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Joachim Meyerhoff, Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller, ist neu im Ensemble der Schaubühne.

© Thilo Rückeis

Interview mit Joachim Meyerhoff: „Ich habe ein inniges Verhältnis zum Scheitern“

Sein Zorn ist eine Waffe, sagt Joachim Meyerhoff. Wut macht ihn eloquent. Der Bestsellerautor und Schauspieler über den Zauber der Psychiatrie und Whiskey um sechs.

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Joachim Meyerhoff, 52, zog gerade als neues Ensemblemitglied der Schaubühne nach Berlin, am 13.Oktober 2019 feiert er dort mit "Amphitryon" Premiere. Zuletzt war er viele Jahre am Hamburger Schauspielhaus und dem Burgtheater Wien. Seine autobiografischen Romane haben sich mehr als zwei Millionen mal verkauft.

Herr Meyerhoff, Sie haben 14 Jahre in Wien gelebt, waren gefeierter Schauspieler am Burgtheater. Der Traum vieler Kollegen. Warum jetzt Berlin?
Die Burg hat diesen zentralen Anspruch. Man kriegt nicht recht mit, was sich in Hamburg oder Berlin tut. Und ich wollte mal raus aus dem roten Plüsch. Hier an der Schaubühne ist man unmittelbarer mit dem Publikum. Aber ich gebe zu: Das Gefühl des Aufbrechenwollens war größer als des Ankommenwollens. Berlin muss ich mir erst erarbeiten.

Haben Sie dafür Mechanismen?
Lesen. Ein Roman ist für mich mehr wert als ein Reiseführer. Döblin oder Kästner sind meine Schlüssel zu Berlin. In Wien habe ich mich sofort zurechtgefunden, obwohl ich die Stadt gar nicht kannte, weil ich Doderer, Handke, Musil und Bernhard gelesen hatte.

Ihr Blick gerät dann aber arg historisch.
Ich bin ja eh arg historisch, im Grunde ein Nostalgiker. Wien ist das Eldorado für Nostalgiker. Trotzdem wurde mir das zu viel. Gestern war ich mit meinem Sohn hier im Volkspark Friedrichshain am Märchenbrunnen, das war toll, mit meiner Mutter war ich in Mitte. Ich habe es lieber, jemandem was zu zeigen, als mir selbst was anzugucken.

Ihr Großvater, das kann man in Ihren autobiografischen Romanen nachlesen, hat Ihnen dazu mal eine Standpauke gehalten. Er meinte, Sie staunen zu viel und beobachten, aber nehmen nicht teil.
Dieses Außerhalbstehen ist was, wo ich schwer rauskomme. Auch auf der Bühne. Es gibt ja den Satz „Ich hab’ total neben mir gestanden“. Dahinter steckt ein unglaublicher Anspruch – dass man eins sein könnte. Das finde ich schwer. Mir schießen so viele Gedanken durch den Kopf, ich muss mich zusammennehmen, damit überhaupt das stattfindet, was verlangt wird. Es ist bei mir existenziell. Als würde man sich ums Leben drücken, wenn man alles immer nur als Phänomen betrachtet.

Sie sind auf dem Gelände einer Kinder- und Jugendanstalt aufgewachsen, die Ihr Vater in Schleswig geleitet hat. Noch heute besuchen Sie gern Psychiatrien. Was finden Sie dort?
Das ist bei mir ein doppeltes Interesse, an den Menschen und an der Architektur. Ich liebe diese abgeschotteten Gelände. Wenn ich da sitze, fühle ich mich zu Hause. Oft gibt es eine große Diskrepanz. Psychiatrien wie Steinhof in Wien sehen aus wie englische Elite-Unis, wunderschön. Aber man weiß, was dahinter stattgefunden hat, Euthanasie zum Beispiel. Himmel und Hölle an einem Ort.

