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D-Cup-Fernsehen. Pamela Anderson (mittlere Reihe, links, blond) trat ab der dritten Staffel mit immer neuen Oberweiten auf.

© imago/Granata Images

Kultserie der 90er: Baywatching: Wie das C-D-E-Cup-Rennen begann

Es ist die erfolgreichste Serie der Welt. Millionen Heranwachsende lernten hier, was Sommer, Meer und Frauen sind. Beim Wieder-Sehen fällt sofort auf: Der Strand ist viel zu voll!

Im Jahr 1980 blickte ein kalifornischer Rettungsschwimmer anders als sonst in die Wellen, denn er hatte eine Idee. Greg Bonann war schon mehrmals ausgezeichnet worden, für seinen Mut und seine Tapferkeit. Sollte man aus seiner Geschichte, nein, aus seinen Geschichten nicht eine Fernsehserie machen? Alle wollen Polizisten sehen, aber die kommen gewöhnlich, wenn es zu spät ist. Er dagegen kommt meistens, bevor es zu spät ist, nicht zu vergessen seine Nebendarsteller: Sonne, Meer und Strand statt einer infernalischen Großstadt.

Mitleidig schauten die Sender auf den Rettungsschwimmer mit Vision. Kein Mensch außer Greg Bonann selbst, seinem Schwager und seinem Cousin – dem späteren Produzenten – glaubte an die Idee dessen, was einmal die erfolgreichste TV–Serie überhaupt werden würde mit mehr als einer Milliarde Zuschauern rund um die Erde.

Nur in Nordkorea und dem Iran war „Baywatch“ nicht zu empfangen. Über Satellit schafften es die Iraner dennoch, luden sich gegenseitig zu „Baywatch“-Partys ein, die Frauen färbten sich unter ihren Tschadors die Haare blond. Was Sommer, was Strand und Meer und was Frauen sind, lernte ein nicht unerheblicher Teil der heute volljährigen Weltbevölkerung auch aus „Baywatch“. Ist dieses Bild fast 30 Jahre später noch zu halten? Zeit für ein Stück Fernseh-Paläontologie.

Fäkalien, Müll und Spritzen – der Strand einer Großstadt

Vielleicht hätte es „Baywatch“ nie gegeben, hätte der Entertainment-Chef des Senders NBC 1988 nicht im Supermarkt einen ausgemusterten Serienstar getroffen, mit dem er weitläufig befreundet war. Kurz darauf las David Hasselhoff das Skript zum Pilotfilm. Und erklärte: „Das ist doch wie ,Knight Rider‘ in Badehose, so was will ich nicht machen.“ „Knight Rider“ war die abgesetzte NBC-Kultserie, in der Hasselhoff vorzugsweise mit seinem Auto spricht. Nein, er habe absolut keine Lust, künftig in Badehose zur Arbeit zu gehen, gab der Mann zu Protokoll, der inzwischen eine erfolglose Zweitkarriere als Musiker begonnen hatte. Im Oktober 1988 unterschrieb der künftige Bademeister der Welt seinen Vertrag.

Im Frühjahr 1989 warteten übel gesonnene Abgesandte der soziologisch und psychologisch überaus verhaltensauffälligen Spezies der Kritiker auf die Hauptdarsteller einer Serie, die sie schon jetzt für die dümmste des Jahres hielten. Eine Miss Universum von 1980 (Shawn Weatherly), ein „Playboy“-Playmate (Erika Eleniak) und ein erfolgloser Musiker und Ex-Serienheld (Hasselhoff)? Reines Oberweiten-Fernsehen, notdürftig in Schach gehalten von Hasselhoffs komischen Beinen? Ein Kritiker sprach von Figuren, die zu lange in der Sonne gelegen haben, und Geschichten, die schon vor der ersten Welle absaufen.

