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Lars Eidinger

© Tsp

Interview Lars Eidinger: „Ich dachte, das war’s – ich bin gelähmt“

Der Berliner Schauspieler will sich prügeln und ist ein Schisser. Er will alle Frauen und ist verheiratet: Warum Lars Eidinger es extrem mag und im Theater nicht nur Kunstblut fließt.

Herr Eidinger, diese Sätze sind von Ihnen: „Ich bin der beste Schauspieler der Welt“, „Ich kann jeden Film besser machen“ und sogar „Ich bin der beste Faller Deutschlands“. Was für Superlative!

Man könnte denken, das ist meine Form von Humor. Ich meine es ernst. Ich kann so hinfallen, dass meine eigene Frau nach einer Premiere sagt: „Mensch, da hast du dir aber wehgetan!“ Das hab’ ich auf der Schauspielschule gelernt, es ist einfach Handwerk. Ich will ja auch so weinen, dass alle denken, ich weine wirklich. Nach „Alle anderen“ zum Beispiel meinten viele: „Also Birgit Minichmayr und du, ihr habt doch da wirklich miteinander geschlafen, oder?“

Und haben Sie?
Na klar! Nein. Natürlich nicht. Das ist halt Schauspielkunst.

Was macht Ihre Sturztechnik besser als die Ihrer Kollegen?
Die anderen schonen sich und gehen auf Nummer sicher, um sich nicht wehzutun. Ich riskiere mehr. Ganz oft siehst du Schauspieler so sterben, dass sie danach zehn Minuten bequem liegen können.

Das merkt doch das Publikum nicht.
Ich glaub’ schon. Es kann vielleicht nur den Unterschied nicht benennen. Nicht umsonst interviewen Sie ja gerade mich und keinen anderen Schauspieler! Meine Frau glaubt übrigens, dass die Leute ins Theater kommen, weil sie sehen wollen, wie ich mich aufrauche.

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Klaus Maria Brandauer spielt weiter, wenn ihm eine Bühnentrennwand auf den Fuß fällt. Haben Sie sich im Theater schon mal verletzt?
Bei offensichtlich gefährlichen Sachen nicht, da konzentriere ich mich zu sehr. Es sind immer die leichten Sachen, die fatal enden. Als Hamlet lief ich über den Tisch, der fiel um und ich prallte mit dem Rücken auf die Kante. Für einen Moment hatte ich eine Art Schock im Körper und konnte mich nicht mehr bewegen. Ich dachte, das war’s – ich bin gelähmt. Ein anderes Mal bin ich in London im Zuschauerraum über die Armlehnen. Ich wollte ja niemandem auf den Kopf treten, schaute nach unten, haute mit dem Kopf vor einen Balkon und wurde kurz ohnmächtig. Als ich aufwachte, merkte ich, wie sich echtes und Kunstblut vermischten. Die Leute lachten, ich heulte.

Herzlose Briten.
Es ist interessant: Wenn man zu viel Quatsch macht, glauben einem die Leute irgendwann nicht mehr. Manchmal profitiert das Spiel aber auch von Unfällen. Einmal beim „Tatort“ schlug ich als Postbote die Tür eines Hängeschranks zu …

… Sie bedrohten als wahnsinnig gruseliger Postbote eine Frau, die ihr Kleinkind auf dem Arm hat …
… und plötzlich schmierte der Schrank ab und fiel runter. Das war nicht geplant. Alle im Raum waren erschrocken, keiner rief „Stopp“. Ich merkte, wie mir die Tränen runterliefen, und dachte: Wow, spiele ich gerade gut.

Liegen Sie mit Ihren Einschätzungen auch manchmal daneben?
Da hab’ ich eine hohe Trefferquote. Wäre bei meinem Beruf auch schlimm, wenn’s anders wäre. Seit 1999 spiele ich an der Schaubühne, vorher zwei Jahre am Deutschen Theater, früher Kinderfernsehen … ich mache nichts anderes, als mich mit meiner Wirkung auf andere zu beschäftigen.

