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Lena Dunham, Erfinderin der TV-Serie "Girls"

© picture alliance / empics

"Girls"-Erfinderin Lena Dunham: „Mein Handy ist voller Fotos von Pusteln“

Lena Dunham will endlich eine Frau als Chefin im Weißen Haus sehen. Warum die Autorin und Erfinderin der TV-Serie "Girls" Steffi Graf toll findet und im neuen Jahr weniger kreischen möchte.

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Miss Dunham, kürzlich haben Sie getwittert: „Ich bin eine erwachsene Frau, die beruflich viel über Sex schreibt. Trotzdem bin ich geschockt, wenn Adam Levine darüber singt, in jemandem drin zu sein.“ Sie haben ein Lied seiner Band Maroon 5 im Radio gehört ...

... und ich dachte: Das kann doch nicht möglich sein, hat er das eben gesungen?

Er wurde 2013 zum „Sexiest Man Alive“ gekürt.

Dennoch ist so eine Zeile peinlich. Stellen Sie sich elfjährige Mädchen vor, die seine Popsongs im Radio hören und auf der Straße trällern, wie es ist, in jemandem drin zu sein. Erinnert mich an meine Kindheit, als ich „Like a Virgin“ von Madonna hörte. Ich hatte keine Ahnung, was eine Jungfrau ist, ich dachte, sie singt „Like a Version“, als wenn sie über eine andere Version von sich selbst sänge.

Wer hat Sie aufgeklärt?

Meine Mutter hat sich totgelacht und mir erklärt, was es bedeutet, eine Jungfrau zu sein. Ich habe nur gedacht: Igitt! So geht es mir mit Adam Levine heute. Als kleines Mädchen hätte ich mich gefragt: Was, der Typ kriecht in ihren Bauch rein, er isst sie von innen auf, warum tut er das?

Niemand regt sich darüber auf, wenn ein Mann über Intimes redet, aber als Sie dasselbe in Ihrem Buch „Not That Kind of Girl“ taten, einer Mischung aus Autobiografie und Ratgeber, da unterstellten manche Kritiker Ihnen ein zu großes Mitteilungsbedürfnis.

Geschichten von Frauen gelten als trivialer als die von Männern. Die erzählen tapfere Kriegsgeschichten, während Frauen vom albernen Haushalt sprechen. Leider ist diese Meinung Konsens: dass Frauengeschichten eine Nabelschau sind und die von Männern ein Schlaglicht auf unsere Existenz werfen.

Hat der Feminismus denn gar nichts erreicht?

Feminismus war einmal ein eng gesteckter Begriff von einer bestimmten Gruppe von Frauen, die eine Idee teilten, einen politischen Glauben. Heute geht es nicht allein darum, dass Frauen das Recht haben, zwischen Optionen wählen zu können oder gleiche Bezahlung fordern zu dürfen, sondern dass sie auf allen Ebenen gleichgestellt werden. Es gibt liberalen und konservativen Feminismus, er hat nicht mehr nur ein einziges Gesicht. Das finde ich spannend.

Regt sich eine moderne Feministin auf, wenn Mädchen sich für Männer Schamhaare rasieren?

Ich will meine politischen Überzeugungen nicht auf private Bereiche anderer Menschen ausdehnen. Ich finde, Frauen sollten wirklichkeitsnahe Bilder von sich in Medien sehen. Nicht diese perfekt gebräunten und gebauten Frauen in Größe null. Ob Mädchen Beine rasieren, Tattoos haben oder Haare abschneiden möchten, ist mir egal. Hauptsache, sie fühlen sich in ihrem Körper wohl.

Seit Ihrer Fernsehserie über vier junge New Yorkerinnen gelten Sie als Vorbild für viele Frauen. „Girls“ haben Sie geschrieben, Sie spielen die Hauptrolle und führen Regie. Lastet nun ein höherer Druck auf Ihnen, sich für die Öffentlichkeit zu optimieren?

Im Sinne dieser Besessenheit, sich ständig selbst zu verbessern? Nein, ich will mehr schlafen, weniger krank werden, aber ich warte nicht darauf, bis ich einen perfekten Sportstudiokörper habe. Das hat mich nie interessiert. Mein Hund soll was zu fressen haben, das treibt mich an.