Reden Sie mit den Patienten?
Ja. Es geht mir um unverstellte Begegnungen, die kenne ich aus meiner Kindheit. Unverbarrikadierter. Im Museum sah ich mal einen malenden Mann. Hinter ihm hing sein Anorak, vor ihm auf dem Blatt ein Sack, den er hingebungsvoll mit Bleistift schraffierte. Ich sagte: Was malen Sie? – Meinen Anorak. – Aber Sie gucken ja gar nicht hin. – Nee, sagte er, ich male den aus dem Gedächtnis. Superschlau! Das fand ich bezaubernd.

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Wahnsinn nimmt ja verschiedene Formen an, gibt’s auch am Theater.
Bis vor ein paar Jahren hat sich das Theater viel auf seinen Wahnsinn eingebildet, sich als einen utopischen Wahnsinnsort verstanden innerhalb einer trägen Gesellschaft. Jetzt ist das Verrückte, Irrationale in die Politik eingedrungen. Theater stinkt gegen die Realität ab. Das hat es noch nicht begriffen, deswegen wirkt es oft harmlos. Und wenn es sich dann einbildet, es wäre ach so verrückt – ach so radikal, ach so politisch – kaum auszuhalten.

Von politischem Wahnsinn haben Sie in diesem Sommer in Österreich eine Menge erlebt.
Es gibt einen großen Genuss am Spektakel, am Theatralen. Die Österreicher sind politisch lange nicht so spröde wie die Deutschen. Über das Strache-Video hat man im Theater sehr, sehr gelacht. Es grauste einen bis zur Glückseligkeit.

"Ich hab’ mich vom Schock des Verlusts meines Bruders nie erholt"

Joachim Meyerhoff 2014 als George Danton im Burgtheater in Wien.
Joachim Meyerhoff 2014 als George Danton im Burgtheater in Wien.

© picture alliance / Herbert Neubauer

Sie passen nicht nur mit Ihrer nostalgischen Mentalität nach Wien. Der Tod zieht sich durch Ihre Bücher. Hat sich Ihre Trauer über die Jahrzehnte verändert?
Ich bin dem Tod ja intensiv begegnet: der Unfalltod meines Bruders, als ich 16 war – ein Schock –, der Tod meines Vaters durch die Krebs-Krankheit – da leidet man mit–, der Tod durch das hohe Alter meiner Großeltern – müsste man eigentlich akzeptieren. Ich hab’ mich vom Schock des Verlusts meines Bruders nie erholt. In dem Moment ist die Verlässlichkeit zusammengestürzt, was Welt ist. Vorher war ich ein freundlicher, stabiler Mensch, der sicher war, alles wird gut. Dass es nicht der Fall war, hat mich in einen Abgrund gestürzt. Im Laufe der Jahre wurde die Trauer schal. Wie etwas, das ungut in einem wabert. Albtraumartig.

Darüber zu schreiben hat es wachgerufen?
Ich habe der Trauer eine Form gegeben. So erwachte die Autonomie. Es hat die Trauer noch mal groß gemacht – und mit einer gewissen Festlichkeit versehen. Auf einmal wurde sie opulent. Bigger than life, nicht so klebrig. Das ist für mich lange ein Lebensgefühl gewesen, festzukleben.

Sie schreiben auch über die Lebenden. Wie hat Ihre Mutter die sehr detailreichen Bücher über Ihr Familienleben aufgenommen?
Meine Mutter sieht sie fast literarisch. Sie guckt da drauf als etwas Entferntes, aber mit totaler Anteilnahme. Sie macht sogar in Norddeutschland Lesungen aus meinen Büchern, weil ich keine Zeit habe.