In der Tat gab es für die zur Kreuzigung Bestellten wenig Grund zum Optimismus. Am 4. Januar 1989 hatten die Dreharbeiten in Santa Monica begonnen. Die Wassertemperatur betrug neun Grad, alle trugen Neoprenanzüge. Im Wasser schwammen Fäkalien, Müll und Spritzen, der Strand einer Großstadt eben. Wer sollte sich das anschauen? Und was bringt es, Menschen aus einem Wasser zu retten, das niemand freiwillig betreten hätte? Kurz darauf bekamen sämtliche Darsteller einen Magen-Darm-Virus. Die Produktionsfirma verlegte die Sache nach Hawaii, was die Kosten nicht optimierte. Es sah schlecht aus für „die dümmste Serie“ des Jahres. Der Pilotfilm hieß „Panic at Malibu Pier“, der Produzent hatte gesagt, es sei egal, wo und was sie drehen, aber er wolle die Worte Malibu und Panic im Titel.

Lieutenant Mitch Buchannon hätte es beinahe nie gegeben

Als Erstes fällt heute beim Wieder-Sehen auf: Der Strand ist zu voll! Überbevölkerung am und im Meer, verstärkt durch Kameraeffekte. Der Strand gilt gewöhnlich als Versprechen der Freiheit, war dies nicht eher eine Vorahnung der Apokalypse?

Bis eben war ein Meeressaum die Grenze zur Unendlichkeit. Konstantin Wecker hat es noch gewusst: „Du, ich lebe immer am Strand / Unter dem Blütenfall des Meeres / Du, ich sag ein Lied in den Sand / ein fast vertraut imaginäres ...“ Doch um das zu hören, muss Ruhe sein am Strand. Mit „Baywatch“ war das alles vorbei. Die Küste sah aus wie das Sammelbecken einer Demo.

Hasselhoff und die anderen waren ernstlich verstimmt, als sie Taucher mit Harpunen entdeckten. „Wir sind die Haipatrouille!“, stellten sie sich vor, „engagiert zu Ihrem Schutz.“ Von den vielen Haien vor Hawaii hatte ihnen keiner was gesagt. Natürlich hatten die Rettungsschwimmer auch Rettungsschwimmer. Hasselhoff wäre sonst schon beim Dreh des Pilotfilms ertrunken, als ihm die lose Sauerstoffflasche gegen den Kopf schlug und ihn bewusstlos machte. Lieutenant Mitch Buchannon, Chef der Rettungsschwimmer Malibus von 1989 bis 2001, hätte es beinahe nie gegeben. Wer an dieser Stelle längst auf einen bestimmten Namen wartet, dem sei gesagt: Pamela Anderson, Begründerin des D-Cup-Fernsehens, kommt erst ab Staffel drei.

#MeToo? Please, please, me too!

Bademeister der Welt. Erst als David Hasselhoff Co-Produzent wurde und in jeder Folge auftauchte, wurde die Serie international erfolgreich.
Bademeister der Welt. Erst als David Hasselhoff Co-Produzent wurde und in jeder Folge auftauchte, wurde die Serie international erfolgreich.

© mauritius images

Leute, die zu viel in der Sonne gelegen haben, und Geschichten, die vor der ersten Welle absaufen? Das ist unpräzise. Eine Geschichte, erzählt seit der ersten Folge, wird die ganz große, die ganz lange Welle machen: „Baywatch“ ist nicht zuletzt Alleinerziehenden- und Scheidungskinder-TV. Die Szenen zwischen Vater und Sohn, Mitch Buchannon und seinem kleinen Hoby, sind der Rettungsturm der Staffel. Brandon Call in seiner Mischung aus scheidungsbedingt-früherwachsener Altklugheit, Frechheit und Sensibilität war großartig neben Hasselhoff, der tatsächlich meist statt in Badehose im grau-braunen Ganzkörperoverall auftrat. Die Uniform des Lieutenant.

Aber weder den örtlichen Polizeichef noch seine Ex-Frau überzeugte diese Beförderung. Rettungsschwimmer und Tenöre scheinen in dem Ruf zu stehen, nicht zu denen zu gehören, die die tiefen Teller erfunden haben. Wie „Baywatch“ mit diesem Motiv spielt – bis hin zum Spielfilmremake der Serie von 2017 –, das hat durchaus Charme.

