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Martin Feldmann, 37, ist Polizist. Die Dealer sind noch da. Doch nun hat er auch andere Aufgaben.

© privat

„Ein komisches Bauchgefühl“: Wie ein Berliner Polizist den Shutdown durchsetzt

Martin Feldmann ist Polizist. Seit dem Wochenende muss er den Lockdown durchsetzen – und auch die Dealer sind noch da. Ein Protokoll.

Martin Feldmann, 37, ist Polizist und Mitglied der Gewerkschaft der Polizei. Seit dem Wochenende muss er darauf achten, dass Bars und Kneipen auch wirklich dicht machen - und die Gäste überzeugen.

„Ich arbeite in der Brennpunkt- und Präsenzeinheit, die seit Beginn des Jahres kriminalitätsbelastete Orte wie den Görlitzer Park oder die Warschauer Brücke kontrolliert.

In diesem Bereich war ich mit meinen Kollegen auch am Samstagabend unterwegs, dann wurden wir von unseren ursprünglichen Aufgaben abgezogen, um Kneipen und Bars zum Schließen aufzufordern.

"Die Menschen verstehen, dass die Situation für uns auch nicht einfach ist"

Wir sind dabei auf sehr viel Verständnis gestoßen. Das lag auch daran, dass wir den Wirten und Gästen erst einmal sehr viel Luft gegeben haben. Es durfte eine letzte Runde ausgeschenkt werden, nach einer Stunde sind wir wiedergekommen und es gab einen erhobenen Zeigefinger, wenn immer noch Gäste da waren.

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Die Menschen in den Kneipen wussten natürlich, dass wir die nicht gerne nach Hause geschickt haben. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass die Berliner zurzeit offener zu uns Polizisten sind als sonst. Die Menschen verstehen, dass die gesamte Situation für uns auch nicht einfach ist.

"Wir haben immer Kontakt mit Menschen"

Ein komisches Bauchgefühl begleitet mich morgens schon auf dem Weg zur Arbeit. Wir haben immer Kontakt mit Menschen – das ist das Wesen unseres Berufs. Angst vor einer Infektion oder Sorgen um mein Leben habe ich nicht, ich bin fit und habe ein gutes Immunsystem. Auch den meisten Kollegen geht das so, die Aussicht auf 14 Tage in Quarantäne erschrecken mich schon eher.

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Wir haben die Personenkontrollen auf das absolut Notwendigste zurückgefahren. Ich achte sehr darauf, dass ich einen Abstand von 1,50 Meter nicht unterschreite, wenn es nicht absolut notwendig ist. Wir sind alle vorsichtiger geworden und desinfizieren unsere Hände, wann immer es geht.

"Jede Maßnahme bedeutet: neue Handschuhe"

Bis letzte Woche habe ich Einmal-Handschuhe nur in einem medizinischen Notfall angezogen. Und jetzt bedeutet jede polizeiliche Maßnahme: ein neues Paar Handschuhe. Die Bedenken sitzen im Hinterkopf, aber jeder versucht seinen Teil dazu beizutragen, dass wir diese Krise bewältigen. Im Kollegenkreis unterstützen wir uns gegenseitig.

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Im Görlitzer Park ist es deutlich ruhiger geworden, nach Einbruch der Dunkelheit sind dort aber schon Dealer anzutreffen – die Drogenkonsumenten hören ja auch nicht plötzlich auf, Drogen zu konsumieren. Aber das RAW-Gelände ist komplett tot, da passiert rein gar nichts.

"Wir werden weiter Wohnungsdurchsuchungen durchführen"

Das Leben in der Stadt ist nicht zum Erliegen gekommen, aber es sind natürlich weniger Menschen auf der Straße, das bedeutet prinzipiell eine Entlastung der Polizeiarbeit. Insofern blicke ich nicht mit großer Sorge auf die kommenden Wochen.

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Wir werden aber auch weiter Wohnungsdurchsuchungen durchführen, wir werden weiter zu Einsätzen bei häuslicher Gewalt gerufen werden. Da müssen wir dann hin, da werden wir Kontakt mit Menschen haben und müssen mit Vorsicht vorgehen.

Ich bin mir sicher, wenn wir in Deutschland über den Berg sind, werden wir alle auf diese Situation zurückblicken und sagen: Es war notwendig, es hat sich gelohnt. Denn jetzt ist es überstanden.“

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