zum Hauptinhalt
In Brandenburg gab es allein 2018 elf Großbrände – wie heir nahe Fichtenwalde

© Sebastian Gabsch/ PNN

Feuergefahr in den Wäldern: "Wehe, wir müssen dem Brand hinterherlaufen"

In Deutschlands Wäldern brennt es immer öfter. Wo ist die Gefahr besonders groß? Ist die Feuerwehr ausreichend vorbereitet? Fragen und Antworten zu Waldbränden.

Es war am Ostermontag mitten in der Nacht, als der Pieper die Einsatzkräfte aus den Betten holte. Kurz nach 3 Uhr war der Brand in einem Waldstück im Norden Berlins entdeckt worden. Die Feuerwehr war schnell vor Ort. Knapp hundert Einsatzkräfte brachten den Brand auf zwei Hektar zum Morgen unter Kontrolle. Am Mittag war er gelöscht. Der Grund für den Ausbruch war zunächst unklar.

Das Feuer im Landkreis Oberhavel war trotz abgesagter Osterfeuer nicht das erste in der Osterwoche – und wird wohl nicht das letzte gewesen sein. Brandenburg gilt als das am stärksten durch Waldbrand gefährdete Bundesland. Allein 2018 brannte es in den hiesigen Wäldern 512 Mal, das ist so oft, wie in den anderen Bundesländern zusammen. Allein das Feuer bei Treuenbrietzen südlich von Potsdam zerstörte im August rund 400 Hektar Wald. Der Deutsche Wetterdienst warnt schon seit einiger Zeit, dass sich Ereignisse wie diese künftig häufen könnten. Schon jetzt zeigen die entsprechenden Gefahrenindizes für große Teile des Nordostens und auch Süddeutschland die höchste oder zweithöchste Gefahrenstufe.

Warum ist die Waldbrandgefahr jetzt schon im Frühjahr so groß?

Die Rekorddürre aus dem vergangenen Jahr macht der Natur noch immer zu schaffen. Zehn von zwölf Monaten lag die Niederschlagsmenge teils deutlich unter dem Soll. Diese Reserven im Boden konnten bis jetzt nicht wieder aufgefüllt werden. In tieferen Bodenschichten gibt es fast kein Wasser mehr. Selbst vereinzelte Schauer und Gewitter regional in den nächsten Tagen werden an diesem Zustand erst einmal nichts ändern. Darunter leiden die Landwirte, weil Getreide und Grünpflanzen nicht wachsen und Schädlinge sich rascher vermehren. Es steigt aber eben auch das Risiko von Wald- und Grasflächenbränden.

Drohen uns nun Großbrände, wie wir sie in Europa aus Portugal oder Griechenland und zuletzt Schweden kennen?

Nein, auch wenn es in Zukunft wohl mehr Großbrände geben wird. Im Gegensatz zu den schon angesprochenen und anderen Weltregionen, etwa Nordamerika, hat Deutschland in der Infrastruktur einige Vorteile, die vor verheerenden Bränden schützen, sagt Karl-Heinz Knorr, der Vize-Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV). Die zusammenhängenden Waldgebiete sind hier vergleichsweise klein. Brände können sich durch Autobahnen und Waldwege nur begrenzt ausbreiten. In der Regel sind es nur wenige Kilometer bis zur nächsten Siedlung – und die Orte sind nicht selten über vierspurige Straßen erreichbar.

Auch die Bewirtschaftung der Wälder ist in Deutschland vergleichsweise intensiv. Das Netz von Wald- und Forstwegen ist sehr ausgeprägt, was Feuer leicht zugänglich macht. Wanderer sind überall unterwegs und merken, wenn irgendwo ein Glutnest glimmt. In Kalifornien oder Kanada, „wo Wald noch Wildnis ist“, dauere es teils Stunden, bis jemand die Rauchsäule sichtet – und dann ist es oft schon zu spät. „Dann geht es nur noch um Schadensbegrenzung, dass es sich nicht noch weiter ausbreitet“, sagt Knorr. In Deutschland sei das zum Glück anders. „Wir können Brände meistens aktiv bekämpfen und wirklich löschen.“

 Ein Feuerwehrmann bekämpft 2018 einen Waldbrand bei Beelitz.
Ein Feuerwehrmann bekämpft 2018 einen Waldbrand bei Beelitz.

© dpa

Gibt es regionale Unterschiede – und wenn ja, welche?

In Stadtparks werden Brände schnell entdeckt. Oft gibt es auch Teiche, um Wasser zu schöpfen. Größer ist die Gefahr auf dem Land – am größten in den neuen Bundesländern, und allen voran Brandenburg. Das liegt einerseits an der Fläche der Waldgebiete. Aber auch dem Waldbestand selbst. Junge Nadelbäume brennen schneller als alte Buchen oder Eichen. Kiefern sind leicht entzündbar, ätherische Öle in den Nadeln dienen zusätzlich als Brandbeschleuniger. Laubbäume dagegen tragen mehr Wasser und sind deshalb weniger anfällig.

Wie gut ist die Feuerwehr auf den Ernstfall vorbereitet?

„Deutschland verfügt über ein Netz von Feuerwehren, um das uns Länder weltweit beneiden“, sagt Karl-Heinz Knorr. Über 30000 Standorte fasst das Geflecht von Freiwilligen und Berufsfeuerwehr bundesweit. Trotz demographischen Wandel und damit altersbedingter Ausdünnung, gibt es immer noch fast eine Million Feuerwehrleute in Deutschland. „In vielen Dörfern haben Sie heute keine Telefonzelle mehr, aber eine freiwillige Feuerwehr.“ Damit ist zumindest der erste Zugriff aufs Feuer in der Regel binnen kürzester Zeit gewährleistet.

