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Unernster Schlagabtausch. Peer Steinbrück (links) geht wieder mit dem Kabarettisten Florian Schroeder auf Tournee.

© Mike Wolff

Interview mit Peer Steinbrück und Florian Schroeder: „Wollen Sie einen glatt gelutschten Politikertyp?“

Sie nennen sich selbst ein satirisches Liebespaar: Peer Steinbrück und Kabarettist Florian Schroeder über die Patientin SPD, Smoothie, Bio und Hoodie.

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Herr Steinbrück, in der Ukraine herrscht mit Wladimir Selenski nun ein Komiker. Wann überzeugen Sie endlich Herrn Schroeder davon, Politiker zu werden und die SPD zu retten?

STEINBRÜCK: Genau das ist der Sinn der ganzen Veranstaltung. Es ist Zeit, dass Florian Schroeder, schon der Nachname ist vielversprechend, endlich Spitzenkandidat wird und bei der Bundestagswahl reüssiert.

SCHROEDER: Absolut. Mit meinem Nachnamen kann man nur gewinnen. Mit einem Schröder als Kanzler ist Deutschland immer gut gefahren. Das möchte ich gerne mit meiner eigenen Bewegung nach dem Vorbild von Emmanuel Macron fortsetzen. Dann geht es los.

Herr Steinbrück wird dann Ihr Berater - oder ist er das heute schon?

SCHROEDER: Steinbrück ist „the head of it all“. Er ist anonymer Spender aus der Schweiz und Schatzmeister in einer Person. Später werde ich ihn mit einem Ministeramt belohnen.

Von Selenski wird ja gesagt, er sei der verlängerte Arm ukrainischer Oligarchen. Ist Florian Schroeder die Sprechpuppe von Peer Steinbrück?

STEINBRÜCK: Ja. Jedoch mit dem Unterschied, dass ich es nicht zum Oligarchen geschafft habe, wie ihn Herr Selenski im Kreuz hat. Aber wir haben ein Ausfallszenario, und das geht so: Wenn Schroeder mit seiner Spitzenkandidatur versagen sollte, trete ich 2025 noch einmal an. Das ist eine Drohung an das gesamte deutsche Publikum.

SCHROEDER: Bis dahin bin ich Oligarch. Und dann ist er in meiner Hand.

Herr Steinbrück, Sie treten, falls Florian Schroeder versagt, mit der Liste „Steinbrück en Marche“ an - oder doch mit der bis dahin fast aufgelösten SPD?

STEINBRÜCK: Ich trete dann an mit der Liste „Demokratische sozialistische Bewegung“.

Und Kevin Kühnert machen Sie zum Vizekanzler?

SCHROEDER (zu Steinbrück): Jetzt gehen Sie mir mit Kühnert fremd, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Das ist nicht verzeihbar.

STEINBRÜCK: Ich werde dann für die Verstaatlichung aller Dieselfahrzeuge plädieren, damit der Begriff endlich einmal positiv besetzt wird. Auch Ihr Verlag wird verstaatlicht.

Dann ist unsere Rente sicher.

STEINBRÜCK: Das weiß man bei der weiteren Entwicklung der Staatsfinanzen nicht so genau.

124 Milliarden Steuereinnahmen weniger als erwartet bis 2023 - macht Ihnen das Sorgen?

STEINBRÜCK: 124 Milliarden sind ein geringerer Anstieg als bisher geschätzt, also immer noch ein Anstieg. Aber angesichts der vielen Herausforderungen von den Schulen über einen sozialen Wohnungsbau bis hin zur digitalen Infrastruktur wird man sich mehr Gedanken machen müssen, wo investiert und wo weniger konsumiert wird.

Das ist fast der Sound von Gerhard Schröder bei der Verkündigung der Agenda 2010 im Bundestag, März 2003: „Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von den Einzelnen fordern müssen.“

STEINBRÜCK: Der hat aber 2005 eine Wahl hingelegt, bei der die SPD 33,5 Prozent kriegte, das Dreifache von dem, wo sie heute in Umfragen steht. Daran kann man das Trauma der SPD ablesen.

Trotzdem sagen 90 Prozent aller Sozialdemokraten: Die Agenda 2010 hat uns das Genick gebrochen und das Selbstbewusstsein geraubt.

