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Welcher schmeckt am besten? Sieben Ketchups haben wir getestet.

© olgavolodina - Fotolia

Grillsommer: Auf der Suche nach dem ultimativen Ketchup

Ketchup ist ein unverzichtbarer Begleiter – beim sommerlichen Grillen ebenso wie zur Currywurst. Doch die Soße hat ein Imageproblem. Zu Recht? Ein Tomatenreport plus Test.

Ketchup war streng verboten. Die Mutter kochte alles frisch, auch mal eine Tomatensoße, zumal sie in ihrem schwäbischen Elternhaus jede Menge Tomaten im Garten hatten. Aber Ketchup? „Es war ein absolutes No-Go, den über ihr Essen zu schütten.“ So erinnert sich Michael Kempf, mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneter Koch im Berliner Facil, an seine Kindheit.

Kinder und Erwachsene, Currywurstesser und Feinschmecker, Amerikaner und Franzosen, zwischen ihnen scheint es eine Grenze zu geben, die von dieser ganz speziellen Tomatensoße markiert wird. In Frankreich wurde 2011 gar ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den Ketchupkonsum in Schulkantinen drastisch reduzieren sollte. Zum Schutz der Kinder und der französischen Küche.

In den USA regte dagegen der Landwirtschaftsminister in den 1980er Jahren an, Ketchup als eingelegtes Gemüse zu deklarieren, was es den Schulen erlaubt hätte, echtes Gemüse in den Kantinen einzusparen. Man wollte verhindern, dass da zu vieles auf den Tellern liegt, das von Kindern sowieso nicht gegessen wird. Der Vorstoß führte zu einer erregten Diskussion und setzte sich nicht durch.

Warum Tomaten gesund sind

Die Debatte hält an. Ketchup gilt manchen Ernährungsexperten als Risikolebensmittel, weil auf 100 Gramm je nach Hersteller bis zu 31 Gramm Zucker kommen können. Dabei ist die Tomate gesund. Vor allem das enthaltene Lycopin schützt vor Krebs- und Herzerkrankungen. Und Ketchup kann ziemlich viel Lycopin vorweisen, auch und gerade wenn er nicht aus frischen Früchten, sondern aus Tomatenmark oder Konserven gefertigt wurde – das Lycopin wird beim Kochen aufgeschlossen und kann dann vom Körper sogar besser verarbeitet werden.

Ganz bedauerlich wäre der Verzicht auf Ketchup in der Grillsaison. 80.000 Tonnen verbrauchen die Deutschen im Jahr, einen Gutteil davon im Sommer. Denn die fruchtige Tomatensoße ist nicht nur in Fast-Food-Buden ein beliebter Begleiter, sondern auch zu Fleisch vom Grill. Hinzu kommen zahlreiche Varianten wie Curryketchup oder Barbecuesoße. Doch noch führt Tomatenketchup mit 70 Prozent Marktanteil vor all seinen Ablegern. Weshalb wir uns im begleitenden Blindtest auf ihn beschränken.

Ketchup in der Sterneküche

Michael Kempf hat das häusliche Verbot gut überstanden und bekennt sich heute zum Ketchup. Zwar werde die Soße im Facil kaum nachgefragt, und wenn, dann überwiegend von Kindern. Doch Ketchup hat, von vielen Gästen unbemerkt, auch in seiner Sterneküche einen festen Platz.

Bei nahezu jedem Soßenansatz im Fleischbereich gibt Kempf zwei bis drei Esslöffel Ketchup hinein, statt Tomatenmark. Denn der gebe der Soße einen schönen Glanz, verleihe ihr vor allem den gewünschten Umami-Geschmack, jene geheimnisvolle fünfte Geschmacksrichtung neben süß, salzig, bitter und sauer. Im Übrigen sei das keineswegs eine Marotte von ihm. Ketchup hätten sie schon bei Dieter Müller in Bergisch Gladbach verwendet, dem Dreisternekoch, bei dem Kempf einst lernte.

Der Ketchup gilt als fest mit der amerikanischen Fast-Food-Kultur verbunden – doch so einfach ist das mit seiner Herkunft nicht. Die wohl umfangreichste Recherche dazu hat – natürlich – ein Amerikaner geleistet: Andrew F. Smith, Verfasser von „Pure Ketchup“, dem maßgeblichen Werk zum Thema. Smith musste erkennen, dass allein schon der Name der Fachwelt Rätsel aufgibt.