„Bild“ fragte: „Wer ist der Psycho-Mörder aus dem ’Tatort’?“
Als sei ich vom Himmel gefallen! Die fragen mich seit Wochen, ob sie mich porträtieren dürfen. Kein Interesse. Erschreckend, dass „Bild“ kein Bewusstsein dafür hat, dass sie zynisch und menschenverachtend ist. Vor der „Romeo und Julia“-Premiere riet sie Schülern davon ab, in das Stück zu gehen, weil jemand seinen nackten Arsch zeige. Obwohl sie jahrzehntelang eine Wichsvorlage auf der Seite 1 druckte.

Hat McDonald’s Sie gefragt, ob Sie bei der aktuellen Werbekampagne mitmachen, in der Schauspieler wie Moritz Bleibtreu und Alexandra Maria Lara zu sehen sind?
Leider nein. Dann hätte ich wenigstens gewusst, um welche Summen es da ging. Das ist eine freie Entscheidung. Bei denen ist ja nicht Ronald McDonald vorbeigekommen und hat ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt.

Gibt es berufliche Entscheidungen, die Sie inzwischen bereuen?
Ich habe mich für Ikea prostituiert. 5000 Mark gab es für die Werbung. Schwerwiegender war sicherlich, dass ich das Drehbuch von „Das weiße Rauschen“ zu Hause hatte – und es war so dick, dass ich keinen Bock hatte, es zu lesen. Allein der Titel, zum Einschlafen. Da hab’ ich hinterher gedacht: Alter, was bist du für ein Idiot! Was für ein großartiger Film. Jetzt kommt Daniel Brühl damit groß raus! Seitdem lehne ich nie wieder etwas ab, ohne es gelesen zu haben. Auch wenn „Tödlicher Mord“ draufsteht.

Profitieren Sie eigentlich im Alltag ganz praktisch von Ihren schauspielerischen Fähigkeiten?
Ob ich beim Schwarzfahren einen Schlaganfall vortäusche, wenn Kontrolleure kommen?

Das haben Sie jetzt gesagt.
Nein, da geniere ich mich. Was ich aber von vielen Kollegen gehört habe: Beim Streiten und Rumbrüllen mit der eigenen Frau denkt man: „Ah, das klingt jetzt schön. Muss ich mir merken.“

Ist Ihre Frau nicht lauter?
Als Opernsängerin? Nein. Worauf ich übrigens leider nicht zurückgreifen kann, ist die Erfahrung, mich zu schlagen. Das finde ich ein bisschen schade. Ich stelle es mir wie eine Entjungferung vor – so wie man als Kind davon träumt, wie es ist, Auto zu fahren. Zum ersten Mal jemandem ungebremst ins Gesicht schlagen, verstehen, wie fragil ein Gesicht ist. Ich warte, bis mich jemand reizt.

Der nächste Zuschauer, der, wie bereits geschehen, nach Hamlets Schlussworten „Der Rest ist Schweigen“ einen Kommentar wie „Na endlich“ abgibt?
Zum Beispiel.

Berliner suchen ständig die Konfrontation. Ein Wunder, dass Sie nicht längst vermöbelt wurden.
Ich war auf einer Berliner Gesamtschule mit Sozialpädagogen, da habe ich gelernt, wie man deeskalierend wirkt. Leider!

Wenn Sie wirklich wollten, könnten Sie sich heute noch prügeln.
Vielleicht bin ich in letzter Konsequenz doch ein Schisser, der das alles romantisiert.

Sein großes Vorbild? Andre Agassi.

In „Hamlet“ bewegen Sie das Florett wie einen Tennisschläger beim Aufschlag.
Ich glaube nicht, dass jemand, der nie einen Schläger in der Hand hatte, die Aufschlagbewegung so machen kann wie ich.

