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Ben und Lilith Becker.

© Doris Spiekermann-Klaas

Interview mit Lilith und Ben Becker: „Schokobrunnen spritzt, totales Chaos – so ein geiler Tag“

Sie nimmt ihn mit zur Schule, wenn Lehrer nicht nett sind. Er bat Iggy Pop, auf ihrem Strampler zu unterschreiben. „Micky Maus“ lesen sie beide. Lilith, 15, und Ben Becker, 51: Ein Vater-Tochter-Gespräch.

Ein lauschiger Hinterhof in Berlin-Mitte. Der Schauspieler Ben Becker (Berlin Alexanderplatz) hat Kuchen besorgt und Kaffee gekocht. Der Aschenbecher steht bereit. Anwesend sind der 51-Jährige und seine Tochter Lilith Becker, 15. Später kommt noch Ben Beckers Mutter Monika Hansen dazu.

Lilith, Du bist gerade von einer Klassenfahrt zurück?

Lilith Becker: Wir waren an einem See in Sachsen-Anhalt, drei Nächte, wir hatten vorher Prüfungen. Schöne Reisen sind ja leider nie lange genug.

Das Klischee Klassenfahrt ist: Lehrer gestresst, Schüler außer Rand und Band.

Lilith: Die letzte Nacht war ich um halb drei im Bett, für meine Verhältnisse spät. Andere in meinem Alter sind mal die ganze Nacht weg. Tagsüber hatten wir richtig viel Programm: Schwimmen, Radfahren, Besuch im Heide-Park mit Achterbahn und Karussells.

Du traust dich was?

Lilith: Karussells können nicht schlimm genug sein, aber die Achterbahn … Ich mag keinen freien Fall, und die meisten coolen, mit Loopings und so, haben immer einen freien Fall.

Ben Becker: Bist du die Holzachterbahn gefahren?

Lilith: Nee! Ein paar andere hatten auch Angst, das muss ja nicht sein.

Klassenfahrt heißt: anderen fiese Streiche spielen.

Ben: Das will ich gar nicht hören, ich geh mal weg.

Lilith: Aus dem Alter sind wir raus. Das hätte auch die schöne, ruhige Stimmung versaut. Ich glaube, Papas Kindheit und meine unterscheiden sich sehr. Papa, kommst du mal bitte zurück?

Ben: Ich komm’ ja schon! Meine Klassenfahrten, ach Gott. Wir haben uns Polizeimützen aufgesetzt und heimlich Sangria getrunken. Ich war sehr viel wilder als Lilith. War eine andere Zeit, eine andere Schule. Ich bin vom Gymnasium geflogen und gerade noch in einer Hauptschule in Tempelhof gelandet. In der ersten Pause gab’s gleich was auf die Fresse, so waren damals meine Mitschüler drauf.

Lilith: Du hast eingesteckt, aber nicht ausgeteilt.

Ben: Nein, nein, Quatsch, ich hab’s auf die Ohren gekriegt und dachte, was ist denn nun los? Ich wollte nur den Realschulabschluss, und den habe ich geschafft. Schule hat mich nie interessiert. Ihr müsst wissen, meine frühen Lebensjahre in Bremen waren streng reglementiert, obwohl ich meinen ersten Papa sehr liebe, und als ich dann in West-Berlin in diese Künstlerfamilie kam …

Ihre Mutter war hier mit dem Schauspieler Otto Sander zusammen, der wie ein Vater für Sie wurde.

Ben: … das war anarchistisches Terrain. Ich ging mit 14 in Discos, ein kleiner, durchgedrehter Junge. Ich bin sehr froh, dass Lilith ihr Gymnasium durchzieht, auch wenn es heavy ist.

Typen wie deinen Vater gibt es da nicht, Lilith?

Ben: Darf ich das beantworten? Nein.

Lilith: Bei uns ist es ziemlich ruhig.

Und du lernst gern?

Lilith: Nicht wirklich, aber ich tu’s. Ich bin so: Okay, ich muss das jetzt lernen, auch wenn es mir keinen Spaß macht. Zu den Hausaufgaben muss ich mich oft zwingen.

Papa kontrolliert die?