Und beantwortet dann auch die Fragen an Sie?
Ja! Ich kann nicht viel dazu sagen, aber wir hatten gestern ein lustiges Gespräch, ich schreibe gerade an einem neuen Buch. Das hat sie schon gelesen. „Irgendwann geht’s bei dir immer um Kot!“ Ich hab’ gesagt, das stimmt nicht. „Doch, immer diese Kotgeschichten.“ Da schlug ich ihr vor: Du könntest doch eine Lesereise machen mit meinen besten Kotgeschichten. Sie: „Kommt überhaupt nicht in Frage!“

In Wien setzten Sie sich zum Schreiben ins hinterste Eck einer Ströck-Bäckerei. Was gibt Ihnen das?
Bei Wien denkt man an all die Kaffeehäuser, aber da sitzen und schreiben wie im Klischee? Irgendwann habe ich diese Filiale gefunden und einen Platz auf dem Gang zum Klo, da gab’s kein Internet, keinen Empfang. Dort konnte ich konzentriert arbeiten. Ein Unort, ein Egalort, der sich ergeben hat.

Sie können ohnehin schwer still sitzen, auch jetzt gerade nicht. Wie geht das beim Schreiben?
Das Denken beim Schreiben ist ein hibbeliger Prozess, Gedanken, Worte, Sätze – alles bewegt sich, das ist nicht gemächlich. Schreiben ist so schön anders als Theater. Das hat immer was mit Abläufen zu tun, Institutionen. Beim Schreiben bin ich unabhängig. Danach bin ich süchtig geworden, weil es ein gutes Gegengewicht ist zum Marionettendasein, in dem man als Schauspieler steckt. Schreiben ist allein sein ohne Einsamkeit.

Auf der Bühne haben Sie sich oft geschämt ...
... tu ich immer noch. Man braucht als Schauspieler eine Gelassenheit: mit vollem Einsatz spielen und dennoch nicht verzweifeln. Ich hatte viele Jahre ein Gleichgewicht. Im Moment schäme ich mich wieder häufiger.

In Ihrem letzten Buch schildern Sie, wie Sie sich gern nur halb abschminken und mit Lidstrich durch die Straßen laufen.
Das ist mir peinlich. Junge Schauspieler suchen sich so sehr – nicht nur die Figur, sondern wer dieser Schauspieler sein soll. Dann kaufen sie sich irgendeine Kappe, setzen sich ein Hütchen schräg auf. Besonders, wenn man aus der Provinz kommt wie ich, wo alles Modische nicht stattfindet. Wo jeder, der sich mal ein bisschen was anzieht, hört: Was ist denn mit dir! Gerade war ich mit meiner Mutter in Mitte unterwegs, da sagte sie: Die Leute hier sind alle verkleidet, sogar die Damen in meinem Alter. Jeder hat ja so Preiskategorien, was etwas kosten darf. Meine Mutter könnte sich nie, nie Schuhe kaufen, die über 100 Euro kosten. Ich kann mir keine teuren Socken kaufen. Ich muss immer Dreierpacks nehmen. Ein Paar Socken für 19,95! Mir kommt das absurd vor!

Als Kind nannten Ihre Brüder Sie „Blonde Bombe“. Kriegen Sie heute noch solche Zornesausbrüche?
Ja, wenn auch seltener. Da gerate ich rein, wie in einen Tunnel. Es fühlt sich dann an wie früher, wenn man ungerecht behandelt wird, es einfach nicht war! Mein Zorn ist auch eine Waffe, durch den Zorn transzendiere ich mich in ein anderes Level von Bewusstsein. Ich werde dann eloquent, kann Sachen abfeuern, die am Ende gut sind.

Ihre Tochter hatte ebenfalls schlimme Wutanfälle. Konnten Sie da besser helfen als andere?
Wenn die sich so hinschmiss, wusste ich, das ist nicht gegen mich gerichtet. Mein Freund, der Burg-Schauspieler Ignaz Kirchner, war ein toller Choleriker, er bekam Wutausbrüche, wenn ein Requisit falsch lag. Damit hat er einen Ort verteidigt, der ihm alles bedeutete. Die Typen seiner Generation haben sich unendlich viel getraut auf der Bühne. Das ging nur, wenn sie drum rum die totale Verlässlichkeit hatten. Sie haben den Zorn auch genommen, um sich wohin zu schießen. Heute ist er am Theater oft fehlplatziert, weil er unecht ist.