Wo der Name herkommt

Manche Experten vermuteten seltsamerweise den Ursprung ausgerechnet im Land der Ketchuphasser, in Frankreich. Danach leitet sich der Name von caveach ab, einer essigbasierten Gewürzmarinade, in der man Fisch einlegt.

Andere glaubten in Ostasien fündig geworden zu sein. Kitjap sei ursprünglich ein Ausdruck aus dem Japanischen – falls es sich nicht um einen Schreibfehler in einem alten Kochbuch handelt, und Javanesisch gemeint war. Folgt man der Fährte weiter, landet man irgendwann über Malaysia und Vietnam in China beim Ke-tsiap und damit schon wieder beim Fisch. Die Tunke enthält keine einzige Tomate, es handelt sich eher um eine Art Marinade. Wer heute in Indonesien Ketchup bestellt, hat immer noch alle Chancen, eine Fischsoße zu bekommen.

Ebenfalls auf Tomaten verzichtete man in England. Das erste 1727 dort publizierte Rezept „To make English Katchop“ enthält dafür 12 bis 14 Anchovis, 10 bis 12 Schalotten, Weißweinessig, Weißwein und eine Gewürzmischung aus Muskat, Ingwer, Nelken, Pfefferkörnern, Zitronenschale und Meerrettich.

Wie die Tomate in die Flasche kam

Das ganze 18. Jahrhundert hindurch wurde in England weiter probiert, mit Walnüssen, Pilzen, Knoblauch und Portwein, immer unter dem Label Katch-up oder Katchop. Und so schaffte es die Marinade hinüber in die englischsprachigen Kolonien Nordamerikas. Zur gleichen Zeit experimentierten spanisch-mexikanische Köche mit einer Tomatensoße, die sie Texochili nannten – die Tomate kam ursprünglich aus Südamerika, wurde aber in Mittelamerika kultiviert. Mit den Spaniern erreichte die Tomatensoße den Mississippi.

Wahrscheinlich wurde dann dort Tomatenketchup angerührt, jedenfalls erschien 1812 das erste einschlägige Rezept. Rasch verbreitete sich die neue Soße in Übersee, als Zutat zum Beispiel für Rinderbrühe oder Hühnerfrikassee.

In den 1830er Jahren tauchten die ersten Flaschen Tomatenketchup als Handelsware in amerikanischen Geschäften auf. Noch einmal 30 Jahre später begann Henry John Heinz in Pennsylvania damit, eine Meerrettichsoße anzurühren. Zusammen mit einem Kompagnon verkaufte er sie in durchsichtigen Gläsern, um so die Güte des Produktes zu demonstrieren. Die Firma machte trotzdem Pleite. Doch Heinz, Sohn deutscher Einwanderer, startete neu, diesmal nahm er auch Tomatenketchup in seine Produktpalette auf.

Ketchup kann man leicht selbst zubereiten

Welcher schmeckt am besten? Sieben Ketchups haben wir getestet.
Welcher schmeckt am besten? Sieben Ketchups haben wir getestet.

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Der Siegeszug seines Ketchups – beim Tod des Firmengründers 1909 war Heinz Ketchup bereits Marktführer in den USA und wurde es schließlich in 50 Ländern – hat wahrscheinlich drei Ursachen gehabt. Heinz verstand sich auf Marketing, seine durchsichtige Flasche mit dem praktischen Drehverschluss wurde zum Standard. Und er warb damit, dass sein Ketchup keine künstlichen Konservierungsstoffe enthielt, ein Vorteil, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA erstmals die Debatte um Zusatzstoffe in der noch jungen Lebensmittelindustrie entbrannte.

Was aber noch entscheidender war: Er schmeckte tomatiger als die mit künstlichen Mitteln haltbar gemachte Konkurrenz. Noch heute wirbt Heinz mit der Aufschrift „frei von Konservierungsmitteln, frei von Verdickungsmitteln“. Ins Gerede kam Heinz in jüngster Zeit allerdings wegen des hohen Zuckergehalts.

