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Zwei bessere Hälften. Jobsharing ermöglicht durchdachte Entscheidungen.

© People Images/Getty Images

Jobsharing als Chance für Vielfalt: Zwei Chefinnen, eine Stelle

Geteilte Führungspositionen bieten viele Vorteile, sagt eine neue Studie. Warum auch Unternehmen davon profitieren, erklärt Svenja Christen.

Frau Christen, Sie haben zusammen mit der Daimler AG und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung die erste Studie zum Thema Jobsharing erstellt und 149 Menschen aus zehn Großunternehmen befragt, die in Tandems arbeiten. Warum entscheiden sich Menschen dafür, eine Stelle zu teilen?

Viele wollen auf diese Weise Beruf und Familie besser vereinbaren. Oft sind es Führungskräfte zwischen 30 und 40 Jahren, die Zeit für ihre Kinder haben möchten, aber deswegen nicht beruflich zurückstecken wollen, also weiter in einer Position mit hoher Verantwortung tätig sein möchten.

Das geht am besten im Jobsharing, denn eine Führungsposition in Teilzeit allein zu bewältigen führt oft dazu, dass man bei weniger Geld dennoch Vollzeit arbeitet. In unserer Studie haben wir diesen Jobsharing-Typus als „symbiotische Karrieretandems“ bezeichnet – zwei Menschen arbeiten eng zusammen, da muss es mit der Sympathie stimmen. Wie in einer Ehe, wird oft gesagt.

Also kracht es auch öfter mal?

Natürlich muss man diese Form der Zusammenarbeit erst üben, das muss sich einspielen. Aber die Befragten bewerten ihre Arbeitssituation grundsätzlich sehr positiv, über 95 Prozent von ihnen beschreiben die Atmosphäre und Akzeptanz in den Tandems als gut. Der Vorteil für die Betreffenden besteht ja nicht nur darin, die Arbeitszeit zu reduzieren.

Oft geht es darum, jemanden zu haben, mit dem man kollaborativ arbeiten und Entscheidungen besprechen kann, statt sie einsam zu treffen. Man hat gewissermaßen eine Art Gratis-Coach an der Seite. Das beschreiben die Tandems als sehr wertvoll, denn eine solche Nähe hat man in der Regel nicht zu Teamkollegen. Je höher, desto einsamer – das gilt nicht für Jobsharer.

Gibt es auch andere Motive, sich eine Führungsposition oder anspruchsvolle Expertenposition zu teilen?

Wir haben vier verschiedene Typen mit unterschiedlichen Motiven gefunden. Neben den bereits erwähnten symbiotischen Karrieretandems gibt es die Sparringspartner im höheren Management, das sind Menschen zwischen 40 und 60, die mehr Zeit haben möchten, weil sie etwa nebenbei selbstständig tätig sein wollen.

Und es gibt strategische Bündnisse im höheren Management: Wenn zum Beispiel zwei Abteilungen zusammengeführt werden sollen, dann ist es sinnvoll, dass Führungskräfte aus beiden Abteilungen zusammen arbeiten.

Gibt es auch Jobsharing wider Willen?

Ja, wir haben sie „fremdbestimmte Tandems“ genannt. Das sind Notlösungen – beispielsweise wenn jemand aus der Elternzeit zurückkehrt und man ihm oder ihr nichts anderes bieten kann. In diesen Fällen treten die klassischen negativen Teilzeitthemen viel stärker auf, die Beteiligten sind oft unzufrieden und arbeiten auch nicht als Paar zusammen, letztlich werden sie behandelt wie zwei Teilzeitkräfte. Die großen Vorteile des Jobsharing kommen dann nicht zum Zug.

Was sind diese Vorteile – aus Sicht der Unternehmen?

