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Sahra Wagenknecht

© Reuters

Aktiv auf Twitter und Facebook: Was das Netz über unsere Politiker lehrt

Jetzt lachen wir über Markus Söder. Dabei ist sein Jugendfoto nur die Spitze des Eisbergs. Wer poltert gern auf Twitter? Wer ist lieb? Und welcher Minister schrieb den Tweet "Wiher eollen Sie dS eissen"?

Wenn Fotos dunkelhaariger Männer durchs Internet geistern, die ihren rechten Zeigefinger gen Himmel strecken, dann hat der Betrachter meist allen Grund zur Empörung, weil es sich erfahrungsgemäß um Krieger des „Islamischen Staats“ handelt, die sich für irgendeine perverse Gewalttat feiern lassen. Diese Woche wurde man auf Facebook und Twitter erneut mit dem Bild eines Dunkelhaarigen mit nach oben gestrecktem Zeigefinger konfrontiert, und wieder gab es Empörung. Allerdings handelte es sich diesmal um keinen Dschihadisten, sondern den jungen Markus Söder, der mit Anzug und Krawatte in seinem Kinderzimmer steht und auf das Poster seines Übervaters Franz Josef Strauß zeigt, das über seinem Bett hängt.

Es folgte, na klar, ein „Shitstorm“ (der Begriff existiert übrigens nur im deutschsprachigen Raum, Sascha Lobo hat ihn 2010 erfunden und bereut dies inzwischen zutiefst). Zum Wesen des Shitstorms gehört jedenfalls, dass er bald wieder abflaut und sich nach einer Woche kein Mensch mehr daran erinnert, und genau so wird es auch der Wut über den Strauß-Fanboy ergehen.

Viel spektakulärer ist ohnehin, was Markus Söder ansonsten so im Internet veröffentlicht, wenn er gerade keine Jugendfotos zur Hand hat. Ein Blick auf seine Facebook-Seite offenbart Grauenvolles: Der CSU-Mann dokumentiert dort ungeschönt die Härten und Zumutungen des Politikbetriebs. Ein Besuch im Kleingartenverein Kuhweiher, ein Schulfest in Gebersdorf, der Empfang des Kirchenkreises Ansbach in Wildbad Rothenburg ob der Tauber, das Landesponyfest in Riem... Auf allen Fotos macht Söder gute Miene zum bösen Spiel, grinst fast so euphorisch wie einst im Kinderzimmer. Aber im Ernst: Der Mann ist immerhin Bayerischer Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat. Wer mag ihn da gezwungen haben, ein Ponyfest zu besuchen?

Markus Söder ist nicht der einzige namhafte Politiker, der Aufschlussreiches über soziale Netzwerke verbreitet. Ich habe eine Woche lang die Accounts aller twitternden Bundestagsabgeordneten verfolgt. 276 nutzen den Dienst bereits. Die meisten Follower hat Sahra Wagenknecht (83 000), größter Plapperer ist SPD-Mann Johannes Kahrs mit durchschnittlich 16 – oft persönlich gehaltenen – Nachrichten pro Tag („Fröhlicher Gruß von Wangerooge“, „dir nen schickes Umzugswochenende“, „Moin Klaus“). Bezüglich der Inhalte gibt es erstaunliche Unterschiede: Als Poet und Feingeist zeigt sich der Unions-Abgeordnete Hartmut Koschyk, er fotografiert Schmetterlinge auf Lavendelblüten, ordnet Weingläser zu Stillleben an. Erika Steinbach ist gut im Poltern, ätzt gegen geplante „Homo-Ampeln“ („Man kann es wirklich auf die Spitze treiben!“). Auf Twitter bleibt aber auch Zeit für fraktionsübergreifende Zärtlichkeiten. So lobte Volker Beck den zurückgetretenen Wolfgang Bosbach gerade als „fairen und kompetenten Verhandlungsführer“. Ältere Abgeordnete neigen übrigens dazu, beim Setzen von Smileys ein Minuszeichen als Nase zu verwenden.

Noch unterhaltsamer wird es, wenn man sich anschaut, welche Tweets Politiker geschrieben und dann wieder gelöscht haben. Genau das dokumentiert die Seite www.politwoops.de, es ist ein Panoptikum der eigenwilligen Rechtschreibung, manchmal auch geheimnisvoll. Am Dienstag etwa twitterte Petra Ernstberger, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion: „Gx6xjff6x6g6fg6ffgxzgg“. Vier Stunden später löschte sie die Nachricht. Sehr anfällig für Tippfehler ist Peter Altmaier. In Richtung von Volker Beck schrieb er neulich zum Beispiel: „Wiher eollen Sie dS eissen?“ Die Antwort steht noch aus.

Alle vorherigen Folgen der Kolumne finden sich hier.

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