Und wie steht es um die Ausrüstung?

Feuerwehren in Deutschland sind ideal für Gebäudebrand ausgestattet – für einen Brand im freien Gelände dagegen kaum. „Wir sind vor Stichflammen fantastisch geschützt. Aber wehe, wir müssen dem Brand hinterherlaufen“, sagt Karl-Heinz Knorr. Leichtere Kleidung sei durchweg nicht vorhanden. Auch die Tanklöschfahrzeuge seien oft zu schwer und nicht geländetauglich. Beim Großbrand nahe Potsdam im Sommer 2018 löschten die Feuerwehrleute zum Teil oberkörperfrei – oder kollabierten in der schweren Montur nach Stunden in der Sonne.

Totholz erschwert vielerorts die Löscharbeiten. Wie hier in der Nähe von Groß Kreutz (Kreis Potsdam-Mittelmark)
Totholz erschwert vielerorts die Löscharbeiten. Wie hier in der Nähe von Groß Kreutz (Kreis Potsdam-Mittelmark)

© dpa

Was ist mit Löschflugzeugen?

Die gibt es in Deutschland nicht – braucht es aber auch nicht. „Dass wir die nicht haben, ist kein Makel“, sagt Karl-Heinz Knorr. Deutschland ist zwar zu einem Drittel mit Wald bedeckt. Auch hier kann es zu Großbränden kommen, wie vergangenes Jahr in Treuenbrietzen. Aber die potenziell betroffenen Flächen sind begrenzt und in der Regel gut zugänglich. Hilfe aus der Luft braucht es nur an den Alpenhängen oder Mittelgebirgen, wo mit Löschfahrzeugen kein Rankommen ist. Es bräuchte hier aber eher Hubschrauber als Flugzeuge, sagt Knorr. Die leiht sich die Feuerwehr von Polizei und Bundeswehr. Doch auch die seien nur mangelhaft ausgestattet. Für Feuerflüge taugt nur ein bestimmter Hubschrauber-Typ der Luftwaffe. „Sie müssen für den Wasserabwurf 5000-Liter-Behälter tragen können. Das kann nur der CH-53, und von denen haben wir zu wenige.“

Woran fehlt es noch?

Am vorbeugenden Brandschutz. Eigentlich müsste regelmäßig das Totholz aus den Wäldern entfernt werden. Es bietet dem Feuer sonst die beste Nahrung. Und erschwert, wenn es als Sturmschaden großzügig verteilt auf den Wegen liegt, den Einsatzkräften auch den Zugang. Gerade jetzt in der Dürre sollten auch die Wege gewässert werden, um im Ernstfall eine natürliche Barriere stellen zu können. Auch Waldbrandkarten bräuchte es viel mehr, um im Einsatzfall die Lage richtig beurteilen und dann effektiv handeln zu können. „Und Mischwälder statt Monokultur“, sagt Knorr. Die Umforstung wäre wünschenswert – ist aber eine Frage von Jahrzehnten.

Auch die Eigentumsverhältnisse machen das Handeln schwierig. Etwa die Hälfte des deutschen Walds verteilt sich auf zwei Millionen Waldbesitzer. Der Rest gehört dem Staat oder Körperschaften. Umso wichtiger ist es, Warnsysteme auszubauen und zu erneuern – so wie das gerade in Brandenburg für mehr als vier Millionen Euro passiert.

Hubschrauber für die Brandbekämpfung aus der Luft gibt es in Deutschland zu wenige
Hubschrauber für die Brandbekämpfung aus der Luft gibt es in Deutschland zu wenige

© dpa

Was muss noch besser werden?

Die Ausbildung der Feuerwehrleute muss sich an die neue Gefahrenlage anpassen. „Wald- und Flächenbrandbekämpfung ist bislang kaum vorgesehen“, sagt Knorr. Ein Feuer auf freier Fläche unter Kontrolle zu bringen und zu ersticken, fordert andere taktische Überlegungen als ein brennendes Auto oder Gebäude. „Den Windeinfluss muss man kalkulieren.“

Knorr fordert für den Brandschutz ein nationales Konzept. Er würde sich auch eine Spezialbrandeinheit für den Bund wünschen. „Ein Trupp von Männern, der für solche Fälle geschult ist und bundesweit Bereitschaft hat.“ Der Katastrophenschutz ist eigentlich Sache der Länder. Nur das Frühwarnsystem „FireWatch“ mit Kameras zur Risikogebietsüberwachung wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt.

Was kann ich als Privatperson zum Waldschutz beitragen?

Über die Hälfte aller Brände wird nach Angaben des Umweltbundesamtes vorsätzlich (30,4 Prozent) oder fahrlässig (21,9 Prozent) verursacht. Auf trockenen Getreidefeldern und Wäldern reichen zurzeit schon kleine Brandherde, um große Feuer zu entzünden. Spaziergänger sollten daher in Wetterlagen wie der aktuell nicht mit offenem Feuer hantieren, im Wald rauchen oder ihre Autos auf vertrocknetem Gras parken. Auch eine achtlos weggeworfene Glasflasche oder eine Scherbe derselben kann verheerend wirken. Ebenso wie der Funkenflug beim Grillen am Waldrand oder ein Zigarettenstummel, der arglos ins Grün geschnippt wird. Sollte dergleichen doch passieren oder beobachtet werden, und es zum Brand kommen, bleibt nach erfolglosem Löschversuch nur noch eins: die 112 wählen.

Zur Startseite