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Der Israelische Fischkoch Uri Buri

© Vivi D'Angelo/Gräfer und Unzer

Ein Besuch bei Israels bestem Fischkoch: Uri will Meer

Uri Buri ist eine Legende, seine Lebenslauf ist so bunt, wie seine Gerichte. Anfang Oktober erscheint ein Buch über ihn und seine Küche

Unter glasierten Zwiebelringen glänzen die gegrillten Thunfischfilets, versinken in einer Creme aus Joghurt, Tabasco und Olivenöl. Uri Buri nimmt eine Gabel, sticht in die Zwiebeln, spießt ein Stück vom Fisch auf, rührt durch die Creme, reicht seinem Gegenüber den Happen über den Tisch. „Du musst das alles zusammen essen, in einem Schwung“, sagt der Israeli, der fließend Deutsch spricht. Gespannt wartet er auf die Reaktion seines Gastes. „Schmeckst du die Nuancen, erkennst du sie?“

Ein Klassiker von Uri Buri: der Thunfisch mit Joghurt.
Ein Klassiker von Uri Buri: der Thunfisch mit Joghurt.

© Vivi D'Angelo/Gräfe und Unzer

Uri Buri, große blaue Augen und langer weißer Bart, ist 75 Jahre alt und der bekannteste Fischkoch Israels. Im Herbst veröffentlicht er sein erstes Kochbuch auf Deutsch, und das darin enthaltene Rezept für den gegrillten Thunfisch mit Jogurt und Olivenöl ist so etwas wie sein Signature Dish.

Auf den ersten Blick wirkt die Kombination aus Fisch und Joghurt ungewöhnlich. Auch die Geschmacksnerven reagieren verunsichert: mild und frisch, kein bisschen ölig, überhaupt nicht säuerlich, dafür angenehm scharf und ein klein bisschen süßlich. „Und?“, fragt der Koch. Der Gast muss kurz überlegen. Wie sagt man am besten, dass man die einzelnen Nuancen gar nicht voneinander abgrenzen kann? Weil alle Zutaten in der Balance zu einem einzigen, stimmigen Geschmack vereint sind.

Blick auf Meer vom Hafen der historischen Küstenstadt Akko
Blick auf Meer vom Hafen der historischen Küstenstadt Akko

© Vivi D'Angelo/Gräfe und Unzer

Ein paar Stunden früher, an einem Montag, im Norden Israels. In der historischen Küstenstadt Akko, direkt am alten Hafen, liegt das Restaurant von Uri Buri, das seinen Namen trägt. In den Fensterfronten spiegelt sich das Meer, tiefblaues Wasser in gleißendem Sonnenlicht.

Seine Küche lebt von der Harmonie der wenigen Zutaten

Vor dem Restaurant wirbeln Bauarbeiter Staub auf, verlegen Steine, bauen die Terrasse aus. Drinnen steigt der Geruch von gebratenem Knoblauch und frisch gepresster Zitrone in die Nase. In der Küche pult eine der Angestellten silber-weiße Garnelen aus der Schale, eine andere drapiert ein Stück gebeizten Barsch auf eine Scheibe Baguette. Die meisten der Gerichte auf der Speisekarte und im Kochbuch brauchen angeblich maximal acht Minuten, bis sie servierfertig sind. „Das ist wirklich alles ganz einfach“, sagt Uri, der heute zeigt, wie er den gegrillten Thunfisch mit Joghurt zubereitet.

Uri Buris Rezepte sind simpel und benötigen nicht viele Zutaten. Im Kochbuch verrät er Tipps aus seiner langjährigen Küchenpraxis. Zum Beispiel Fisch im Gitter und Thunfisch nur ganz kurz grillen.
Uri Buris Rezepte sind simpel und benötigen nicht viele Zutaten. Im Kochbuch verrät er Tipps aus seiner langjährigen Küchenpraxis. Zum Beispiel Fisch im Gitter und Thunfisch nur ganz kurz grillen.

© Vivi D'Angelo/Gräfe und Unzer

Uri heißt mit bürgerlichem Nachnamen Jeremias. Buri ist Hebräisch und bedeutet Meeräsche; wer die Biografie von Uri kennt, wundert sich nicht über den schrägen Künstlernamen, den Gleichmut gegenüber Konventionen.

Er lebte in einer Hippie-Komune und fuhr mir dem VW-Bus durch Europa

Als Kind stellten Ärzte bei ihm eine Konzentrationsstörung fest, mit 16 brach er die Schule ab. In einer Zeit, als Deutschland und Israel noch keine diplomatischen Beziehungen miteinander pflegten, fuhr der Sohn deutscher Juden mit dem Schiff von Haifa nach Kiel. In Hamburg lebte er ein Jahr in einer Hippie-Kommune, kaufte sich einen alten VW-Bus, reiste damit quer durch Europa, über die Türkei, den Iran, Pakistan, weiter bis nach Indien.

Eine Ausbildung zum Koch kann Uri hingegen nicht vorweisen. In der Gastronomie ist es aber wie im übrigen Leben. Akkurat platziertes Besteck, pünktlich serviertes Essen sind nicht mehr als die Voraussetzung für den Erfolg. Für die Zufriedenheit kommt es aber auf die innere Einstellung, die Freude am eigenen Schaffen an.