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Ist Theater einfach nicht mehr so existenziell?
Kirchner hat monatelang in einer Pension gewohnt, konnte sein Kind nicht sehen, Theatermönch. Das hat man auf der Bühne schon gemerkt. Meiner Generation ist das Private wichtiger geworden, auch als Halt, als Selbstschutz. Aber Ignaz ist das krasseste Beispiel von allen, der hat 200 Zigaretten am Tag geraucht, sich in seinem Beruf verbrannt, wusste es, wollte es, konnte nicht anders. Bei Ignaz war das kein Getue, der lief im bodenlangen Mantel und großen schwarzen Hut rum, mein Gott! Wer macht sowas? Aber da funktionierte es, ich hab´ es geliebt.

Das klingt so, als glaubten Sie, das kann es nie wieder geben?
In meiner Generation und in der jüngeren ist alles viel spielerischer geworden, wir sind reflektierter, nicht so Kamikaze, wissen genauer in welchen Zusammenhängen wir stecken. Außerdem waren das Intellektuelle, gebildete Männer, die wussten über Kunst und Literatur Bescheid! Sie hatten andere Biografien, bei jemandem wie Kirchner kam der ganze Druck dieses Nachkriegsdeutschlands raus.  

Herr Meyerhoff, im Kino sieht man Sie fast nie.
Beim Film muss man großes Vertrauen in sein Gesicht haben, glauben, dass es gut ist für andere, sich das anzugucken. Dieses Gesichtszutrauen hatte ich nie. Aber das Schreiben ist die bessere Antwort aufs Theater. Locker sein, schlagfertig, souverän, das sind derzeit wichtige Attribute. So bin ich nicht. Die Komik, die ich in den Büchern gesucht habe, ist Verzweiflungskomik. Der Erzähler, der mit der Lederhose in der Rutsche stecken bleibt, beim ersten Dreh vom Stuhl kippt. Ich habe ein inniges Verhältnis zum Scheitern, zelebriere es. Überall lauert die Katastrophe.

Die lag für Sie schon an Ihrem Körper, 1,90 Meter. Haben Sie sich mit Ihrer Größe angefreundet?
Nein, ich beneide meinen Kollegen Udo Samel, der wie ein toller Kugelblitz ist: Wenn er die Hände ausstreckt, sind die da, die Arme, die Beine, alles dicht beieinander. Bei dem Film, den ich mit meiner Großmutter gedreht habe, sagt der Kameramann als Erstes, „ Oh nee, schon wieder so ein Großer!“

"Ich bin wahnsinnig gern ein Erwachsener"

Joachim Meyerhoff 2011 im Maxim Gorki Theater Berlin als Friedrich Graf Wetter vom Strahl aus dem Käthchen von Heilbronn.
Joachim Meyerhoff 2011 im Maxim Gorki Theater Berlin als Friedrich Graf Wetter vom Strahl aus dem Käthchen von Heilbronn.

© IMAGO

Es gab einen befreienden Moment, als Sie an der Schauspielschule ein langes mit Pailletten besetztes Abendkleid anhatten. Was ist da geschehen?
Die Schauspielschule fragt immer, wer bist du, was willst du, was ist dein Ausdruck, alles musst DU sein, du musst dein ICH entdecken. Und da war das Kleid eine echte Verkleidung, ein glitzernder Panzer, ich hatte eine völlig andere Würde. Plötzlich war es toll, groß zu sein, weil das Kleid diese Größe will und braucht. Immer wieder bin ich ratlos mit einer Figur, dann kriege ich eine Perücke auf und denke: Ah, das ist es. Schauspieler suchen permanent nach so einem Nadelöhrmoment.