Jobsharing ist kein Goodie an Mitarbeiter, das man gönnerhaft, nur wegen Familienfreundlichkeit oder einer Frauenquote vergibt. Kluge Unternehmen sollten schauen: Welche Stellen sind gut im Jobsharing zu besetzen, wo können Abteilungen und Teams davon profitieren? Komplementäre Fachkenntnisse können zu einem Innovationsschub führen. Wenn zwei hochqualifizierte Kräfte zusammenarbeiten, treffen sie bessere Entscheidungen. Jobsharing ermöglicht es, komplexe Stellen besser abzudecken, Hierarchien aufzubrechen und auch Nachfolgen besser zu planen.

Da klingt gut. Aber bestimmt gibt es auch Probleme?

Das größte Problem, das haben alle glasklar moniert, ist die IT. Die ist einfach nicht auf Jobsharing eingestellt, das zeigt sich schon in den klassischen Organigrammen: Wie bist du in den Systemen angelegt, wer ist wie sichtbar, wer darf die Urlaubsanträge absegnen? In SAP-Systemen fehlt noch eine doppelte Berechtigung, da ist nur eine Führungskraft angegeben, die zum Beispiel die Urlaubsanträge absegnen darf. Da sind die Tandems noch als Pioniere unterwegs. Das muss künftig mit einprogrammiert werden. Ich bin optimistisch, dass das passieren wird.

Machen die Teams das mit, dass sie plötzlich zwei Chefs oder Chefinnen haben? 

Die Tandems haben darüber offen gesprochen: Es gibt in manchen Teams Versuche, die beiden Führungskräfte gegeneinander auszuspielen. Da ist es wichtig, wie man sich aufstellt, dass man gegenseitige Loyalität zeigt und sich gut abstimmt. Dann ist dieses Thema auch wieder ruckzuck vom Tisch.

Svenja Christen, Geschäftsführerin von The Jobsharing Hub.
Svenja Christen, Geschäftsführerin von The Jobsharing Hub.

© privat

Wichtig ist auch, dass Entscheidungen nicht aufgeschoben werden; wenn eine Entscheidung getroffen werden muss und eine vorherige Absprache mit dem Partner nicht möglich ist, dann muss der Partner das hinnehmen, auch wenn er oder sie damit nicht einverstanden ist. Derartige Meinungsverschiedenheit kann man dann im Hintergrund aufarbeiten, aber nicht vor dem Team zeigen.

Werden die Stellen üblicherweise 50/50 aufgeteilt?

Die meisten Unternehmen arbeiten mit einem Überhang: Jeder hat 60 oder 70 Prozent. Es gibt wenige Menschen, die eine reine 50-Prozent-Stelle wollen, und es ist ja gerade der Vorteil, dass sich die Arbeitszeiten teilweise überlappen: In dieser Überlappung passiert ganz viel! In Unternehmen werden höhere Positionen immer komplexer, niedrige werden durch Künstliche Intelligenz wegrationalisiert. Man braucht immer mehr Kenntnisse, deswegen sind Tandems eine so gute Lösung.

Welche Menschen sind ungeeignet für Jobsharing?

Wer ungern Aufgaben abgibt, schwer delegieren kann oder ein dominantes Alphatier ist, dem wird Jobsharing schwerfallen. Ich darf nicht mit der Wimper zucken, wenn mein Tandempartner neben mir im Meeting etwas sagt, das mir nicht gefällt. Wer im Tandem arbeiten will, muss auch aushalten, dass er zum Beispiel eine Präsentation ausarbeitet, die dann die Partnerin hält.

Wie gelingt es, dass sich geeignete Paare finden?

Überraschend und für uns interessant war: Eine Matching-Software à la Tinder ist wenig hilfreich. Die Interviewten in unserer Studie haben sich in keinem der Fälle über eine Matching-Software gefunden, obwohl sie in 86 Prozent der Fälle angeboten wurde. Viel wichtiger sind Live-Formate. Viele Tandempartner kannten sich schon persönlich, bevor sie sich für das Jobsharing entschieden haben. Eine gute Personalabteilung sollte also Events und eine Jobsharing-freundliche Kultur schaffen, damit sich Menschen vernetzen können.

Svenja Christen (33) ist Geschäftsführerin von The Jobsharing Hub, Leiterin der Studie in Kooperation mit der Daimler AG und dem Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin.

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