zum Hauptinhalt
Auch für Kinder gehören Smartphones längst zum Alltag.

© Getty Images/iStockphoto

Kinderschutz: Smartphone erst ab 14? Ja, unbedingt!

Kinder müssen vor Smartphones geschützt werden. Wir brauchen keine Frühdigitalisierung, sondern endlich eine digitale Aufklärung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Hönicke

Schon der Name stammt aus der Trickkiste der Verführung: Als ob das Smartphone seinen Nutzer besonders schlau machen würde. Kann, muss aber nicht. Zwölf Jahre nach Einführung des ersten iPhones setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass die Erfindung des mobilen Internets nicht nur Segen mit sich bringt.

Julia von Weiler, Internetexpertin im Fachbeirat des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, fordert nun eine Altersbeschränkung für Smartphones. Sie sollten erst ab 14 Jahren freigegeben werden. „So, wie wir Kinder vor Alkohol oder anderen Drogen schützen, sollten wir sie auch vor den Risiken einer zu frühen Smartphone-Nutzung schützen“, sagte sie.

In den 80ern wurden kindische Monstersongs wie das „Schlaflied“ von den „Ärzten“ durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert und erst ab 18 freigegeben. Kinder von heute können darüber nur lachen. Sie haben jederzeit die komplette globale Medienwelt zur Verfügung, mit all ihren Abgründen. Gewalt, Pornografie, Hass, Rassismus, schon 9- bis 11-Jährige würden ständig damit konfrontiert, sagt Weiler.

Frühdigitalisierung ist Angriff auf die Schutzzone der Kindheit

Hinzu kommen die Kommunikationskanäle und Sozialen Medien, mit deren Handhabe selbst Erwachsene mitunter überfordert sind. So wachsen Kinder mit dem Druck auf, sich ständig inszenieren, präsentieren und bewerten lassen zu müssen. Wo Smartphones allgegenwärtig sind, ist ein Entrinnen vor dieser systematischen Menschenvermarktung kaum noch möglich.

Erst vor kurzem nahm sich eine Elfjährige in Berlin das Leben, das Thema (Cyber-)Mobbing spielte dabei eine große Rolle. Ein bedauerlicher Kollateralschaden, der im Zuge der unvermeidlichen Frühdigitalisierung hinzunehmen ist? Nein. „Digital first, Bedenken second“, wie FDP-Chef Lindner es propagiert, ist eine bemerkenswert naive und gefährliche Einstellung.

Oft heißt es, die Kinder von den digitalen Endgeräten fernzuhalten, sei weltfremd. Man müsse sie eben schon frühzeitig medial bilden. Doch die beschworene frühdigitale Bildung in Kitas ist in Wirklichkeit ein Angriff auf die Schutzzone der Kindheit.

Im besten Fall sieht das dann so aus: Erzieher fotografieren und filmen unentwegt die Kinder für die Online-Blogs, die sich die Eltern abends anschauen. Dazu gibt es mehr oder weniger gehaltvolle Lern-Apps und Filmchen auf Tablets. Der Sinn muss angezweifelt werden. Längst ist bewiesen ist, dass die Kleinsten in der realen Welt und durch das immer mehr verdrängte Freispiel am meisten lernen.

Den Umgang mit der plötzlich über uns hereingebrochenen Informationsflut konnten wir Älteren nicht systematisch erlernen. [...] Unsere Kinder haben die Chance, dies frühzeitig und systematisch zu tun. [...] Und wenn das nicht spätestens zum Ende des ersten Lebensjahrzehnts beginnt, vergeben wir diese Chance!

schreibt NutzerIn heiko61

Kritische Distanz zum Thema herstellen

Eine wirkliche Medienbildung würde beinhalten, im Sinne der Aufklärung die kritische Distanz zum Thema und zu den Geräten herzustellen. Bei der Kategorie „Smartphone“ gehört die Einsicht dazu, dass es sich im Wesentlichen um Konsumgeräte handelt. Eine wirkliche schöpferische, produktive Leistung wie mit Computern kann man mit ihnen nicht erbringen, dafür sind sie in der Handhabung zu limitiert.

Sicher, Smartphones haben auch Vorteile. Wer will, kann sich sofort Wissen über die Welt aneignen. Doch die Nachteile dürfen nicht ausgeklammert werden. Gerade für Kinder und Jugendliche überwiegen sie, weil die Geräte weit häufiger als Daddelautomat denn als portable Enzyklopädie eingesetzt werden. Und dafür wurden sie auch designt. Die Bedienung der Touchscreen-Geräte ist so kinderleicht, dass man sie weder in der Kita noch in der Schule extra erlernen muss - dazu reichen wenige Minuten.

Mitunter haben deswegen schon Dreijährige in Berlin ein eigenes Smartphone, das sie wie die Eltern in jeder freien Minute aus der Tasche ziehen – gesehen vergangene Woche am U-Bahnhof Wedding. Wenn schon die Erwachsenen diesem Sog nicht entkommen können, wie sollen es dann Kinder, die so aufwachsen?

In Frankreich gibt es ein Smartphoneverbot in Schulen

Das geht nur über Restriktionen, die das Kindeswohl im Blick haben. Frankreich hat das flächendeckende Smartphoneverbot in Schulen eingeführt, das ist ein richtiger erster Schritt. Doch wirklich Schutz für die Jüngsten kann es nur geben, wenn es ein generelles Mindestalter gibt, das auch wirklich überprüft wird. Damit Kinder eine selbstständige, kritisch denkende Persönlichkeit entwickeln können, statt sich von Beginn an der omnipräsenten und doch undurchsichtigen Logik der Algorithmen zu unterwerfen.

Wer das nun technikfeindlich nennt, dem sei in Erinnerung gerufen, dass gerade Tech-Größen wie einst Steve Jobs ihre eigenen Kinder von digitalen Endgeräten fernhalten. Sie wissen: Um das Phone zu benutzen, muss man erstmal smart sein.

Wir brauchen endlich eine digitale Aufklärung – nicht der Kinder, sondern der Erwachsenen. Erst einmal müssen wir uns selbst darüber im Klaren werden, was Smartphones mit uns machen, bevor wir sie auf unsere Kinder loslassen.

Zur Startseite