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Wieder nicht geklappt. Online-Dating kann auch frustrierend sein.

© imago/westend61

Kolumne: Angie Pohlers sucht die Liebe: Liebe tut weh in Dating-App-Zeiten

Wenn Single-Sein ein Job wäre, dann wären Tinder, OkCupid und Bumble Feldarbeit. Schließlich gibt es immer etwas neues Verheißungsvolles da draußen.

Vor einiger Zeit sah ich in der Berliner Schaubühne das Stück „Love Hurts in Tinder Times“. Drei tindernde Freunde waren mitgekommen, wobei – eigentlich sind sie längst zu den Konkurrenten OkCupid oder Bumble übergelaufen. Tinder ist ja so 2013, und es gibt immer etwas neues Verheißungsvolles da draußen. Das haben sie verinnerlicht, kriegen sie auch nicht mehr raus.

Vorne schmierten sich die nackten Schauspieler mit Farbe ein, schlitterten auf dem Bauch über die Bühne, bestellten Essen beim Lieferdienst. Sie philosophierten über Freiheit und den Verlust derselben, Liebe und die Definition derselben, Treue und den Sinn derselben. Nico, Ruben und Anna betrachteten ihr Spiegelbild: eine Art Therapiegruppe, hin- und hergerissen zwischen Selbsterniedrigung und Tschakka-Euphorie, Trotz und Hoffnung. Wenn Single-Sein ein Job wäre, dann wären Dating-Apps Feldarbeit.

Der Erste, der nicht nach Fotos fragt

Nicos Verhältnis zu OkCupid ähnelt seinem Trinkverhalten. Wenn es besonders unübersichtlich und deprimierend wird, verkündet er: „Ist doch scheiße, ich höre auf!“ Er hält das nie lange durch. Nun hat er eine Obsession für eine Frau entwickelt, die sich auf OkCupid „Moi“ nennt und statt der üblichen Fotos mit Hündchen und Kussmund Bilder von Faultieren hochgeladen hat, denen sie mit einem Bearbeitungsprogramm Bikinis aufgemalt hat. Kein Witz.

Zuerst fand Nico das Profil einfach lustig, jetzt wird es langsam ernst. „Ich habe sie gefragt, ob wir in den Zoo gehen, Faultiere angucken ... das klappt bestimmt wieder nicht.“ „Ach was“, sagt Anna und wischt, ohne hinzusehen, Bumble-Profile auf ihrem Handy weg. „Bleib optimistisch und frag sie nach echten Fotos, das ist völlig legitim.“ Nico zögert. „Ich würde mir oberflächlich vorkommen, aber so zu tun, als ob’s egal wäre, ist auch verlogen.“

Zwei Tage später ist es zu spät. „Moi“ hält ihn nun richtigerweise für einen netten Typen und fälschlicherweise für jemanden, dem Äußerlichkeiten egal sind. „Sie hat gesagt, dass ich der Erste bin, der nicht nach Fotos fragt.“ Irgendwie hofft Nico, dass hinter den Faultierbildern ein modernes Aschenbrödel steckt. Ich glaube, er könnte sich genauso gut mit Farbe einschmieren und nackt über den Boden robben.

Wie war nochmal sein Name?

Ruben ist auf OkCupid an einige Frauen geraten, die sich schnell in ihn verliebt und damit zielsicher seinen Fluchtreflex ausgelöst haben. „Dabei hätte ich gern eine Beziehung“, quengelt er. Klingt paradox? Niemand hat behauptet, dass hier irgendetwas Sinn ergibt.

Und Heavy-Userin Anna hätte sich letztens über die App Bumble fast mit einem Typen verabredet, der sie bereits vor einiger Zeit auf OkCupid kontaktiert hatte. „Völlig gestört“ lautete damals ihr Urteil, was hier mit Rücksicht auf den Jugendschutz als Begründung ausreichen muss. Nun war sie gerade dabei, ihm eine Nachricht zu schreiben, als die Erinnerung an ihn aus dem Nebel ihres Liebeslebens heranraste wie ein Geisterfahrer auf der Stadtautobahn – sie konnte sich gerade noch rechtzeitig stoppen.

Ein anderes Mal fiel Anna bei einem Date der Name ihres Gegenübers partout nicht mehr ein. Sie musste mit ihrem Handy auf die Toilette gehen, um heimlich nachzuschauen. Es war ihr drittes Treffen in einer Woche, parallel schrieb sie unmotivierte Nachrichten mit fünf weiteren Männern. „Ich suche jemanden, der so ist wie ich, nur in männlich.“ Also einen Zyniker, dem alles egal geworden ist, denke ich. Jetzt hat sie so jemanden kennengelernt. Und er ist ihr natürlich nicht egal.

Als das Stück vorbei war, wankten die drei wie Kriegsversehrte aus dem Saal. Liebe tut weh in Dating-App-Zeiten. Besser, als gar nichts zu fühlen.

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