STEINBRÜCK: Die Frage ist, ob auch die Mehrheit der Mitglieder der SPD so denkt - das sind knapp 460 000. Oder ob es die Funktions- und Mandatsträgerschicht ist, die so denkt.

15 Prozent bei der Europawahl, die SPD hat sich halbiert. Bekommen Sie Rückmeldungen von der Basis?

STEINBRÜCK: Ich kriege Zuschriften zu meinem Buch „Das Elend der Sozialdemokratie“, das offenbar von den Mitgliedern ernsthafter gelesen worden ist als von der Führung der SPD. Die hat das als Nestbeschmutzung abgetan. Nur ist davon bis heute leider vieles richtig und aktueller denn je.

SCHROEDER: Wenn ich Olaf Scholz sehe, denke ich immer, das ist der passive Sterbehelfer der SPD - Tod durch Unterlassen, indem notwendige Medikamente nicht mehr verabreicht werden. Aber jetzt kommt ja das Trio Dreyer, Schwesig, TSG. Wenn schon Troika, dann bitte richtig: Das Erfolgstrio Schröder, Scharping und Lafontaine muss reanimiert werden. Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer, kommt standesgemäß auf'm Hollandrad und luchst den Grünen ein paar Stimmen ab, Lafontaine wird von der Linken zurückgeholt, damit sich von da auch ein paar Wähler zur SPD zurück verirren können. Wobei er der SPD Geld zahlen muss, damit er zurück darf. Eine ganz neue Form des Transfers.

Bitte ergänzen Sie den Satz: Wer in der SPD Überlegungen zur Kollektivierung von Großbetrieben anstellt ...

STEINBRÜCK: ... der bringt sich mit vergifteten Begriffen und einem Ökonomieverständnis aus Lehrbüchern in Sütterlinschrift um die eigentliche Botschaft. Inwieweit sind alle Lebens- und Arbeitsbereiche einem zunehmenden Renditedenken unterworfen? Wie lässt sich der entgrenzte digitale und Finanzkapitalismus des 21. Jahrhunderts zähmen und die Gesellschaft zusammenhalten? Kevin Kühnert hat offenbar einen gewissen Nerv getroffen, aber man hat den Eindruck, er wollte einfach mal einen Stein ins Wasser werfen, damit es spritzt. Einem 29-Jährigen darf man das allerdings ohne diese Empörungswellen konzedieren.

„Meine größte Angst ist, dass wir österreichische Verhältnisse kriegen“

Ein heimlich auf Ibiza gefilmtes Video um den Ex-Vizekanzler Strache löste in Österreich eine politische Krise aus.
Ein heimlich auf Ibiza gefilmtes Video um den Ex-Vizekanzler Strache löste in Österreich eine politische Krise aus.

© imago/Manfred Segerer

Wenn Sie heute 16 wären - würden Sie den Jusos beitreten?

STEINBRÜCK: Ich glaube nicht. Weil in weiten Teilen der Jusos nach wie vor ein Gesellschafts- und Wirtschaftsbild vertreten wird, das sich nicht auf der Höhe der Zeit befindet.

Herr Schroeder, würden Sie nicht lieber mit Kühnert auf Tour gehen statt mit Steinbrück?

STEINBRÜCK: Das Gespräch ist beendet.

SCHROEDER: Man fragt niemals ein satirisches Liebespaar wie uns, ob es andere Partner gibt. Wir haben uns erst vor wenigen Jahren kennengelernt, es ist alles sehr frisch bei uns. Da finde ich es unverschämt zu glauben, ich würde auch nur in Gedanken an einen Jüngeren schwach werden. Was uns ausmacht, ist gerade der Altersunterschied. Das macht mich an als Jüngling, es ist alles wie bei Platon im „Symposion“.

Herr Schroeder, hat die Wirklichkeit längst überholt, was Sie und Ihre Kabarettistenkollegen sich ausdenken? Funktionieren Witze über Donald Trump? Der haut ein Ding nach dem anderen raus, da kommen Sie doch gar nicht hinterher.