Anfang der 90er waren Sie ein richtig guter Tennisspieler. Auch ein Schlägerzertrümmerer?
In einem Spiel hab ich mal drei kaputt gemacht. Der Gegner musste mir einen leihen, und ich hab ihn mit seinem Schläger besiegt! Mein großes Vorbild war Andre Agassi. Ich fand es aufregend, mit abgeschnittener Jeans zum Training zu fahren und absichtlich keine weiße Hose dabeizuhaben.

Was haben Sie vom Tennis gelernt?
Mich zu bündeln. Vor jeder Vorstellung schließe ich die Augen und versuche, an nichts zu denken und im Jetzt anzukommen. In letzter Zeit hab ich dabei einen Sex-Pistols-Song im Kopf: „Anarchy in the UK“. Damit gehe ich in den Abend rein. Ich weiß, ich bin frei. Wissen Sie was?

Ja?
Haben Sie von der Berliner Theater-Fußballmeisterschaft gehört? Immer wenn ich mitspiele, gewinnt die Schaubühne. Mir ist klar, Sie schreiben das jetzt auf, und es klingt, als sei ich ein arroganter Idiot. Es stimmt aber, Sie können alle fragen, die da waren. Im Finale hab’ ich vier von vier Toren geschossen! Mich frustriert, dass viele Schauspieler und Künstler so kokett sind. Die Leute wissen doch um ihre Qualitäten.

Die wollen bescheiden wirken.
Das ist falsche Bescheidenheit. Wenn nur noch ein Stück Kuchen auf dem Tisch liegt, greife ich ja auch zu. Hat jemand ein Problem damit, teile ich. Ich habe den Anspruch, aufrichtig zu sein. Da gehört auch dazu, zu sagen: Ey, ich bin ein super Fußballer.

Sie sind Messi.
Eher Gerd Müller. Ich dachte auch immer, niemand schlägt mich im Armdrücken. Bis mein Kollege Markus Gertken kam.

Welches Berliner Theater hat die miesesten Fußballer?
Das Ballhaus Naunynstraße. Die stehen mit Frauen auf dem Platz! Wir nehmen es halt ernst. Die Schaubühnenmannschaft hat nur ein einziges Mal verloren – gegen die Kritiker, was viel schlimmer war. Nur weil irgendwann Jule Böwe eingewechselt wurde. Frauenfußball ist ein Fall für die Paralympics.

Herr Eidinger!
Was denn? Die spielen unglaublich schlecht. Auf E-Jugend-Niveau.

Sie sind der Star der Schaubühne, die Kritiker voll des Lobes. Traut sich da ein Regisseur, Ihnen zu widersprechen?
Thomas Ostermeier hat bei der letzten Arbeit die anderen weggeschickt, wenn er mit mir etwas klären wollte. Das fand ich blöd. Sein Argument war, er will weder, dass ich noch er sein Gesicht vor den anderen verliert. Außerdem hätte ich eine Vorbildfunktion. Schlimm. Früher war genau das eine Qualität: dass ich widersprochen und ihn auf andere Gedanken gebracht habe. Ich mag paranoid sein, aber ich spüre auch in der Begegnung mit Ihnen beiden, dass Sie den Fehler in meinem System suchen. So wie dieser Trottel von der „Berliner Zeitung“. Da hätte ich Ihnen vor der „Romeo und Julia“-Premiere einen versiegelten Umschlag geben können mit den Worten „Lars Eidinger hat sich überhoben“. Und das hat er dann auch geschrieben.

Vielleicht hatte er recht. Hat eine Rezension keinen Wert für Sie?
Natürlich. Das ist ja das Schlimme. Ich orientiere mich daran. Als Zuschauer. Außerdem freue ich mich, wenn ich was Gutes über mich lese. Lese ich etwas Schlechtes, bin ich maßlos enttäuscht, traurig oder gekränkt.