Sie sagten mal, dass Sie von Ihren Großeltern, dem Philosophen Hermann Krings und der Schauspielerin Inge Birkmann, mehr gelernt hätten als auf der Schauspielschule.
Von meinem Großvater hab’ ich Ernsthaftigkeit gelernt. Ich blödel’ gern rum, aber das kommt schnell an seine Grenzen. Dieses Spiel des Schlagfertigseins meiner Generation – zack, zack, jedes Wort ein doppelter Witz. Mein Großvater war ein Begriffsspezialist, wollte die Dinge verstehen. Wenn man sagte, ich will mehr Freiheiten beim Spielen, antwortete er: „Was bedeutet ,frei sein’?“ Dass ich machen kann, was ich will. „Das ist aber nicht frei.“ So ein Gespräch hat mir viel eröffnet. Meine Großeltern waren aus der Zeit gefallen, die Grandezza habe ich genossen. Wenn meine Großmutter Celan zitierte, dann wurde nicht mit dem Glas geklappert oder sich eine Nuss genommen – dann wurde von vorn bis hinten die Todesfuge angehört.

Das Leben Ihrer Großeltern war sehr ritualisiert, Möbel durften nicht umgestellt werden, morgens gab’s Champagner, mittags Weißwein, abends Rotwein. Brauchen Sie das auch?
Ich sehne mich danach, doch meine Arbeitswelt, meine Kinder in Hamburg ... Ich kriege Rituale nicht unter. Dabei wäre ich total bereit, jeden Abend um sechs Uhr meinen Whiskey zu trinken. Nur geh ich da gerade zur Vorstellung los.

Sie haben drei Kinder. Was lernen Sie von denen?
Ich finde überwältigend, dass man dreimal am Tag ein völlig anderer Vater ist: für den Fünfjährigen, die Elfjährige, die 18-Jährige. Ich bin so nah an meinen Kindern dran, ich spüre oft keinen richtigen Unterschied zwischen dem, was die so freut und belastet, und dem, was mich freut und belastet.

Steckt in Ihnen selbst viel Kind?
Ich bin wahnsinnig gern ein Erwachsener. Mir geht dieser Spruch so auf die Nerven, ein Schauspieler ist ein Mensch, dem es gelungen ist, die Kindheit in die Tasche zu stecken und sie bis an ein Lebensende darin aufzubewahren. Ich war froh, als ich keine Jugendlichen mehr spielen musste.

Sie haben mal gesagt: „Ein gewisses Maß an Hysterie ist das perfekte Bindemittel für jede Familie.“
Ich finde schön, wenn es drunter und drüber geht. Von außen kann man die Verwundungen oft nicht erkennen. Aber es braucht nur einen schiefen Blick oder ein falsches Wort. Wenn das aufgeladen ist mit der Komplexität der Tiefe von Verbindung, Verletzungen, familienspezifischer Komik, wenn das alles so sirrt, das mag ich. Als meine Mutter neulich in Berlin war, redeten alle durcheinander. Sie sagte, sie verstehe so schlecht, es wurde kribbelig, weil alle sich bemühten, einzeln zu sprechen, wir lachten, sie dachte, wir lachen sie aus, mein kleiner Sohn kletterte unter dem Tisch herum, kam nicht mehr raus ... wunderbar!

Einer Ihrer Lieblingssätze lautet ja: „Unkompliziert ist unter meiner Würde.“ Sind Sie kompliziert?
Ja! Wenn’s mir zu eng wird, will ich was anderes machen, wenn das Theater Überhand nimmt, will ich schreiben, wenn das Schreiben schwer ist, will ich Theater spielen, dann ist die Stadt nicht gut, ich gehe in die nächste ... Ich sage nie: Schön, dass ich gelandet bin, mal gucken, was als Nächstes kommt. In der Arbeit kostet es Mut, kompliziert zu sein. Chefs schätzen es, wenn man unkompliziert ist. Warum soll man nicht jemanden einstellen, der kompliziert ist? Was ist daran falsch? Nichts!

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