SCHROEDER: Wer glaubt, Satire bestünde darin, die Zahl von Donald Trumps Tweets zu übertreffen, ist auf dem Holzweg. Mir geht es um Strukturen. Was ist das für eine Form von Autokratismus, die da gerade aufkommt oder wiederkehrt? Trump, Orban, Erdogan, Putin - wir haben ja inzwischen eine ganze Reihe solcher Figuren, die einen defensiven Nationalismus pflegen: Freund, Feind, das Eigene gegen das Fremde. Darüber zu reden und das in Form von Pointen zu gießen, ist die viel schwierigere und wichtigere Aufgabe.

Warum ist sie so wichtig?

SCHROEDER: Weil Satire einen aufklärerischen Anspruch hat, wenn sie gut ist. Ohne diesen Anspruch so nach vorne zu stellen, dass es zum Volkshochschulvortrag kommt. Wer nur einen Witz macht, ist Comedian. Das verachte ich keineswegs, aber das ist ein anderes Genre.

STEINBRÜCK: Wir machen keinen Klamauk, wir machen keine Comedy, wir machen keine Witzesendung, sondern bemühen uns um einen unernsten Schlagabtausch, in dem wir uns die Bälle zuwerfen und versuchen, in ironischen Wendungen und Spitzen auch politische Inhalte zu vermitteln.

SCHROEDER: Nichts anderes macht gute Satire: dass man mit den Mitteln des Humors Türen aufstößt, die beim Zuhörer vielleicht vorher noch verschlossen waren.

Wie ist es mit Ihnen, Herr Steinbrück? Ein gewisses aufbrausendes Temperament wird sowohl Ihnen als auch Trump zugeschrieben. Was haben Sie sonst noch gemeinsam?

STEINBRÜCK: Meine Herren, das ist das erste Mal, dass ich mit Trump verglichen werde. Das stimmt schon wegen der Frisur nicht. Was Sie als aufbrausendes Temperament bezeichnen, hat man mir gar nicht zugetraut als norddeutsche Flunder.

Sie wollten die Kavallerie in die Schweiz schicken!

STEINBRÜCK: Das war eine überspitzte Formulierung, die völlig richtig war und einen richtigen Kern hatte. Weil nämlich das Schweizer Bankenmodell über Jahrzehnte darauf hinauslief, den deutschen Fiskus - auf Deutsch gesagt - zu bescheißen, indem man seine Dienste zum vorsätzlichen Steuerbetrug anbot.

Als Sie Ministerpräsident in NRW waren, das berichten Augenzeugen, stieg Ihnen der Ärger rot ins Gesicht, wenn sich die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn aus Rücksicht auf Fledermäuse gegen ein Infrastrukturprojekt stemmte, das Sie für richtig hielten. In Ihnen brodelt es.

STEINBRÜCK: Ja. Aber was wollen Sie denn? Wollen Sie einen völlig glatt gelutschten, undurchsichtigen Politikertypus haben? Oder wollen Sie einen haben, der gelegentlich zuspitzt und deutlich macht, dass Politik etwas mit Leidenschaft zu tun hat, die nach Max Weber zu den politischen Tugenden gehört? Das Widersprüchliche ist: Viele fordern Klartext von Politikern, aber wehe, sie sprechen ihn. Dann rast die Empörungswelle auch durch Ihre Zeitung. Sie müssen sich jetzt aussuchen, welchen Politikertypus Sie wollen.

SCHROEDER: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Trump und Steinbrück. Was Steinbrück macht, ist Pointe. Was Trump macht, ist billiger Populismus und Beleidigung.

Haben wir in Deutschland Entwicklungen noch vor uns, die in England und Österreich schon vollzogen wurden?

STEINBRÜCK: Wenn die etablierten demokratischen Parteien nicht aufpassen, fragmentiert das Parteiensystem in Deutschland noch stärker.

SCHROEDER: Meine größte Angst ist, dass wir österreichische Verhältnisse kriegen. Österreich ist die größte Warnung, die wir in Europa haben können. Das ist, geht alles schief, Deutschland in 20 Jahren: Wenn die AfD im Osten weiter so auf dem Vormarsch ist und irgendwann einmal ein jungdynamischer CDU-Kanzler findet, warum eigentlich nicht mit der AfD, dann haben wir genau diese Verhältnisse.