Ben: Das macht meine Frau Anne. Für mich ist Schule nach wie vor ein Fremdwort. Ich gehe auch ungern zu Elternkonferenzen, ich mag das nicht, da halte ich mich lieber raus …

Lilith: … obwohl ich dich gerne mitnehme, dann sind die Lehrer ganz anders, als wenn Mama kommt.

Ben: Mir hat man zu viel durchgehen lassen. Ich hatte Gitarrenunterricht, und als ich nach drei Stunden nicht die Beatles spielen konnte, hörte ich auf. Es fehlte an Konsequenz. Deshalb bin ich dafür: Wenn Lilith etwas anfängt, soll sie es weitermachen. Nicht heute Fußball, morgen Ballett. Mittlerweile haben wir uns auf ein Pferd geeinigt, zu meinem Bedauern das teuerste Hobby überhaupt.

Lilith: Formel 1 fahren wäre noch teurer.

Ben: Du hast wohl ’nen Knall. Da drüben steht übrigens ein Klavier, und eines Tages kam meine Tochter zu mir und sagt: „Papa, die Alte! Ich kann nicht mehr.“ Darf ich das erzählen?

Lilith: Mmh.

Ben: Wir also zusammen zu der Klavierlehrerin, ich war klitschnass geschwitzt. „Meine Tochter kommt nicht mit Ihnen zurecht, die will aufhören.“ Und die Frau meinte, aus pä-da-go-gi-schen Gründen fände sie es gut, wenn die Tochter die letzte Stunde macht. Da zwickt mich Lilith, und ich sage: Nein!

Lilith: Wir waren beide am Zittern. Die Frau hat mir mal einen fetten Ordner über die Hände gehalten und sagte, wenn du dich verspielst, kannst du nicht mehr auf die Finger schauen und musst die Tasten blind finden. Die konnte so richtig sauer werden, dass ich Schiss vor ihr hatte.

Ben: Wir beide raus und ich so: Ahhh, die Alte sind wir los! Lilith rief: „Danke, Papa, danke!“

Lilith: Die trug ernsthaft Socken in Flip-Flops. Na ja, immerhin habe ich zehn Jahre lang Klavier gespielt ...

Ben: … und ich drei Stunden Gitarre. Bis ich kapiert habe, dass es ein wenig Arbeit bedarf, um Fortschritte zu machen, hat’s gedauert. Aber ich bin selbst drauf gekommen und habe doch einiges gelernt im Leben. Du reitest besser, als ich es je konnte.

Lilith: Im Oktober trainiere ich schon fünf Jahre Dressur, und du reitest nochmal wie viel?

Ben: Ich hab’ nur ein paar Wochen trainiert, an der Schauspielschule und dann für „Trenck – Zwei Herzen gegen die Krone“.

Lilith: Ich nehme Papa gerne an die Schule mit, wenn ich einen Lehrer nicht mag.

Als Schreckgespenst?

Ben: Na, na, na.

Lilith: Die Lehrer hören Papa gut zu. Da gab es einen Lehrer – oh, tut mir leid, wenn der das jetzt liest!, der wollte, dass wir am Ende des Schuljahres alle auf Eins oder Zwei sind. Dann fing er an, eine Schülerin zu ignorieren, hat sie nie drangenommen, ihre Tests nicht korrigiert. Später hat er uns alle ignoriert. Davon habe ich Papa erzählt und …

Ben: … ich springe übern Tisch bei solchen Typen. Kannst du dich noch an die Story mit den Erbsen erinnern?

Lilith: Jaaaaa.

Ben: Ein Freund und ich gingen für ein Hörspiel in die Schule, Lilith war in der dritten Klasse. Mit einer Tüte voller Erbsen haben wir das Meeresrauschen nachgemacht. Die Tüte platzt, alle Erbsen kullern auf den Boden. Tib-tib-tib. Die Kinder haben sie kichernd eingesammelt, doch der Lehrer rastet aus: „Wer noch eine Erbse aufhebt, geht vor die Tür!“ Ich sage, hier ist eine Tüte geplatzt, die Kinder sind gut drauf, was ist das Problem, junger Mann? Puuuh. Deshalb ist es besser, wenn meine Frau in die Schule geht, ich drehe sonst durch.

