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Tagesspiegel-Kolumnistin Katja Demirci.

© Mike Wolff

Katja Reimann macht sich locker: Auf der Matte bleiben

Es häufen sich die Anzeichen, dass ein Großteil der Menschheit ein völlig falsches Bild vom Yoga hat.

Ein Freund von mir glaubt unerschütterlich, man sitze dabei nur still im Schneidersitz. Eine Facebook-Freundin postete kürzlich („erschöpft“): „Yoga ist nicht nur Atmen!“ Sondern anstrengend! Das hätte sie wohl nicht gedacht. Und mein lieber C. macht ohnehin laufend Witze über die Yoga-Menagerie: herabschauender Hund, Heuschrecke, Krähe, Fisch. Im Privaten kann ich Missverständnisse schnell ausräumen, häufig durch eine Demonstration an Ort und Stelle. Nun aber ist Yoga in der großen Politik angekommen. Und ich fürchte, mir sind die Hände gebunden.

Cem Özdemir, Chef der Grünen, forderte vor ein paar Wochen Waffenlieferungen für die Gegner der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Weil, die Kurden könnten sich gegen die IS-Kämpfer schließlich nicht mit Yogamatten wehren. Yogamatten, das erschloss sich mir nicht augenblicklich, sollten hier also bedeuten: das Gegenteil von Waffen. Jüngst, beim Parteitag der Grünen in Hamburg, griff Claudia Roth dies auf. „Wir brauchen dringend eine humanitäre Offensive“, sagte sie. So etwas dürfe man nicht „als Yogamatte, als Nichtstun, als Wegschauen diskreditieren“. Yogamatte gleich Nichtstun.

Fast zeitgleich hat Indiens Regierungschef Narendra Modi einen Minister für Yoga ernannt. Es handelt sich um den 62-jährigen Shripad Yesso Naik, ehemals Minister für Tourismus. Naik soll sich auch für die Stärkung der Heilkunst Ayurveda einsetzen und für Homöopathie. Der Traditionalist Modi ist bekanntermaßen nicht nur Vegetarier, sondern auch ein regelmäßig – manche sagen sogar: täglich – praktizierender Yogi. Wieder andere behaupten, dies sei das einzig Positive an ihm. Und das einzig Harmlose. Eines von Shripad Yesso Naiks liebsten Hobbys, neben Yoga, ist angeblich das Schießen. Doch lieber als Yoga mag er es wohl nicht.

Wo genau er mit seiner neuen Aufgabe angesiedelt sein soll, steht anscheinend noch nicht fest. Im gewaltigen indischen Verwaltungsapparat böten sich verschiedene, durchaus passend klingende Möglichkeiten. Das Gesundheits- oder Kulturministerium beispielsweise, jenes für Sport oder für Heimatangelegenheiten. Auszuschließen ist wohl das Ministerium für Verteidigung. Auszuschließen ebenfalls: dass es jemals in Deutschland Ähnliches geben könnte, eine Ministerin fürs Bodenturnen. Oder einen Minister fürs Boßeln. Dass nicht mal die Grünen noch wissen, wofür man eine Yogamatte braucht, lässt tief blicken – und keine guten Rückschlüsse zu auf die Beweglichkeit der Parlamentarier.

Narendra Modi hat derweil schon bei den Vereinten Nationen für einen Yoga-Tag geworben und internationale Unterstützung erhalten. Zum Beispiel von der EU, die mit Indien nebenbei gern auch die wirtschaftlichen Beziehungen vertiefen möchte. Und anders herum.

Als ich vergangene Woche eine Bekannte, die sich sehr gut mit der indischen Politik auskennt, nach ihrer Einschätzung der Entwicklungen dort fragte, legte sie ihre Stirn in Falten. „Der Westen wird sich wundern", sagte sie. „Alle reden nur von Islamisten, doch das, was sich in Indien zusammenbraut, ist gefährlich.“ Damit meinte sie keinesfalls den neuen Minister, sondern Yogi Modi selbst.

Den Krieger gibt es im Yoga übrigens in verschiedenen Varianten, der Einfachheit halber als Krieger eins, zwei und drei bezeichnet. Ausfallschritt, hinterer Fuß leicht schräg auf der Matte, Blick nach vorn, Arme nach oben, das wäre Nummer eins. Diese Übung ist, je nach Tagesform, eine wacklige Angelegenheit. Aus Erfahrung kann ich eines aber sicher sagen: Die richtige Matte ist für den standfesten Krieger das A und O.

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