkmann

Der Kinostar

Der 26-jährige Torge Oelrich aus dem schleswig-holsteinischen Wesselburen nennt sich im Internet „Freshtorge“ und veröffentlicht Videos auf seinem Kanal „freshaltefolie“, der 1,5 Millionen Abonnenten hat. In seinen Sketchen schlüpft Oelrich unter anderem in die Rolle der unterbelichteten Schülerin Sandra, die ihre Mitmenschen nervt (Kostprobe: „Mein Name ist Herr Lang“ - „Macht nichts, ich hab’ Zeit“). Im Juli kam sein erster Spielfilm „Kartoffelsalat“ in die Kinos. Dort wirkt neben Y-Titty und Bianca Heinicke auch Otto Waalkes mit. In der „Internet Movie Database“ erhält der Film katastrophale 1,2 von 10 möglichen Sternen. „Die Resonanzen sind natürlich von den Kritikern zum Kotzen, aber von der Zielgruppe perfekt“, sagt Oelrich.

Der Aufmüpfige

Ende vergangenen Jahres wurde Simon Unge, 25, plötzlich auch in den klassischen Medien Thema – durch eine Ankündigung, die in der Welt von Youtube nichts weniger als eine Revolution bedeutete. Aus Unzufriedenheit über sein sogenanntes „Netzwerk“, also die Firma, die ihn vermarkten und seine Bekanntheit steigern sollte, entschied er, künftig allein zu arbeiten. Dafür gab er seine bisherigen Videokanäle „Ungespielt“ und „Ungefilmt“ auf und gründete einen neuen namens „Unge“. Sein Netzwerk fand das gar nicht lustig und verwies auf einen gültigen Vertrag, der nicht einseitig aufkündbar sei. In einer Grußbotschaft an seine Fans sagte Simon Unge, er fühle sich „so, als wäre ich in einem Knebelvertrag“. Fans solidarisierten sich daraufhin auf Twitter und posteten massenhaft unter dem Hashtag #Freiheit. Ob der Fall vor Gericht landet, ist immer noch unklar, jedenfalls hat Unge gerade angekündigt, seinen alten Kanal „Ungespielt“ zu reaktivieren. Zu seiner Spezialität gehören sogenannte „Let’s Play“-Videos: In denen filmt er sich, wie er am Computer „Minecraft“ spielt und seine Handlungen kommentiert. Simon Unge ist überzeugter Veganer und wird wegen seiner Dreadlocks nach eigener Aussage gelegentlich als „Scheiß-Öko“ angefeindet.

Die Modische

Dagi Bee, 20, die sich auch Dagi Buckley nennt, Gerüchten zufolge aber eigentlich Dagmara Nicole heißt, wurde unter jungen Internetnutzern bekannt, weil sie in den Videos ihres Freundes Liont, eigentlich Timo Mikal Torres, auftrat. Seit 2012 veröffentlicht sie eigene Aufnahmen, in denen sie Mode- und Schönheitstipps gibt, unter anderem zu den Themenkomplexen Zahnaufhellung, Enthaarung sowie Sonnencremes. In der populären Rubrik „Nagel-Tutorials“ erklärt sie, wie sich Fingernägel beispielsweise im „Leoparden-Nail- Look“ bunt bemalen lassen. Die Mischung hat ihr mittlerweile 2,1 Millionen Abonnenten eingebracht. Kürzlich hatte sie „Tweef“ (also Streit auf Twitter, englisch: „Twitter-Beef“) mit Simon Unge (siehe oben). Unge hatte sie beschuldigt, ihre Beziehung zu Timo Mikal Torres nur für die Medien zu inszenieren. Das bestritten die beiden energisch. Ein Bild aus dem Netz, das Dagi Bee angeblich beim Küssen eines Hubschrauberpiloten zeigte, stellte sich als Verwechslung heraus. Die Frau war wohl nicht Dagi Bee, sondern das Model Rafa Kalimann. Vor wenigen Tagen haben Liont und Dagi Bee nun jedoch das Ende ihrer Beziehung bekannt gegeben.

Lilo Sommer

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