Was Vater und Tochter eint: Musik von Adele

Ben Becker spielt "Ich, Judas" im Berliner Dom.
Ben Becker spielt "Ich, Judas" im Berliner Dom.

© Thilo Rückeis

Haben Sie eigentlich Kosenamen füreinander?

Lilith: Ich sage „Papa“, er nennt mich ab und an „Knickohr“.

Sie haben für Ihre Tochter das Lied „Erdbeerfelder“ geschrieben, da geht es um Schildkröten auf PapuaNeuguinea, die Lilith besuchen soll.

Ben: Es ist ein wunderschönes Naturereignis, wenn die Schildkröten an Land kommen und ihre Eier ablegen, so archaisch. Das würde ich meinen beiden Ladies gerne zeigen. Aber jetzt fahren wir zwei in den Ferien eine Woche nach New York. Museum of Modern Art, Empire State Building.

Lilith: Ich würde, ganz ehrlich, lieber nach Papua-Neuguinea fliegen.

Ben: Sollen wir umbuchen?

Lilith: Da bräuchten wir mehr als eine Woche.

Ben: Stimmt. Die Idee mit New York kam eigentlich über die Sängerin Beth Hart, die wollte ich meiner Tochter im Madison Square Garden zeigen. Da tritt die gar nicht mehr auf, aber New York ist kleben geblieben. Dafür waren wir neulich zusammen bei Adele, als sie in Berlin gespielt hat.

Lilith: Finde ich auch besser als Beth Hart.

Musikgeschmack – ein großes Thema. Nichts trennt Kinder und Eltern mehr als das.

Lilith: Papa hört Iggy Pop und David Bowie. Finde ich okay, würde ich nur nicht jeden Tag auflegen. Und dann mag er halt so komische deutsche Musik wie …

Ben: Pschschscht! Ich geb’s ja zu, Udo Lindenberg, manchmal Udo Jürgens.

Helene Fischer?

Lilith: Nein, nein, nein. Obwohl, an der Ostsee mit Opa Otto haben wir mal zusammen drei Nächte hintereinander „Atemlos“ gespielt, voll laut, weil wir den Song so lustig fanden. Morgens kam ein großer Mann mit einer riesigen Bulldogge und spricht meinen Opa im Garten an: „Wissen Sie, wer hier die ganze Zeit Helene Fischer laufen lässt? Ich kann nicht mehr schlafen, das nächste Mal hole ich die Polizei.“ Und Opa so: „Nee, weiß ich echt nicht.“

Ben: Einen Tag nach der Geburt meiner Tochter spielte Iggy Pop in der Columbiahalle, ich hatte eine Karte und wurde langsam nervös. Irgendwann sagte Anne: „Na los, nun hau schon ab!“ Ich also nach der Show zu Iggy, einen Strampler in der Tasche. „Du, ich bin gerade Vater geworden, schreib mal was drauf.“ Der Strampler hängt, eingerahmt in Silber, oben im Schlafzimmer: „For Dörte, Iggy“.

Lilith: Warum hast denn du den? Der gehört doch mir. Und Dörte, also echt.

Ben: Du heißt Lilith Maria Dörte Becker – Dörte Becker wie Störtebecker. Ich wusste immer, wenn du 16 bist, haust du mir dafür eine runter.

Lilith: Im September ist es so weit.

Ben: Wie bin ich auf Iggy gekommen? Ah, die Karten für Adele. Ich wusste gar nicht, wo ich da hingehe, und dann fängt Adele an zu singen und mir laufen nur noch die Tränen runter, das ganze Konzert lang, die Stimme der Lady ist so gigantisch gut, die hebt Liza Minnelli aus den Angeln.

Lilith: Seitdem hört er mehr Adele als ich, also ich höre halt mit, zwangsläufig, bei seinen fetten Lautsprechern.

Herr Becker, Sie haben als Junge gern Abba gehört, bis Ihre Mutter mit einer Punk-Platte alles veränderte.

Ben: Die war durchgeknallt. Kommt aus London und bringt mir eine Scheibe von „The Damned“ mit. Auf dem Cover hauen sich fünf Typen Torten ins Gesicht. Ich wusste sofort: Das isses. Dann kamen die Sex Pistols und die Ramones, nie wieder Abba. Der Punk hat mich ins Verderben geführt.

