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Handläufe von Rolltreppen rangieren auf Platz 3 der Ekelliste. Kleben ja auch oft, igitt.

© Kai-Uwe Heinrich, TS

Ekel vor Toiletten, Handläufen, Türgriffen: Der Mensch als des Menschen Igitt-Faktor

Desinfektionsspray dabei? Türklinken nur noch mit dem Ellenbogen berühren? Mehrheitsfähig! Doch wohin führt uns das denn? Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Ariane Bemmer

Die moderne Welt entfremdet die Menschen voneinander. Das kann man täglich beobachten. Entweder motzen sie sich wütend an (Straßenverkehr) oder ignorieren sich bräsig (aufs Smartphone starrend). Dazu gesellt sich ein weiteres negatives Gefühl, das wegen seiner Radikalität zu Befürchtungen Anlass gibt: Die Rede ist vom Ekel.

Immer mehr Menschen ekeln sich vor Dingen im öffentlichen Raum, die andere Menschen vor ihnen berührt haben. Wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse KKH ergab, ekeln sich 91 Prozent der Menschen in Deutschland, wenn sie öffentliche Toiletten benutzen, und 55 Prozent vor Haltegriffen in Bussen und Bahnen. Jede/r Zweite ekelt sich vor Handläufen von Rolltreppen und Treppengeländern, nahezu jeder Zweite außerdem vor Türklinken in öffentlichen Gebäuden. 43 Prozent empfinden Ekel beim Ergreifen von Einkaufswagen und 33 Prozent beim Drücken von Tastaturen an Geldautomaten. Alle Zahlen sind im Vergleich zur selben Befragung von vor vier Jahren deutlich gestiegen.

Ängstliche Menschen ekeln sich eher

Dass die Krankenkasse die Befragung anlässlich des Welttags der Handhygiene am 5. Mai durchführen lässt, tritt angesichts des sozialen Trauerspiels, das sich dahinter abzeichnet, umgehend in Vergessenheit.

Studien haben ergeben, dass ängstliche Menschen ekelempfindlicher sind als mutige. Und da die angsteinflößenden Großthemen Globalisierung und Digitalisierung ihre Schrecken weiter verbreiten, wird die Zahl der Ängstlichen zunehmen, die Grunddisposition für Ekelgefühle den Nachbarn gegenüber mithin wachsen. Der Menschen als des Menschen Igitt-Faktor?

Wo Ekel ist, wächst kein Gras mehr. Der macht alles platt. Wo führt das hin? In den Rückzug in Reinheitsmikrorefugien? Vielleicht sollte man grundsätzlich immer zu Latexhandschuhen und Mundschutz greifen, bevor man das Haus verlässt? Frauen mehr als Männer rüsten sich serienmäßig mit Hygienesprays und -tüchern gegen den Alltagsekel, immer häufiger kann man beobachten, wie jemand in möglichst lässiger Verrenkung einen öffentlichen Türgriff mit dem bejackten Ellenbogen runterdrückt oder aufzuziehen versucht, um den Kontakt mit den Spuren der Anderen zu vermeiden. Und einerseits denkt man: Recht haben sie. Aber zugleich muss man feststellen: Die meinen damit auch mich, die meinen auch Sie, die meinen jeden, der nicht sie selbst ist! Was für eine Unterstellung ist das denn? Ekelhaft!

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