Herr Schroeder, haben Sie, wie Ihr Kollege Jan Böhmermann, von dem Strache-Video gewusst?

SCHROEDER: Na klar, ich habe die russische Oligarchen-Nichte gespielt. Nein, ich wusste es nicht. Vergangene Woche habe ich einen Kollegen aus Österreich getroffen, der mir sagte, dort hätten so gut wie alle Journalisten und Kabarettisten von diesem Video gewusst. Offenbar suchten die Macher finanzielle Unterstützer, die Preise waren mutmaßlich so hoch, dass man schon an der Echtheit zweifelte und davon ausging, das Video müsse wohl der Fake eines Hochstaplers sein.

Kann man den deutschen Parteien ein Gefühl zuschreiben, das sie kennzeichnet oder ausstrahlen? Beginnen wir mit der SPD.

STEINBRÜCK: Die SPD bietet das Bild einer Partei, die ständig mit sich selbst hadert. Das ist einer der Gründe, warum sie in erheblichen Schwierigkeiten ist. Man hat den Eindruck, sie zweifelt permanent an sich selber. Sozialdemokraten zeigen eine politische Körpersprache, die signalisiert, dass wir uns nicht einmal selbst vertrauen: Große Koalition - ja oder nein? Innere Sicherheit - zentrales Thema oder doch nicht? Demografiefeste Altersversorgung - was heißt das? Mietpreisbremse oder mutiger Entwurf in der Boden- und Wohnungspolitik? Warum soll dann der Wähler oder die Wählerin der SPD vertrauen?

SCHROEDER: Für mich ist die SPD ein gebeugter Mann, der auch noch die linke Backe hinhält.

„Die Grünen sind gespalten in Nord und Süd, wie Aldi“

Die Nordgrünen: Annalena Baerbock und Robert Habeck.
Die Nordgrünen: Annalena Baerbock und Robert Habeck.

© pa/Hendrik Schmidt/zb/dpa

Union?

STEINBRÜCK: Sehr selbstbewusst, stets auf dem Platz nach dem Motto: Wir sind die geborene Regierungspartei. Von daher immer etwas arrogant mit der Macht umgehend.

SCHROEDER: Nach dem Rezo-Video und mit AKK kommt so eine reaktionäre Kleingeistigkeit zurück. Der herablassende Gestus „diesen jungen Leuten“ gegenüber. Schwarze Pädagogik, lange vor „Unser Lehrer Doktor Specht“.

Liberale?

STEINBRÜCK: Haben den Liberalismusbegriff nie richtig begriffen, weil auf den Darwinismus des Marktes verkürzt.

Grüne?

SCHROEDER: Sind gespalten in Grüne Nord und Grüne Süd, wie Aldi. Die Nordgrünen, Robert Habeck, Annalena Baerbock, gute Laune, Smoothie, Bio, Hoodie, täglich ein Zitat aus „Kant für Gestresste“. Grüne Süd: Palmer, Kretschmann, konservativ, Sheriff spielen und Internetseiten nach Hautfarben sortieren. Hauptsache, man kann hier auch weiterhin heimlich dem Daimler über die Haube streicheln.

Im Süden regieren sie wenigstens.

SCHROEDER: Das ist richtig, ja! Aber in Baden-Württemberg hat die CDU immer sehr erfolgreich regiert, und dass der aktuelle Ministerpräsident Kretschmann ein Grüner ist, ist auch in meiner alten Heimat okay - solange man's nicht merkt.

Linke?

STEINBRÜCK: Zu humorlos.

SCHROEDER: Zu viel ideologischer Ballast. Man müsste mal ein paar Kilo Gepäck aus der Vergangenheit abwerfen, um abzuheben.

AfD?

STEINBRÜCK: Erschreckend dumpfbackig und zu viele Brandstifter in Biedermannpose.

SCHROEDER: Die Truppe, die alles brennen sehen will. Und wenn das wieder so ein trockener, heißer Sommer wird, könnten sie in Brandenburg dieses Jahr Glück haben. Dann brennt es wirklich. Und zwar spätestens nach den Landtagswahlen.

Herr Steinbrück, wie lange bleibt Angela Merkel noch Kanzlerin?