Lilith: Ich kann mir Papa nicht Abba singend vorstellen. Er hatte angeblich hinten immer einen Kamm in der Tasche. Hast du nicht in der Vor- Vor-Punk-Phase auch einen weißen Anzug getragen?

Ben: Weiße Jeans, weißes Hemd, oben Marlboro und hinten den Kamm drin, und weiße Adidas, ganz wichtig.

Lilith: Das passt ja gar nicht.

Ben: Da war ich jünger, als du heute bist, Mann.

Lilith mag "Grey's Anatomy", Ben kann kein Blut sehen

Lilith und Ben Becker.
Lilith und Ben Becker.

© Doris Spiekermann-Klaas

Was musst du machen, Lilith, damit dein Vater wegrennt?

Ben: Ich kann mit ihrer Krankenhausserie nichts anfangen. Aber wir stehen beide auf „CSI“ und „The Mentalist“, give me five!

Welche Krankenhausserie denn?

Lilith: „Grey’s Anatomy“.

Ben: Horror!

Lilith: Nein, die ist voll toll. Papa will nur bei den Operationen nicht zuschauen, weil er kein Blut sehen kann. Ich ziehe mir solche Szenen sogar beim Essen rein. Es ist mein Traum, mal als Kinderchirurgin selber im OP zu stehen. Ich würde sehr gerne Leute aufschneiden … oh, klingt das jetzt, als wäre ich eine Mörderin?

Ben: Ich mag kein Blut, ich mag keine Horrorfilme, bis heute nicht. Was die Kinder alles gucken! Wo sich einer den Fuß absägt – nee, das finde ich ekelig. Als Lilith klein war, habe ich ein Video der Augsburger Puppenkiste reingeschoben. Und sie: „Die haben ja Fäden!“ Dann haben wir zehn Mal „Katze mit Hut“ geguckt, und sie war ganz verliebt.

Lilith: Von wegen Horrorfilme. Ich konnte mal, da war ich noch klein, nicht schlafen und bin ins Wohnzimmer gelaufen. Schock: Im Fernsehen wurde gerade einer gefressen!

Ben: „Der weiße Hai“. Dum, dum, dum, dum geht die Titelmelodie.

Lilith: Seitdem kreische ich im Wasser sofort los, wenn …

Ben: … dum! Dum! DUM! DUM!!

Lilith: Wenn Papa hinter mir herschwimmt und diese Musik singt.

Ben: Als Krabbelkind hattest du einmal deine Finger kurz vor der Steckdose, da brüllte ich: „L-I-L-I-T-H!“ Wie eine Katze mit ausgestreckter Pfote verharrtest du einen Moment, dann ging das Geheule los. Meine härteste Geschichte mit dir war die mit dem Kinderwagen. Wir sind schon in unserer Straße, ich sage aus Jux: „Da ist unsere Tür, wir fahren da rein, nein, falsch, unsere Tür ist blau, ups, hier ist unsere Tür, wieder falsch.“

Lilith: Du konntest mein Gesicht nicht sehen, ich hab’ im Buggy nach vorne geschaut.

Ben: Ich höre dich lachen, mache weiter, noch eine Tür, und noch eine, bis ich irgendwann merke: Du lachst nicht mehr, du weinst! Das war ganz schlimm. Du machst mit jemandem Spaß, den du lieb hast, und du merkst nicht, dass es längst gekippt ist. Ich war total fertig, du bist ein Rabenvater, du hast die Kleene verarscht und kriegst es nicht mal mit. Furchtbar. (Eine Frau kommt durch den Garten auf den Tisch zu) Hallo! Das ist meine Mutter, die Großmutter von der jungen Dame hier.

Monika Hansen: Hallo, mein Schatz, du bist wieder zurück?

Ben: Wie man sieht.

Monika Hansen: Halt doch mal die Klappe, sie kann selber antworten.

Lilith, weiß du noch, wie du deinen 14. Geburtstag gefeiert hast?

Lilith: Ich habe relativ viele Freunde eingeladen, so 20. Ich dachte, da kommt was ins Rollen, tat es aber nicht, weil ich nichts geplant hatte. Mein bester Geburtstag aller Zeiten war mein vierter.

Ben: Otto, Otto!