Die Deutschen setzten auf Bratwurst mit Senf

Ebenso wichtig für den Erfolg dürften zwei andere Erfindungen gewesen sein: Mit der Weltausstellung 1893 in Chicago begann die Karriere des Hotdog. Und auf der Weltausstellung 1904 in St. Louis wurde der Hamburger im großen Stil der Öffentlichkeit präsentiert. Beide sollten sich als kongeniale Partner des Ketchups erweisen. In Deutschland setzte man dagegen lange auf Bratwurst mit Senf. 1937 nahm die heute noch existierende Firma Zeisner in Bremen die Produktion des ersten deutschen Ketchups auf.

Fast Food und Lebensmittelindustrie haben nicht nur die Karriere der Soße vorangetrieben. Sie haben gleichzeitig ihrem Image geschadet. Hinzu kam der industrialisierte Herstellungsprozess. Seit den 1950er Jahren wird Ketchup kaum noch aus vollreifen Tomaten gemacht, sondern aus Konzentrat oder eingeweckten Früchten. Das muss nicht schlecht sein, trotzdem, was tun, wenn man der Tunke aus der Flasche misstraut?

Michael Kempfs Ketchup-Rezept

Ketchup kann man leicht selbst zubereiten. Michael Kempf tut das aktuell beim Wollschweinnacken, den bestreicht er mit dem eigenen Barbecueketchup. Dafür schwitzt er Schalotten und Knoblauchzehen in Olivenöl glasig an und löscht mit passierten Tomaten ab, verfeinert das Ganze mit Pfeffer, Paprika, einer Prise Chili und geräuchertem Meersalz.

Separat karamellisiert er braunen Zucker und löscht mit weißem Balsamicoessig ab, die Lösung kommt dazu. Dann auf kleinster Flamme fünf, sechs Stunden köcheln lassen, je länger, desto besser. Zwischendurch regelmäßig rühren, am Ende durch ein Sieb passieren und in Gläser abfüllen. Deckel drauf, ein tiefes Backblech mit einer Zeitung auslegen und zwei Finger hoch mit heißem Wasser füllen, Gläser draufstellen und bei 100 Grad 30 Minuten lang sterilisieren. Danach hält der Ketchup etwa ein halbes Jahr.

Wem das zu mühsam ist: Auch im Handel gibt es jede Menge Ketchup, der mit der Sorgfalt bei der Auswahl seiner Zutaten wirbt. Der jüngste Anbieter kommt aus Berlin-Weißensee, dort macht Jan Daniel Fritz seit einem knappen Jahr seinen „Kiez-Ketchup“. Die Firma hat ihren Sitz in einer ehemaligen Patisserie.

Agavendicksaft statt Zucker

Eigentlich kommt Fritz vom Film. Aber nach 16 Jahren hatte der 48-Jährige davon genug. Und weil Soßemachen schon immer sein Hobby war, investierte er 400 000 Euro in einen mannshohen Homogenisator, in dem die kleine Firma rund 30 Soßen herstellt. Nacheinander selbstverständlich.

Der Ketchup war ursprünglich eine reine Auftragsarbeit für das Hotel Adlon, inzwischen gehört er zu den Bestsellern der kleinen Firma. Worauf aber kommt es Fritz bei seinem Ketchup an? Er verwendet Tomatenmark und passierte Tomaten aus biologischem Anbau. Den seiner Meinung nach wichtigen Unterschied machen die weiteren Zutaten: auf keinen Fall Branntweinessig, der habe in den Spitzen zu viel Säure und würde die Fruchtnote übertönen. Er nimmt nur weißen Balsamico. Das Fundament liefert ihm die Gemüsebrühe, das Produkt ist auch für Veganer geeignet. Wichtig ist das Salz, er nimmt Steinsalz, und die Süße, statt Zucker verwendet er für den Kiez-Ketchup Agavendicksaft.

Ob sein Produkt nun gut zu Gegrilltem passt, das müssen am Ende andere entscheiden. Fritz isst kaum Fleisch. Immerhin, im Mai hat er 500 Kilo verkauft, das entspricht etwa 2000 Flaschen. Und da hatte die Grillsaison noch nicht den Höhepunkt erreicht.

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