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Was darf's denn sein? Als kleines Mädchen spielte auch unsere Autorin leidenschaftlich gern Verkäuferin.

© imago/Westend61

Die Geschenkkolumne: Hinter der Theke kam ich mir so groß vor

Das Shoppen habe ich als Kleinkind gelernt, das An-den-Mann-und-die-Frau-bringen ebenfalls: im Kaufladen. Den hab’ ich innig geliebt.

Wenn Sie einen Laden sehen, auf dem „Geschenke“ steht – take your money and run! Dort werden Sie nämlich nur Unnützes finden, Stehrumchen aller Art oder Duftkerzen, die eigentlich Stinkekerzen heißen müssten. Im Englischen nennt man solche Orte „Gift shops“. Freudebringende Präsente kann man in jedem Geschäft erstehen. Ja, auch im Supermarkt. Man muss nur das Besondere im Gewöhnlichen entdecken.

Da kenne ich mich aus. Das Shoppen habe ich als Kleinkind gelernt, das An-den-Mann-und-die-Frau-bringen ebenfalls: im Kaufladen. Den hab’ ich innig geliebt. Und wenn gerade niemand zum Spielen da war, habe ich einfach die Seiten der Theke gewechselt und mit mir selbst gesprochen, das aber sehr angeregt. Wobei der Part des Händlers eindeutig der reizvollere war, da konnte man Schubläden öffnen, Silberlinge abwiegen, in spitze Tüten füllen und kassieren.

Ich kam mir so groß vor. Statt in die Hocke zu gehen, wie bei der Puppenstube, stand ich hier aufrecht als Bestimmer an der klingelnden Kasse. Alles wirkte so lebensecht, selbst, wenn es Spielgeld war, das ich zählte, und die Schächtelchen alle nur Puffreis enthielten. Komisch, dass man als Kind so gern erwachsen spielt und mit Wonne das tut, was die Großen machen müssen: Patienten verarzten, Schüler unterrichten, Kunden bedienen – Machtverhältnisse austesten.

Karo-Zigaretten im Regal

Jaja, der Kapitalismus, werden Sie denken, da werden schon die Kleinen zum Konsum angetrieben. Falsch gedacht. Im Sozialismus haben die Kurzen nämlich das Gleiche gespielt. Neulich habe ich den Reprint einer Packung Ost-Kaufladen-Waren in meiner Geschenkkiste gefunden: „Für den kleinen Kaufmann“. Sogar Markenbewusstsein wurde da gepflegt. Statt Nutella und Bonduelle Erbsen und Möhren gab’s halt Ata und Kathi-Tortenmehl in Schächtelchen. Als die Mauer fiel, habe ich mir als Erstes Ata-Packungen und Karo-Zigaretten gekauft, nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Verpackungen, die mich so an meine Kaufladenkindheit erinnerten. Scheuermittel und Rauchwaren habe ich mir dann ins Regal gestellt.

Der Kaufladen war ein Saisongeschäft. Zu ahnen, dass er im Advent wieder aus dem Keller geholt und abgestaubt würde, um frisch gefüllt unter dem Tannenbaum zu stehen, hat die Vorfreude auf Weihnachten noch gesteigert. Irgendwann wurde er wieder uninteressant. Spätestens, wenn man seinen ganzen Warenvorrat selbst aufgegessen hatte.

In Zeiten von Discountern und Onlinehandel hat es der stationäre Kaufladen heute schwer. Die Kinder einer Kollegin spielen, wenn, dann eher Apotheke. Vielleicht weil man dort wirklich noch von jemandem hinter der Theke bedient wird.

Es geht doch ums Teilen

Der Ort, an dem ich mich wie im Kaufladen fühle – persönliche Bedienung, familiäre Atmosphäre –, wo ich die Zeit vergessen kann, wie nur als Kind, und beim Stöbern die besten Geschenke finde, ist die kleine Buchhandlung. Kein Wunder, dass diese literarischen Tante-Emma-Läden, trotz Umsatzrückgangs, eine Renaissance erleben und selber zum Thema erfolgreicher Bücher werden. Im schottischen Wigtown kann man dort sogar Urlaub machen und selbst bedienen. Läuft über Airbnb – auf Jahre ausgebucht.

Also los. Heiligabend haben Sie noch eine Chance, sinnvolle, persönliche, weder duftende noch stinkende Last-Minute-Präsente zu erstehen. Allerdings müssen Sie schon richtige, gedruckte Bücher kaufen. Einen elektronischen Roman, von dem man begeistert war, kann man hinterher niemandem ausleihen. Und darum geht’s doch beim Schenken und Beschenktwerden: ums Teilen.

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