Lilith: Ich will erst erzählen. (Ben Becker steht auf, lacht und rennt mit dem Kopf immer wieder gegen die gläserne Wohnungstür.) Papa, die können das doch noch gar nicht verstehen. Also, erst mal wurde ich mit meinen Freundinnen von einer Pferdekutsche abgeholt, dann gab es einen Schokoladenbrunnen, wo wir Früchte und Kuchenstücke reintunken konnten. Und auf der Dachterrasse war ein riesiger Pool aufgebaut – voll das Paradies für uns Kinder.

Ben: 8000 Liter!

Lilith: Irgendwann hatte jemand die Idee, dass wir alle gleichzeitig reinspringen, PENG!, der Pool platzt, 8000 Liter Wasser ergießen sich, und Otto, also mein Opa, war so cool und schlug alle Türen ins Haus zu. Dann kommt ein heftiger Windstoß und klatscht den schönen Schokobrunnen an die Wand.

Ben: Otto konnte so gut mit Kindern, der rannte dauernd Charlie-Chaplin-mäßig gegen die Glastür, knallte unten den Fuß dagegen und er: Aooohhh! Die Kinder sind voll am ablachen. Dann Wasser marsch, Schokolade spritzt, totales Chaos, die Bude auf links gedreht. So ein geiler Tag.

Ihren 14. Geburtstag schilderte Otto Sander so: „Ich habe eine Kneipe gemietet und ein Fass Bier ausgegeben. Es wurde viel geraucht und getrunken. Wir hatten es unheimlich nett! Alle Freunde von Ben kotzten in die Klos. Irgendwann kamen die Eltern der Freunde und waren entrüstet.“

Ben: Eine andere Zeit. Meine Tochter interessiert das nicht. Ich möchte auch nicht, dass sie und ihre Freunde hier den Garten vollkotzen. Otto hat mir alle Freiheiten gelassen, das war damals so. Ich bin in dem Alter nachts aus dem Bett geschlichen und in den „Dschungel“ …

Eine legendäre Diskothek in Schöneberg.

Ben: … wo Nina Hagen Jesus spielte und Pizzastücke wie Hostien verteilte, David Bowie rannte herum und Romy Haag. Otto rief an und fragte: „Sagt mal Kinder, ist der Ben da? Na, dann ist ja gut, passt mir auf den Jungen auf.“ So war Otto. Ich bin sehr happy, Lilith, dass du gut behütet aufwächst und in eine anständige Schule gehst. Anne achtet auf die Kleene, die beiden machen das toll, und ich bezahle. (lacht)

Lilith: Tu nicht so, als wärst du nur fürs Geld zuständig. Es ist ganz gut aufgeteilt.

Ein Schauspieler ist viel unterwegs, Herr Becker, Sie nennen sich selbst „Vater auf Montage“. Wie halten Sie Kontakt?

Ben: Wir telefonieren. Und WhatsApp.

Lilith: Mit Emojis. Papa schickt total zufällige Emojis. Einen Grinsebackenfrosch. Oder eine blaue Spirale, keine Ahnung, was das ist, völlig unnötig.

Und du?

Lilith: Den Emoji mit den rollenden Augen benutze ich am häufigsten, definitiv. Ich glaube, das geht jedem Mädchen in meinem Alter so.

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Kommen wir zu den klassischen Streitthemen: Taschengeld. Ordnung. Handy.

Lilith: Es gibt genug Taschengeld. Nur vergessen Papa und ich es oft. Nervig. Nach drei Wochen heißt es dann: Du schuldest mir Taschengeld und eine Reitstunde. Ordentlich bin ich, bis auf meinen Schminktisch. Und handysüchtig bin ich auch nicht, es gibt nicht einmal Regeln. Mir wird kalt, kann ich drinnen eine Decke holen?

Ben: Mach einfach.

Lilith: (kommt mit einer Wolldecke zurück in den Garten): Hab’ ich mich erschrocken! Was hast du denn für ein Bärenfell im Zimmer?

Ben: Das ist ein Wolf, den kennst du noch nicht. Der war im Lager.

Herr Becker, haben Sie jemals einen Erziehungsratgeber gelesen?

(Orkanartiges Prusten, Toben und Lachen bei Tochter, Vater und Großmutter)

Lilith: Von A bis Z, alle durch.