Und Sie wollen weniger Missgeschicke erleben als Ihre Heldin Hannah Horvath. Die klemmt sich zum Beispiel ihr Kleid im losfahrenden Taxi ein und steht nackt auf der Straße. Vor kurzem haben Sie auf Ihrer Buchtournee Ihr Handy verloren …

... ein gottverdammtes Desaster. Ich hatte ohnehin schon eine Blinddarmentzündung, meine Schwester und ich saßen auf dem Flughafen Heathrow, wir begannen zu streiten, wessen Tasse Tee das auf dem Tisch ist, und in der Hitze des Gefechts habe ich mein Telefon liegen lassen. Wenn man krank im Ausland ist, Interviews gibt und Hollywood gerade von einem Nacktfoto-Skandal erschüttert wird, weil irgendjemand die Handys von Prominenten gehackt hat, ist es nicht die beste Zeit, sein Telefon zu verlieren.

"Frauen werden mit viel mehr Schuldgefühl geboren"

Lena Dunham, Erfinderin der TV-Serie "Girls"
Lena Dunham, Erfinderin der TV-Serie "Girls"

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Hatten Sie viele Nacktfotos auf dem Handy?

Nein, viel peinlichere Sachen: Bilder von Ausschlägen. Zum Glück ist das Handy passwortgeschützt. Jeder sagte mir ständig: „Toll, jetzt bist du von allen abgeschnitten, das ist so erholsam.“ Ja, aber ich war nicht auf Hawaii im Urlaub, sondern bin durch Europa gereist und habe gearbeitet.

Fotos von Hautausschlägen?

Damit ich die meinem Arzt schicken kann. Da ich ständig reise, schaffe ich es nie in seine Praxis. Mein Handy ist voller Bilder von Pusteln und blauen Flecken, es ist eine einzige Patientenakte.

Ein Tag ohne Telefon – ein Super-Gau.

Ich versuche, mein Handy nicht alle paar Minuten zu checken, obwohl es gerade direkt vor mir liegt. Es zu verlieren, fühlte sich an, als würde ich die Verbindung zur Welt kappen. Ich stehe täglich mit mindestens 35 Menschen in SMS-Kontakt. Was sollten die denken: dass ich sauer bin oder vielleicht tot?

Dabei waren Sie ein Laster los: Sie sind nach eigener Aussage die schlechteste Verfasserin von SMS.

Es ist viel besser geworden! Als ich Single war, habe ich viele Flirt-SMS verschickt. Meinen Freund muss ich nicht mehr auf diese Weise beeindrucken, die meisten Nachrichten sind jetzt Unterhaltungen zwischen meinem Vater und mir.

Ihre schlimmste SMS?

Meine Freundin hat mir eine Nachricht geschrieben, und ich antwortete ihr: wirklich, ihm einen runtergeholt? Tja, und das habe ich meinem Lektor geschickt, einem 45-jährigen Mann. Seine Antwort war: Was? Ach Gott, ich antworte ständig der falschen Person. Meine größte Angst ist, dass ich, wenn ich böse über jemanden rede, diese Nachricht genau dieser Person schicke. Deshalb lösche ich auch immer meinen gesamten SMS-Verlauf.

Ihr Neujahrsvorsatz: keine Textnachricht mehr!

Könnte einer sein. Ich fasse nur keine Vorsätze, weil ich sie breche und mich dann mies fühle. Lieber setze ich mir Ziele, die ich erreichen möchte.

Was sind Ihre Ziele für 2015?

Mehr schlafen, ich brauche acht Stunden, aber ich bekomme meist nur fünf oder sechs. Ich wäre als Mensch wahrscheinlich um 30 Prozent besser, wenn ich mehr schlafen würde. Ein bestimmtes Drehbuch will ich fertig schreiben, meine Vitamintabletten regelmäßig einnehmen und mein Haus in Brooklyn fertig einrichten. Wir schaffen es einfach nicht, die Lampen zu installieren. Momentan leben wir vom Licht zweier Stehleuchten.

Auf Twitter haben Sie noch einen Neujahrsvorsatz verkündet: fleischiger Körper, muskulöse Waden.

Da hatte ich diese engen Jeans an, in denen sahen meine Waden fantastisch aus. Ich dachte, egal, wie der Rest meines Körpers ist, ich will einfach schöne Waden, die aus meinem Stiefel herausragen. Das würde meine Körperträume erfüllen.