Deutsche Produzenten retteten die Serie

Doch nach einem Jahr war „Baywatch“ tatsächlich abgesoffen nach nur 22 Folgen, trotz akzeptabler Quote. Die Produktionsfirma hatte acht Millionen Minus gemacht, sie stellte die Serie ein. Rettungsschwimmer und Produzent Greg Bonann saß wieder am Ozean und dachte nach. Wellen brechen sich am Strand, schon wahr, aber sie kommen wieder, stärker als vorher. Er setzte Hasselhoff von diesem Befund in Kenntnis und auch davon, dass er jetzt selbst Produzent werden müsse. Kurz darauf sprach der mit deutschen Fernsehmachern: „Haben Sie neue ,Knight-Rider‘-Folgen?“ – „Nein. Aber ,Baywatch‘“. – „Kommt da auch ein Auto vor?“ – „ Nein!“ – „Aber Sie?“

Das konnte der künftige Bademeister der Welt bejahen, die künftigen deutschen „Baywatch“-Produzenten verfügten, Hasselhoff habe in allen Folgen der neuen Staffel dabei zu sein. Ein kleiner Londoner Sender stieg unter der Bedingung ein, dass man „Baywatch“ um 17.45 Uhr zeigen könne statt wie vorher aus Jugendschutzgründen nach 21 Uhr. Eine alte Kettensägenfabrik wurde zum Studio, aus Hawaii der kalifornische Will Rogers State Beach, und verlängerte Zeitlupenaufnahmen füllten jetzt jedes Loch der Handlung.

#MeToo? Hasselhoff hat mal gesagt, es mache ihn traurig, zu sehen, wie junge Frauen alles versuchten, um ihre Körper ins Scheinwerferlicht halten zu dürfen. Please, please, me too! Anders als die meisten Männer dieser Welt bemühte er sich, sein Set-Bett frauenfrei zu halten. Alle wussten, dass ein paar Klagen wegen sexueller Belästigung genügen würden, um die Serie, die als Sex-sells-Plattform galt, aus der Kurve zu tragen: „Eine verärgerte Statistin oder jemand, der Opfer eines groben Witzes geworden ist, kann eine Sache, die als ,kleiner Spaß‘ gemeint war, in einen Prozess um einige Millionen Dollar verwandeln. Dann sind wir erledigt.“ In den Verträgen aller Mitarbeiter stand zudem eine Klausel gegen sexuelle Belästigung.

Sie zog sich Top und Rock aus und las aus dem Skript

Dann kam Pamela Anderson. Frauen wie Sandra Bullock oder Paula Abdul hatten bereits für die vakante Lifeguard-Stelle vorgesprochen, vergeblich. Eigentlich wollte die Crew kein „Playboy“-Playmate mehr, sie fürchtete Häme. Die Wir-können-sie-doch-mal-anschauen-Fraktion setzte sich durch. Hasselhoff: „Pamela trug ein Neckholder-Top und einen Rock. Als wir sie baten, eine Seite aus dem Drehbuch vorzulesen, stand sie auf, zog sich Top und Rock aus und stand im Badeanzug da.“ Das C-D-E-Cup-Rennen begann.

Mit immer neuen Oberweiten saß Pamela Anderson vor ihrem Wohnwagen, manchmal las sie C. G. Jung. Wahrscheinlich interessierten sie die Archetypen. Halb Rockerbraut, halb Erdmutter, beschrieb sie Hasselhoff. „Die meisten halten mich für ein Paar laufender Brüste“, fasste sie einmal ihre intellektuelle Ausstrahlung zusammen. Und spielte damit.

Mit Sorge sah die Crew, dass die Mädchen am Set unter der Last ihrer Silikon-Implantate kaum gerade stehen konnten. Erworbene Körperbehinderung. Warum machen die das? Frauen sind so, hätte man früher gesagt. Sind sie? Waren sie?

243 „Baywatch“-Folgen liefen von 1989 bis 2001. Frauen bildeten mit mehr als 60 Prozent allzeit das Hauptpublikum.

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