Ben: Hihihi, Frage beantwortet oder was?

Ihre Frau und Sie haben sich nicht über Regeln oder Strategien unterhalten?

Ben: Nie. Wir sind auch geteilter Meinung, aber meine Frau hat recht. Ich bin mehr Rock ’n’ Roll, insgesamt ist das stimmig. Meine Tochter kifft auch nicht, ich kiffe.

Lilith: Ich habe es noch nicht mal ausprobiert, anders als die meisten anderen.

Wenn die Eltern so unterschiedlich sind, kannst du sie gut gegeneinander ausspielen.

Lilith: (lacht) Ja, das ist ziemlich easy eigentlich.

Ben: (lacht) Spinnst du jetzt, was ist los?

Lilith: Doch, doch. Wenn ich mal …

Ben: Stopp!

Lilith: Wenn ich Papa frage, kann ich länger draußen bleiben, würde er definitiv Ja sagen.

Ben: Ich will nur wissen, wo du bist, und nicht, wann du kommst.

"Ich bin nie, nie, nie schlecht gelaunt!"

Lilith Becker.
Lilith Becker.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wenn die Kinder in der Pubertät sind, werden sie den Eltern von heute auf morgen fremd. Haben Sie das Gefühl auch?

Ben: Wenn sie scheiße drauf ist, ja. So wie gestern.

Lilith: Das war eine Ausnahme, ich bin sonst nie, nie, nie schlecht gelaunt. Deshalb ist es das eine Mal sofort aufgefallen.

Ben: Ich darf immer noch zu ihr ins Badezimmer, das ist für sie in Ordnung.

Lilith: Ihr habt mich mein Leben lang nackt gesehen, was soll da sein. Und vor allem bei Mama, ich meine, ich kam mal aus ihr heraus und …

Ben: … das Erste, was du gesehen hast, war mein großer Totenkopfring.

Lilith: Ja, da war ich schon mal vorgewarnt.

In der Pubertät wird einem so vieles ziemlich peinlich – etwa, wenn die Eltern einen auf der Party abholen. Geht dir das auch so?

Lilith: Nee, das ist inzwischen umgekehrt. „Wie, du kannst deine Mutter anrufen, und die holt dich ab? Ist ja cool.“ Heutzutage ist es ja auch viel unsicherer auf den Straßen.

Ben: Damals wurde keiner mal eben so abgestochen wegen eines Handys oder so einer Scheiße wie heute auf dem Alexanderplatz. Ich mag das nicht, wenn du da rumzwitscherst.

Gibt es etwas, was du eindeutig von deinen Eltern hast?

Lilith: Mmh, ich weiß nicht, ob ich das sagen darf.

Ben: Soll ich weggehen?

Lilith: Ich wäre manchmal gerne so faul wie Papa. Wenn ich nicht aufstehen will, drehe ich mich um und schlafe noch eine halbe Stunde. Bei Papa werden daraus drei volle Tage. (Großes Gelächter bei allen) Und ich wäre gerne so organisiert wie meine Mutter, bin ich leider nicht. Dafür haben wir in vielem den gleichen Geschmack.

Stimmt es, dass Ihr Haushalt bis heute ein „Micky Maus“-Abo hat?

Lilith: Das ist für Papa.

Ben: Ey!!!

Lilith: Es läuft natürlich auf meinen Namen. Aber es ist ihm ganz wichtig, dass ich das Heft zu ihm rübergebe.

Hast du Pläne, in näherer Zukunft bei deinen Eltern auszuziehen?

Lilith: Ich will nie für immer weg! Erst mal mache ich Abitur, und dann wäre ein Jahr als Au-pair-Mädchen in England schön.

Monika Hansen: Endlich mal eine in der Familie, die Abitur macht. Hatten wir schon länger nicht.

Ben: Ich habe Abitur.

Monika Hansen: Du hast den erweiterten Hauptschulabschluss, Junge!

Lilith: Hast du nicht Abitur, Monika?

Monika Hansen: Ich?! Bin ja froh, dass ich schreiben und lesen kann.

Lilith: Ich bin halt das schwarze Schaf in der Familie, weil ich der einzig vernünftige Mensch bin.

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