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Bitte Platz nehmen. Im Fläming ging es auch an Himmelfahrt eher geruhsam zu.

© Austilat

Ferien vom Homeoffice: In Brandenburgs Provence

Unser Autor plante einen Urlaub in Südfrankreich. Dann kam Corona und er musste sich neu orientieren.

Von Andreas Austilat

Wir waren verreist. Was ja heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Immerhin ist es noch nicht lange her, da musste man schon gute Gründe nennen können, wenn man sich außerhalb der eigenen vier Wände aufhielt.

Der Urlaub war von langer Hand geplant. Südfrankreich sollte es werden. Mit dem Wohnmobil. Wir hatten auch Apulien ins Auge gefasst. Es wurde weder das eine noch das andere. Als vor Monaten der Brenner geschlossen wurde, ahnte ich schon, das könnte schwierig werden. Ende Februar sagte ich zu meiner Frau: Gut, dass wir uns für Frankreich und gegen Italien entschieden haben.

Auch die Ostsee wurde Sperrgebiet

Anfang März fragte ich: „Wie denkst du über die Ostsee?“ Ein paar Tage später wurde die für uns ebenfalls zum Sperrgebiet erklärt.

So gingen wir nach sieben Wochen Homeoffice direkt in drei Wochen Homeferien, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Die erste Woche war noch ganz okay, es gab einiges zu tun. In der zweiten fing unser Home an, mir extrem aufs Gemüt zu schlagen. Ich besuchte hin und wieder unser eingemottetes Wohnmobil, streichelte die Sitze und dachte schon daran, wir könnten doch hier – der Wagen parkt auf einem Gewerbehof – einfach mal eine Nacht darin schlafen. Bei geschlossenen Rollos sieht man doch sowieso nicht, wo man ist.

Dann öffnete Niedersachsen seine Stellplätze für Wohnmobile.

Alle fahren nach Niedersachsen

Am nächsten Tag rief ich einen Ort in Elbnähe an. Ich brauchte eine halbe Stunde, bis ich endlich durchkam und eine Frau am Apparat hatte, die klang, als hätte sie gerade eine Menge durchgemacht. Als ich fragte, ob sie noch einen Platz übrig hätte, lachte sie hysterisch und rief: „Alle, sie kommen alle, die ganze Republik.“ Ich stellte mir eine endlose Karawane vor, die sich gerade der Elbe näherte und legte auf.

Am nächsten Tag verkündete Brandenburg, die Campingplätze würden jetzt für Wohnmobile geöffnet, die einen eigenen Sanitärraum haben. Das war das ersehnte Signal zum Aufbruch.

Badeseen sollte man meiden

Wir fuhren in den Fläming, eine Stunde von Berlin entfernt. Im Spreewald etwa, das wusste ich aus normalen Jahren, findet man an Tagen wie Himmelfahrt keinen freien Platz. Badeseen sind auch sehr begehrt und an den Rändern entsprechend voll. Wo wir hinfuhren, gibt es keine Seen. Dafür gibt es eine richtige Ritterburg, Rabenstein, die auf einem Hügel thront. Ein wenig wie im Katharer-Land, derzeit unerreichbar in Südfrankreich.

Wir fanden ganz in der Nähe einen kleinen Campingplatz am Rand eines von Bäumen begrenzten Feldes. Der Platz war seltsamerweise leer, der Wirt über alle Maßen hilfsbereit. An manchen Tagen, wenn der Wind ungünstig stand, hörte man von irgendwo ein Rauschen. Es ist die A 9, man sieht sie nicht, mit ein bisschen gutem Willen geht das als ferne Brandung durch. Im Dorf gibt es eine jahrhundertealte Gaststätte. Der von vier Seiten geschützte Innenhof mit seinem Kopfsteinpflaster ist groß genug, dass das Einhalten von Mindestabständen kein Problem ist. Es gab Spargel.

Brandenburgische Zypressen

Wir fuhren mit den Rädern an Hügeln vorbei und durch Felder, an deren Ende schlanke Pappeln aufragten, als wären es toskanische Zypressen. Wir wanderten durch ein Bachtal und abends hörten wir Grillen zirpen.

Bei einer Flasche Weißwein aus der Gascogne überschlug ich rasch im Kopf die Ersparnis an Benzin und Autobahngebühren und war wieder ein wenig mit mir im Reinen.

Frankreich, à bientôt, wir sehen uns bald wieder, ganz bestimmt. Aber Rädigke – ich verrate den Namen nur ungern, weil man solche Geheimnisse eigentlich nicht preisgeben soll – ist auch schön.

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