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Die Liebe glich einer Hippiehose aus dem Urlaub - zu Hause ergab sie keinen Sinn mehr.

© Farica Yang on Unsplash

Kolumne: Angie Pohlers sucht die Liebe: Was Liebeskummer mit uns macht

Erst waren sie vor lauter Liebe high wie auf Methadon, dann folgte der kalte Entzug: Die Geschichte von Ruben und Sara.

In der Dokumentation „Sleepless in New York“ untersuchte die US-Anthropologin Helen Fisher vor einigen Jahren das Phänomen Liebeskummer. Sie beobachtete verschiedene Betroffene über einen längeren Zeitraum und steckte sie sogar in einen Kernspintomographen. Da zeigte sich, dass vor allem die Hirnareale aktiv waren, die auch bei Junkies verrückt spielen. Die meisten von uns werden nie drogenabhängig, aber wie soll man sich von der Liebe fernhalten?

Eine der tragischsten Geschichten, die ich kenne, ist die meines Freundes Ruben, rastloser Kreuzberger Partyboy. Noch immer etwas geschädigt durch das Ende einer Beziehung, datete er sich schon eine ganze Weile durch Berlin. Wenn er jemanden kennenlernte, wurde es ihm schnell zu nah, kleinste Sachen störten ihn an Frauen. „Ich wollte meine Ex nicht zurück, aber das Gefühl, das ich mit ihr hatte.“ Ruben wurde immer unzufriedener.

Füßeln in Irland

In dieser Stimmung fuhr er für eine Woche nach Irland, wo Freunde seiner Eltern ein Landgut besitzen und Urlaub machten. Er freute sich auf die Ruhe. Endlich keine Dates mehr, keine Gedanken an die Verflossene. Aber: Sara, Mitte 20, Venezolanerin. Sie war das Au-pair-Mädchen der Familie. Am ersten Tag alberten die beiden herum, am zweiten Tag küssten sie sich – heimlich, denn sie hatte einen Freund, keiner durfte etwas mitbekommen. „Dann eskalierte die Sache irgendwie.“ Füßeln unter dem Tisch, ein unauffälliges Codewort, um sich zu sagen: „Ich will dich küssen.“

Abends schlich er in ihr Zimmer, das – wie könnte es anders sein? – im Turm gelegen war. Manchmal hatte Sara Gewissensbisse, dann sah sie wieder alles rosarot. Sie erzählten sich ihre Leben und träumten von einem „Wir“, das plötzlich möglich schien. „Wie verknallte Teenies, echt schräg.“ In der Helen-Fisher-Logik war das ein ordentliches High.

Ob sie sich unter normalen Umständen auch verliebt hätten? Sie trafen eine Vereinbarung, Sara sollte später im Sommer für einen Monat Realitätscheck nach Berlin kommen. Doch zwischenzeitlich zeigte sich: Diese Liebe glich einer Hippiehose aus dem Südostasienurlaub – zu Hause ergab sie keinen Sinn mehr.

Entgiften in Berlin

Nur langsam sickerte die Erkenntnis in ihre verwirrten Köpfe, sie sträubten sich dagegen, telefonierten und schrieben sich pausenlos. Auf einer Party verbarrikadierte sich Ruben eine Stunde, um mit Sara zu sprechen. Die Hoffnung schwand, die Zweifel wuchsen. Er verlor die Lust an allem. Glücklich war er nur, wenn sich das Irland-Gefühl wieder kurzzeitig einstellte.

Der kleine, flache Stein, den sie ihm zum Abschied gegeben hatte, lag unter seinem Kopfkissen. „Wenigstens etwas zum Festhalten.“ Das erinnert an die Junkie-Analogie aus dem Film. So gesehen war Ruben auf Methadon. Und das Entgiften war kein Klacks.

Nach drei Wochen gestanden er und Sara sich ein, dass sie ihre bisherigen Leben nicht füreinander aufgeben würden. Ruben, sonst kein gefühlsduseliger Typ, heulte wie lange nicht mehr und tat etwas Merkwürdiges. Er nahm den Stein, ging zum Landwehrkanal und warf ihn ins Wasser. „Der Stein war dann wie Sara: Ich weiß, dass es sie gibt, auch, wo sie ist, aber ich komme nicht an sie heran.“ Kalter Entzug.

Fünf Monate später sitzen wir in Rubens Küche, beim Erzählen scheint die Traurigkeit wieder in ihm hochzukriechen. „Könnte dir das noch mal passieren, eine Geschichte, die zum Scheitern verurteilt ist?“, frage ich. Er sieht matt aus. „Wahrscheinlich bin ich dafür anfällig.“ Einmal Junkie, immer Junkie.

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