Das trifft Sie?
Total! Es gibt keinen Schauspieler, das schwöre ich Ihnen tausendprozentig, den das nicht interessiert. Und die Leute, die sagen: Das interessiert mich nicht, die heulen zu Hause. Besonders empfindlich sind ambitionierte Arthouse-Leute, die viel stärker abhängig vom Feuilleton sind als ein Til Schweiger, der am Ende sagt: Fickt euch, guckt mal auf mein Konto.

Wissen Sie, wo die Kritiker im Zuschauerraum sitzen?
3., 4., 5. Reihe zentral. Wäre ja auch frech, einem Kritiker einen Randplatz zu geben.

Schenken Sie den Rezensenten bei Premieren besondere Aufmerksamkeit?
Ich denke an fast nichts anderes. Vor der Aufführung besorge ich mir die Liste der Kritiker, die sich angemeldet haben. Am Premierentag hab’ ich extrem mit Aufregung zu kämpfen, da beruhige ich mich damit, dass überhaupt welche kommen. Der absolute Horror wäre doch, wenn sich keiner von denen für uns interessiert.

Oft nehmen Zuschauer Handys mit ins Theater, stellen es auf lautlos und lesen zwischendurch Nachrichten. Bekommen Sie das mit?
Ja, klar. Diese blauen, von unten beleuchteten Gesichter lenken mich wahnsinnig ab. Außerdem sehe ich ganz oft Leute wegpennen. Die schauen mir zu und kämpfen mit dem Einschlafen.

Das sehen Sie?
Ich gucke die direkt an und spiele dabei weiter. Zuerst denken die, das kann ja gar nicht sein, der guckt nur in meine Richtung. Dann gibt’s den Moment: Nee, der meint mich! Oder ich sag: Achtung, dein Mann schläft gerade ein. Das ist wie in der Schule. OOOLAF!

Fast 200 Mal haben Sie mittlerweile den „Hamlet“ gespielt …
… und neulich stehen während eines Monologs zwei Mädchen auf und huschen die Treppe runter. Da habe ich unserem Beleuchter gesagt, der soll das Licht anmachen. Die beiden standen da wie Tiere im Scheinwerferlicht und verbargen ihre Gesichter. Ich so: Na, wohin geht ihr? – Auf’s Klo. – Wir warten! Nach drei Minuten kamen sie wieder …

… also nach der beinahe 200. Vorstellung: Haben Sie noch Angst, zu versagen?
Ich fürchte mich eher vor der Routine. Dann versuche ich, Irritationen einzubauen. Das hat was Größenwahnsinniges. Die Leute pilgern hin, und ich nehm’ das ganze Ding auf einen Finger, balanciere rum und gucke, ob es abstürzt. Es ist ja nicht so, als würde jede Improvisation irgendwo hinführen.

Wann haben Sie es vor die Wand gefahren?
Zum 50. Geburtstag der Schaubühne. Die meisten waren auf dem Festakt, ich spielte vor halb leerem Saal, es war ein altes Publikum. Da hab' ich einen Witz erzählt: Was ist 20 Meter lang und stinkt nach Pisse? – Eine Polonaise im Altersheim.

Es kränkt Sie bestimmt, wenn sich die Schauspieler am Ende einer Vorstellung verbeugen, und einer bekommt mehr Applaus.
Es kommt darauf an, wie die Leute in der Vorstellung auf mich reagieren. Mir ist Applaus fast ein bisschen unangenehm.

Ein Geltungssüchtiger wie Sie mag keinen Applaus?
Ich mag Szenenapplaus, weil ich in der Rolle bleiben kann. Um dieses Interview in der Google-Hierarchie nach oben zu bringen: Wenn ich beim Sex merke, die Frau hat einen Orgasmus, muss ich sie danach nicht fragen, wie es war. Loben Sie einen Schauspieler nach der Vorführung in der Kantine – der wird immer klemmig reagieren. Diese Sehnsucht nach Erfüllung, die alle Schauspieler in sich haben, wird nie befriedigt. Das bleibt immer hinter dem zurück, was ich eigentlich will.