STEINBRÜCK: Ha! Ha! Das war die 1000-Dollar-Frage!

Es steht doch in Ihrem Veranstaltungsprogramm, dass Sie darauf eine Antwort haben.

SCHROEDER: Ja, im Programm. Aber nicht heute hier!

STEINBRÜCK: Das ganze Programm ist darauf gerichtet, dass entweder Schroeder oder ich Frau Merkel doch noch ablösen.

SCHROEDER: Vielleicht zeigen wir auch ein Video aus Ibiza von ihr, und Steinbrück spielt den Oligarchen.

STEINBRÜCK: Ich rechne damit, dass sich die politische Landschaft spätestens zum Ende des Jahres neu formiert hat. Nach den drei Landtagswahlen im Herbst könnte der Deckel vom Topf fliegen.

Und was ist ihr Gefühl? Hält es die SPD dann noch aus oder sucht sie ihr Glück in der Opposition?

STEINBRÜCK: Jetzt soll ich das Orakel spielen. Also gut: Ich glaube nicht, dass die große Koalition das Ende des Jahres erreicht.

SCHROEDER: Da halte ich dagegen. Ich weiß, die Landtagswahlen im Osten werden eine Zäsur sein. Aber wenn ich mir AKKs Tanz auf der Klinge ansehe, denke ich, dass Merkel sehr lange bleibt. Allein schon, um dabei zuzugucken, wie sich AKK nach und nach selbst abschafft. Wenn Merkel nett ist, bringt sie ihrer Freundin die korrekte Zahl aller Plagen von Ägypten bei. Und Horst Seehofer darf nicht vergessen, an seinem 70. Geburtstag die 70 YouTuber abzuschieben, die die Frechheit besaßen, auch vor den Europawahlen von der Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen.

Die Umfragen sind weder für Merkel noch AKK gut. Aber es gibt auch Sozialdemokraten, die sagen: Merkels Ziel ist es, bei der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU ein abschließendes, krönendes Werk zu setzen.

STEINBRÜCK: Das ist nächstes Jahr. Aber je länger Frau Merkel im Kanzleramt sitzt, desto mehr wird AKK unter Profilierungsschwierigkeiten zu leiden haben. Und das macht sich bereits jetzt bemerkbar. Je länger die Ablösung dauert, desto mehr Gewicht hängt an ihr. Und Haifische soll es auch im CDU-Pool geben.

SCHROEDER: Ich fürchte, die Angst ist zu groß, was nach einer Bundestagswahl kommt. Jamaika ist schon mal gescheitert. Was, wenn Lindner wieder den Lafontaine macht und kneift? Die größere Gefahr sind ja die Grünen, die so stark sind, dass man sich fragt: Werden die einfach mitmachen oder wollen sie unbedingt Neuwahlen?

STEINBRÜCK: Wie dem auch sei. Ich glaube, dass der Borkenkäfer bereits im Baum der großen Koalition drin ist und jeden Tag ein bisschen nagt.

Sophie Passmann hat getwittert: „Seit ich SPD-Mitglied bin, habe ich Burnout in Sachen Satire.“ Wie meint sie das?

SCHROEDER: Da kann ich nur spekulieren. Dass die Naherfahrung als Mitglied unter Umständen dafür sorgt, dass die Distanz nicht mehr da ist, die dafür nötig ist, Humor zu produzieren. Wenn man sich in diesen Gemengelagen in Stellung bringt, sieht man vieles mit anderen Augen. Das macht einen eher frustriert und traurig.

Wenn Sie die Implosion der SPD nach dem Rücktritt von Andrea Nahles sehen: Wie lange geben Sie dieser Partei noch?

STEINBRÜCK: Himmel, das bestimmt die SPD doch selbst und nicht eine Stimme aus dem Off! Die SPD wird ihre politische Mission im 21. Jahrhundert definieren und daraus ein attraktives Profil entwickeln müssen, das den zentralen Herausforderungen entspricht - statt aus der Summe einzelner Werkstücke, die wie die Ehe für alle oder die „bedürfnisprüfungslose Grundrente“ zwar als gut, aber eben als bloße politische Ingenieursarbeit wahrgenommen werden, einen Wiederaufstieg zu erwarten.

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