Für manchen Tweet oder manche SMS entschuldigen Sie sich sofort danach. Typisch Frau?

Frauen werden mit viel mehr Schuldgefühl und Scham geboren als Männer. Daher glauben sie schneller, dass sie an etwas Schuld haben. Ich muss lernen, mich seltener zu entschuldigen. Ich bin ein Mensch, der angefahren wird und anschließend sagt: Oh, tut mir so leid, dass ich Ihnen im Weg stand! Jemanden dazu zu zwingen, sich zu entschuldigen, ist eine Art, ihn zu kontrollieren.

In den USA sagt jeder ständig „I’m sorry“.

Viele Frauen, die ich kenne, sagen das sogar, wenn sie sauer sind. Ich habe mich schon entschuldigt, weil ich am Tag zuvor schwierig war, meinte aber eigentlich: Die andere Person war schwierig. Es ist kein bewusster Vorgang, mir fällt es nur schwer, mir meine Wut einzugestehen, und deshalb wird sie in eine Entschuldigung umgewandelt.

Warum machen Männer das nicht?

Sie dürfen sich durch die Welt bewegen mit dem Gefühl, dass sie das Recht haben, da zu sein, nach allem zu fragen und sich alles zu nehmen.

Ändert sich das nicht? Es gibt in Deutschland derzeit eine Debatte darüber, dass Männer unsicherer gegenüber erfolgreichen Frauen werden.

Es löst viele Komplexe bei ihnen aus, dass Frauen sie in bestimmten Branchen verdrängen. Nicht alle Männer können damit umgehen, wenn Frauen nicht auf dem Rücksitz Platz nehmen, damit der Mann Karriere machen kann. Wir sind dazu erzogen, zurückzustecken, sie sind selten dafür vorbereitet. Es gab bei uns in Amerika noch nie einen First Man, der als Gatte ins Weiße Haus einzieht, nur eine First Lady – das finde ich repräsentativ für die Geschlechterdynamik.

In Deutschland haben wir einen First Man.

Angela Merkels Mann? Was macht er mit seiner Zeit?

Er ist ein Chemieprofessor.

Ich glaube, in den USA kommt der Mann von Oprah Winfrey ihm am nächsten.

Von ihm hat man auch nie gehört. Was macht er?

Stedman Graham, ich glaube, er ist Anwalt. Ah, Moment, das Internet sagt: Autor, Unternehmer, Redner und Freund von Oprah Winfrey.

"Da fühle ich mich wie ein verwöhntes Gör"

Lena Dunham, Erfinderin der TV-Serie "Girls"
Lena Dunham, Erfinderin der TV-Serie "Girls"

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Kein Lichträuber, wie Sie in Ihrem Buch „Not That Kind of Girl“ manche Machtmänner nennen ...

... ganz im Gegenteil, er lässt sie erstrahlen. Lichträuber, das sind Typen, die am Arbeitsplatz junge Frauen, von denen sie sich herausgefordert fühlen, kontrollieren möchten. Ich habe das erlebt, eine recht unangenehme Situation – weil es Männer waren, die ich für ihre Arbeit in Hollywood bewundert habe. Natürlich fühlte ich mich zu ihnen hingezogen, ich wollte mich mit ihnen austauschen, aber das war gar nicht gesund.

Verraten Sie uns einen Namen?

Ganz sicher nicht. Im Buch geht es mir nicht darum, jemanden bloßzustellen. Die Welt wird kein besserer Ort, wenn ich mit dem Zeigefinger auf eine bestimmte Person zeige.

Wird sie für Sie besser, wenn das Wort „Girl Crush“ – eine Schwärmerei unter Frauen – verschwindet?

Absolut. Eine Freundin hat mich darauf aufmerksam gemacht. Warum können wir nicht einfach für jemanden schwärmen? Der Begriff impliziert sofort, dass man sagen will: Aber ich bin nicht lesbisch! Ehrlich, ist doch egal. Wir schwärmen alle für andere Menschen, das gehört zum Leben dazu.

Für wen schwärmen Sie gerade?

Kerry Washington!

Die Hauptdarstellerin der TV-Serie „Scandal“ und Schauspielerin in Tarantinos „Django Unchained“ ...

