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Mensch und Modell. Faszien sind wie eine feste, bindegewebsartige Tüte, in die der Muskel eingepackt ist.

© Fredrik von Erichsen/dpa

Katja Demirci macht sich locker: Faszien als Faszinosum

In dieser Kolumne geht es um das, was unsere Körper zusammenhält. Und das kann ganz schöne unflexibel sein.

Manchmal, wenn ich so müde war, dass ich befürchtete, in der abendlichen Meditationsstunde einzuschlafen, ging ich lieber ein Stündchen vorher ins Yogastudio. Dann nämlich findet dort regelmäßig Deep Relax Yoga statt, was so angenehm klingt, wie es ist. Angelehnt ist das Ganze ans Yin Yoga. Warum das so heißt, müsste ich nun googeln, ich weiß es nicht. Aber es ist im Grunde auch egal, weil es sowohl beim Yin als auch beim Deep Relax Yoga einfach um alles geht, was tief unter der Oberfläche liegt. Um das Bindegewebe, um Faszien, um das, was unsere Körper zusammenhält.

Faszien sind seit einer Weile schon das große Ding. Alle trainieren ihre Faszien, ich also auch. Das macht man, indem man eben nicht möglichst dynamisch durch den Sonnengruß taucht, sondern lange in unterschiedlichen Positionen bleibt – und die Dehnung verstärkt. Das ist für den Augenblick meist angenehm, kann meiner Erfahrung nach aber zu krachendem Muskelkater führen.

Eine alles umfassende Damenstrumpfhose

Faszie ist ein Sammelbegriff für alles, was im englischsprachigen Raum „connective tissue“ genannt wird – verbindendes Gewebe – und deutlich heimeliger klingt als Faszie. Gemeint sind damit so oder so Muskeln, Sehnen, Bänder, Gelenkkapseln und sonstiges Bindegewebe. Oder, wie ein Faszienforscher dem „Yoga Magazin“ sagte: „Unsere Körperfaszie ist wie eine alles umfassende Damenstrumpfhose.“ Das ist schon aus einem anderen Grund ein guter Vergleich: Wer weiß, was für eine Pest Laufmaschen sind, ist vorsichtig. Wie auch beim normalen Yoga ist hier Achtsamkeit gefragt. Ich selbst muss mich daran immer wieder erinnern. Zum Beispiel wenn Paschimottanasana geübt wird, die sitzende Vorbeuge.

Tagesspiegel-Kolumnistin Katja Demirci.
Tagesspiegel-Kolumnistin Katja Demirci.

© Mike Wolff

Früher dachte ich, wenn ich nur lange genug Yoga mache, werde auch ich eines Tages mit geschmeidiger Leichtigkeit meine Stirn auf die Knie der ausgestreckten Beine legen können. Mittlerweile weiß ich, so einfach ist das nicht. Da, wo ich sanft knicken und nach vorne beugen sollte, bleibe ich im 45-Grad-Winkel in der Luft hängen. Mir eigen ist eine große Unflexibilität im, ja wo eigentlich, Rücken? In der Hüfte? In den Oberschenkeln? Vielleicht sind es diese Faszien, die verhindern, dass ich mich zusammenfalten kann wie ein Klappmesser. Vielleicht habe ich sie vernachlässigt.

Ich fragte den Mediziner meines Vertrauens. Was sind Faszien und – kann ich etwas für sie tun?

Nur: was ist mit Laufmaschen?

Aus der für Laien noch immer einigermaßen komplizierten Antwort konnte ich für mich Folgendes destillieren: Faszien sind wie eine feste, bindegewebsartige Tüte, in die der Muskel eingepackt ist. Wer gern mit Fleisch kocht, dem sind Faszien vielleicht schon einmal als hartnäckiges Häutchen am Rand eines Steaks aufgefallen. Außerdem sind sie aufgrund ihrer hohen Faserdichte ein wirklich strammes Gewebe – was angesichts ihrer Funktion als Muskel-Zusammenhalter beruhigend ist. Wer seinen Faszien viel Sport zumutet, der sorgt dafür, dass sie sich an bestimmte Bewegungen anpassen, trainiert sie also. Demnach ist Faszientraining genauso sinnvoll wie jede andere Form von Bewegung auch? Genau, sagte der Doc. Und elastisch müssen die Dinger ohnehin sein. Womit wir wieder bei der Strumpfhose wären. Aber Laufmaschen?, fragte ich ängstlich. Nur mithilfe eines Chirurgen herstellbar.

Derart bekräftigt, forcierte ich Paschimottanasana beim nächsten Mal doch ein bisschen. Entgegen der Regel, dass allein die Schwerkraft bei der Dehnung helfen soll, drückte und ruckelte ich meinen Oberkörper etwas mehr in Richtung Beine. Jedenfalls glaube ich, dass es mehr war. Andächtig versank ich in Stille, total gedehnt und mit stummem Gruß an all meine ächzenden Faszien.

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