Was wollen Sie eigentlich?
Dazu habe ich eine Theorie. Ich müsste etwas ausholen, ja?

Nur zu, wir verlängern auf die nächste Seite.

Spielen mit Juliette Binoche? Wie Sex ...

Was meine Generation und mich geprägt hat, war die Popkultur der 80er Jahre. Obwohl ich heute einen Abstand dazu habe, merke ich trotzdem, wie mein Wertesystem davon geprägt ist: Pop ist die perfekte Oberfläche, die fiktiv bleibt. Es gibt die perfekte Frau aus dem Musikvideo nicht. Der perfekte Glücksmoment aus dem Hollywood-Kino setzt Maßstäbe, denen ich hinterherrenne. Ich kann das noch so sehr reflektieren, trotzdem bleibe ich unglücklich, weil ich an eine Welt glaube, die es gar nicht gibt.

Sie wünschen sich, in der Ästhetik eines 80er-Jahre-Videoclips zu leben?
Absolut. Übrigens sieht man ja in den Videos nie jemanden die Wohnung aufräumen. Und wenn es darum geht, so, ich muss aufräumen – dann hat das für mich überhaupt keinen Erlebniswert.

Ein gutes Argument, um sich vor dem Putzen zu drücken.
Mein Vater hat schon gesagt: Du musst irgendwann so viel Geld verdienen, dass du dir jemanden leisten kannst, der das für dich macht. Hab’ ich auch geschafft. Ich leide allerdings an dieser Alltagsuntauglichkeit. Ich fühle mich manchmal richtig verloren. Ein Klischee, ich weiß. Wie Frederick die Maus, die statt Nüsse Sonnenstrahlen für den Winter sammelt. Die Schauspielerei ist für mich etwas Sinnstiftendes. Was ist das eigentlich, wonach wir uns alle sehnen? Das schrieb ich schon als Kind in mein Tagebuch: „Ich hab’ solche Sehnsucht danach, im Moment anzukommen.“ Hirnforscher sagen, dass das, was wir wahrnehmen, eh schon vergangen ist. Wenn ich Sie jetzt anschaue, sehe ich in die Vergangenheit, weil ich ja viel länger brauche, um das auszuwerten, was ich sehe.

Vielleicht gibt es den Stern gar nicht mehr, den wir von der Erde aus beobachten?
Allein das ist so schrecklich, so fatal. Wir tragen eine unstillbarere Sehnsucht in uns: Todessehnsucht. Ein schöner Gedanke, dadurch verliert der Tod an Schrecken. Wonach ich mich sehne – kein Vorher, kein Nachher –, ist ja nichts anderes als der Tod. Tröstlich.

Spüren Sie im Theater einen kleinen Abglanz davon?
Ja. Ich habe während der Vorstellung wirklich manchmal das Gefühl, ich sei in einem anderen Raum-Zeit-Kontinuum und könnte, weil sich alles um mich herum verlangsamt und sich die Zeit dehnt, wie in einem Standbild herumlaufen.

Nach der Vorstellung – wie kommen Sie da bloß wieder runter?
Schwierig. Man hat ja diese Robbie-Williams-Allmachtsfantasien: Ich geh’ jetzt mit den ganzen Frauen nach Hause und schlafe mit denen. Am Ende ist es gar nicht so, und man geht allein den Ku'damm runter. Ich meine, ich bin ja eh verheiratet.

Sie haben kein festgelegtes Ritual?
Duschen. Wir Jungs sind dann wie auf Klassenfahrt. Das Witzniveau sinkt ins Unermessliche. Wir gehen in die Frauendusche, die Brauseköpfe sind da besser.

Von wem ist Lob am schönsten?
Von meiner Frau.

Sie konnte Sie angeblich nach einer „Dämonen“-Vorstellung nicht mehr leiden.
Ein Kompliment! Man kann das eben manchmal doch nicht so voneinander trennen. Sie sieht mich ja auf der Bühne, wie ich extrem scheiße bin. Ich drehe gerade mit Juliette Binoche, die ist oft vor der Kamera so, als sei sie betrunken. Noch nie habe ich mit einer so guten Schauspielerin gespielt. Sie ist einfach ohne jedes Gewese. Sie scheißt keinen Assistenten an, dass er Kaffee holen soll.