Ihr Look, ihre Interviews, toll, toll, sie ist alles, was ich nie sein könnte: nämlich ruhig und überlegt. Selbst im achten Monat ihrer Schwangerschaft geht sie auf Preisverleihungen und sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Ihr Make-up perfekt, ihre Kleidung makellos. Ich habe sie einmal getroffen und ihr gesagt, wie großartig ich sie finde.

Wie hat sie reagiert?

Thank you. Sie war sehr höflich und freundlich. Ich bin ein Mensch, der sofort vor Aufregung losschreit, wenn er eine Berühmtheit sieht, sie ist das völlige Gegenteil. Viel reifer als ich.

Ein Charakterzug, den Sie gern hätten?

Auf einer Website wurden Bilder zusammengestellt, auf denen zu sehen ist, wie ich gucke, wenn ich Prominente treffe. Mein Mund steht offen, meine Augen fallen förmlich heraus, es ist so peinlich. Wäre doch schön, ich würde auf eine Filmparty gehen und nicht aufkreischen, weil da tatsächlich Stars auftauchen.

Männer beneiden andere Männer um Objekte, Frauen andere Frauen darum, wer sie sind. Der Satz stammt von Ihnen. Auf wen sind Sie neidisch?

Kerry Washington natürlich. Oder auf Hillary Clinton. Wie sie Krisen bewältigt, nach Afrika fliegt, mit Diplomaten verhandelt, nach Hause zurückkehrt und Kritik wegsteckt. Da fühle ich mich wie ein verwöhntes Gör mit meinen Problemen: Oh, jemand war böse zu mir im Internet. Diese extreme Hingabe an eine Sache bewundere ich.

Könnte sie demnächst den ersten First Man ins Weiße Haus bringen?

Das ist meine Hoffnung. Wenn sie für das Amt des Präsidenten kandidiert, werde ich für sie kämpfen.

Sie würden ihre Kampagne unterstützen.

Oh ja, ich würde ihr auf einem kleinen Fahrrad nachfahren und auf meine kleine Hupe drücken. Niemand ist derzeit so qualifiziert wie diese Frau.

Reden wir über andere Frauen, die Sie bewundern: Ihre Mutter – die New Yorker Künstlerin Laurie Simmons. Im Buch geben Sie ihre Lebensweisheiten weiter, eine davon: „Luxus ist schön, aber Kreativität ist schöner.“

Sie ist smart, stylish, schafft ihre eigene Ästhetik. Zum Beispiel zieht sie einen Anzug an, dazu mit Schmuck besetzte Sandalen, und wirft sich einen indischen Schal über. Alles in zehn Minuten, während ich sechs Stunden vor meinem Schrank stehe und überlege, was ich anziehen soll.

Dann wäre da noch Steffi Graf.

Ich lieeebe sie! Mist, ich habe mir ja vorgenommen, nicht so zu kreischen, also etwas ruhiger: Ich finde Steffi Graf gut. Sie hat es geschafft, Andre Agassi zu zähmen – und ihr Tennisspiel war bad-ass.

Knallhart. Das sagen Sie aus Erfahrung?

Ja, ich habe als Kind versucht, Tennis zu spielen. Es lief gar nicht gut. Mein Vater und meine Schwester spielen gut, ich habe leider überhaupt keine Hand-Auge-Koordination ...

... also keine Koordination von visuellen Wahrnehmungen und Ihren Bewegungen ...

... und ich war zehn und schaffte es nie, den Ball auch nur zu treffen. Es war hoffnungslos.

Wie finden Sie Michelle Obama?

I love her. Sie ist die schönste Frau der Welt.

Noch vor Kerry Washington?

Oh Gott, ich muss mich entscheiden! Da bin ich schlecht drin. An Michelle Obama finde ich gut, dass sie als First Lady Dinge vorantreibt, an die sie glaubt. Ich halte sie für eine gute Mutter, ich finde super, dass sie zu Jimmy Fallon in die Talkshow geht, tanzt und Witze erzählt.

Wir fragen, weil Sie 2012 die Obama-Kampagne unterstützt haben. Nach zwei Jahren in seiner zweiten Amtszeit – sind Sie begeistert oder enttäuscht?

Schwer, über das, was in der Politik passiert, begeistert zu sein.Ich denke, er macht seine Arbeit richtig. Ich stehe zu meiner Stimme. I stand by my man.

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