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Blick ins Grüne. Der Garten am See hinterm Hotel.

© Das Schmöckwitz

Hotelkolumne: In fremden Federn: Ein Trip ans Ende der Stadt

Der Trip ans Ende der Stadt wird zur Reise in die Vergangenheit. Als Tourist in der eigenen Stadt, diesmal in Schmöckwitz.

Berlin, wo ist denn hier Berlin? Ein Schild, das vor sprintenden Hirschen warnt, ein Busfahrer, der nicht raunzt, wenn man ihm einen Zehn-Euro-Schein fürs 1,60-Ticket reicht. Ausflugslokale, im Wind klappernde Boote, Hauptstraßen namens Ziegenhals, links und rechts Forst. Angekommen, hält einem ein junger Mann die Tür auf, während man über den roten Teppich die Treppen zum Herrenhaus hochsteigt. Hinterm Gebäude der Garten am See, die letzten Zentimeter Berlin – der Bootssteg gehört schon zu Brandenburg.

Das Schmöckwitz. So heißt das Tagungshotel seit ein paar Monaten, ein neuer Geschäftsführer modernisiert den Betrieb, man will noch mehr erholungsbedürftige Einzelreisende und feierlustige Gesellschaften bewirten. Schmöckwitz, das lässt man sich auf der Zunge zergehen, allein für den Klang des Namens möchte man Berlin lieben, so heißt auch der ganze Stadtteil, der zu Treptow-Köpenick gehört.

Frühlingsfrische, jottwede. Losgelaufen, immer am Kanal lang, der sich mit Gräsern und Naturstein am Ufer hübsch gemacht hat. Kein Mensch auf dem weichen Waldweg, nur ein paar Enten, die schnell ins Wasser flitschen. In ihrem Geschnatter geht das Brummen der Flugzeuge fast, nur fast, unter. Blinzelnd läuft man der Abendsonne entgegen. Det is Berlin?

Beim Frühstück glitzert der Wernsdorfer See in der Sonne

Der Trip ans Ende der Stadt wird zur Reise in die Vergangenheit. Man hat ein Dauergefühl von früher. Damals war anstelle des Hotels ein Bauernhof, dann kam ein erfolgreicher Tischlermeister, „Philipp Masserer Herren- und Speisezimmer“, und ließ sich ein Traumhaus bauen; zehn Jahre später war er es schon wieder los – Wirtschaftskrise, ausgeträumt. Nach dem Krieg gehörte die Anlage dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, nach der Wende zog eine Akademie ein. Und bald folgen die Bienen. Ein benachbarter Imker hat schon die Kisten zwischen den Apfelbäumchen aufgestellt. Neben der alten Villa steht ein langgestrecktes Gebäude, euphemistisch Gartenhaus genannt, von außen sieht man ihm seine Vergangenheit als 70er-Jahre-Plattenbau noch an. Im Herrenhaus werden zarte Königsberger Klöpschen unterm Kronleuchter der Bar serviert.

Beim stillen Frühstück glitzert der Wernsdorfer See in der Sonne, der Wasserkremser liegt abfahrbereit am Steg, man könnte sich in die bunte Hängematte legen – und dann soll man zurück ins Büro?! Allein die Rückreise mit der Tram zur S-Bahn Grünau versöhnt, nochmal Bäume, nochmal See, der Versuchung widerstanden, an der Haltestelle „Bammelecke“ auszusteigen. Schmöckwitzen – man könnte ein Verb daraus machen.

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