So was gibt’s wirklich?
Ich kenne eine deutsche Schauspielerin, für die jemand eine Stunde unterwegs war, um einen Starbucks-Kaffee zu holen.

Schauspieler werden verhätschelt.
Es gibt Wärmeschuhe und Wärmepflaster – weil die Angst haben, dass man am nächsten Tag nicht drehen kann.

Sie wollten nicht auf die Terrasse des Tagesspiegels. Aus Angst, braun zu werden.
Ein helles Gesicht fängt viel mehr Licht auf der Bühne. Hamlet ist nicht braun.

Warum war es mit Juliette Binoche besonders?
Die nimmt alles aus mir. Das ist natürlich hochgradig befriedigend als Partner, das ist wie beim Sex. Da war eine Szene, bei der sie im Off stand – also gar nicht gefilmt wurde, die Kamera war auf mich gerichtet. Sie hat ihren Text nur gesprochen, damit ich einen Anspielpartner für den Dialog hatte. Wir haben diese Einstellung zwölf Mal wiederholt, und von diesen zwölf Einstellungen hat sie fünf Mal geheult! Im Off! Das tut sie, weil es für sie keinen Unterschied macht, ob sie zu sehen ist oder ich. Das macht keine deutsche Schauspielerin. Höchstens Corinna Harfouch. Es gibt Kollegen, die sagen: „Over shoulder“ mach ich nicht, da gehe ich solange in meinen Wohnwagen.

Gibt es für Sie Grenzen?
Ich gefalle mir schon in der Rolle des Extremschauspielers, der sich eine Wurst in den Arsch steckt. Da gab es ja früher den Vorwurf: Der will sich nur interessant machen. Ich denke, es war anders, nämlich: Da ist jemand bereit, weit zu gehen.

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Im Prater inszeniert Vegard Vinge sein Freaktheater „12-Spartenhaus“. Er pinkelt sich in den Mund, wirft mit Kot.
Ich habe leider noch nie ein Stück von Vegard Vinge gesehen. Und würde trotzdem behaupten, dass ich ihn bestimmt total toll finde.

Frank Castorf hat ihm mit Absetzung gedroht, wenn er das Kotwerfen nicht aufgibt.
Ganz ehrlich, als ich gehört habe, der pisst sich da in den Mund, dachte ich: Wow! Dieses Extrem-Image gefällt mir. Dann denke ich natürlich …

… Wettbwerb?
Ja, schon.

Laut einer Studie braucht ein Mann acht Sekunden länger vor dem Urinal, wenn neben ihm ein anderer Mann steht.
Ist bei mir nicht so. Ich pinkele ja bei „Dämonen“ live. Ich hatte schon vor laufender Kamera eine Erektion. Das ist eine Kopfsache, das kann man steuern.

Das hat wirklich nichts mit Erregung oder der Menge des Blasendrucks zu tun?
Auch, natürlich. Bei den Dreharbeiten des Films „Grenzgang“, der kommt am 27. November in der ARD, sollte ich an eine Hauswand pinkeln. Da habe ich gesagt: Ich würde das gern echt machen. Aber dann musste ich ewig warten, bis die blöde Szene endlich kam. Ich pinkelte zwei Minuten am Stück. Da hat die Regisseurin gesagt, das ist zu lang, wer will sich so etwas angucken?

Und nun, Herr Eidinger?
Jetzt schneiden sie das. Sah ganz schön pervers aus: Da steht jemand und hat tierischen Druck. Das war nicht sexy, sondern erbärmlich.

Hatten Sie keine Hemmungen?
Nein, das fand ich aufregend. Wobei, jetzt gerade müsste ich auch mal dringend. Können wir aufhören?

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