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Woran der schüchterne Gaumen zweifeln mag, werden mutige Köchinnen und Köche längst wissen: Richtig zubereitet kann der Joghurt dem Fisch eine Bühne für den perfekten Auftritt bieten. Uri Buri geht zum Kühlschrank, öffnet die Box mit den geschnittenen Zwiebeln, die vor Stunden gegart wurden und seitdem in dem Saft aus Olivenöl und Zitrone marinieren. „Gerade die roten Zwiebeln haben so viel eigenen Zucker, da musst du außer etwas Salz nichts dazugeben“, sagt Uri, zieht eines der Schubfächer unter der Arbeitsplatte auf, greift die gewürfelten Filets vom roten Thunfisch heraus.

Die Rezepte in Uri Buris Kohbuch sind bunt, aromatisch und vor allem: einfach

Mit Schwung wirft er sie auf die elektrische Grillplatte, die mit Öl eingerieben und bereits angeheizt ist. Es sprudelt und spritzt, und sobald sich das Äußere des Fischs ins Weiße färbt, nimmt Uri den Pfannenspachtel, wendet die kleinen Filets. „Das geht auch mit jeder gusseisernen Pfanne, wichtig ist, dass der Thunfisch beim Servieren innen noch roh ist“.

So gelingt Thunfisch am besten: Nur kurz anbraten - er muss innen roh bleiben
So gelingt Thunfisch am besten: Nur kurz anbraten - er muss innen roh bleiben

© Vivi D'Angelo/Gräfe und Unzer

73 Rezepte hat Uri Buri für sein Kochbuch ausgewählt. Lachs-Sashimi mit Wasabi-Sorbet, Wassermelone mit Labneh, Wolfsbarsch mit Rosmarin und Süßkartoffelpüree. Eine Mischung aus Zutaten verschiedener Kontinente, ein bisschen asiatisch, ein wenig italienisch, dazwischen immer ein versteckter Gruß aus dem Nahen Osten.

Das zeichnet die israelische Küche aus. Das ist, was Uri Buris Speisen so besonders macht: Der Mut, mit Traditionen zu brechen, Einflüsse aus aller Welt in einen Topf zu werfen und daran so lange zu tüfteln, bis es nach etwas Neuem schmeckt.

Hier geht es zu einem fünf-gängigen Menü mit vier Mal Fisch mit einfachen Rezepten aus Uri Buris neuem Kochbuch

Der Teller mit der Mischung aus Olivenöl und Joghurt steht schon bereit. Bleibt noch die Frage, wo man einen solchen Joghurt findet, der cremig, aber nicht zu fest, herzhaft, aber nicht salzig ist? Uri schmunzelt kurz, seine runden Wangen röten sich. Dann ruft er eine seiner Köchinnen zu sich, sagt ihr, sie solle den Bottich holen.

Gute Fischgerichte gelingen auch mit TK-Ware

Die kleine Frau mit den blonden Haaren und dem russischen Akzent verschwindet in einer Kühlkammer, kommt mit einer eisernen Schüssel zurück, in der unter einer Platte eine im Handtuch eingewickelte Masse im molkigen Wasser liegt. „Du musst die Flüssigkeit rausdrücken“, sagt sie und Uri ergänzt, dass im Grunde jeder fetthaltige Joghurt dafür geeignet ist. „Das ist wirklich ganz einfach.“

Zurück an den Tisch, in dessen Mitte nun der Teller mit Thunfisch steht. Die Tischdecke ist so weiß wie die verputzten Wände, wie der Joghurt, in dem die Fischwürfel versinken. Ein Kellner bringt zwei Gläser trockenen Weißwein, stellt eine Karaffe hausgemachter Zitronenlimonade mit Minze und ein Körbchen mit Brot dazu. Uri tunkt das Brot in die Creme. Aber wo in Berlin findet man Thunfisch, der mit dem von Uri mithalten kann?

"Es gibt keinen schlechten Fisch, nur schlechte Köche"

„Gefrorenen Fisch und Seafood zu kaufen ist an sich gar kein Problem“, sagt er. Vom Vakuumfrieren bis zum richtigen Auftauen: Im Kochbuch widmet Uri den Fragen um TK-Fisch eine Doppelseite, erklärt die Größenverhältnisse von Garnelen und die Rolle des Fettgehalts bei Jakobsmuscheln. Wem Gerichte mit Fisch und Meeresfrüchten gelingen wollen, muss nicht Unsummen für die alleredelste Ware ausgeben, sondern schlichtweg das Produkt kennen. „Es gibt keinen schlechten Fisch“, heißt es im Buch. „Es gibt nur einen schlechten Koch.“

Uri Buri: Meine Küche. Israels legendärer Koch in seinem Element. Gräfe und Unzer, 288 Seiten, 29 Euro. Erscheint am 7. Oktober.
Uri Buri: Meine Küche. Israels legendärer Koch in seinem Element. Gräfe und Unzer, 288 Seiten, 29 Euro. Erscheint am 7. Oktober.

© Vivi D'Angelo/ Gräfe und Unzer

Uri säubert sich die Hände mit Feuchttuch und Serviette, holt sein Telefon aus der Hemdtasche. Sein Verlag hat ihm eine Vorschau des Buches geschickt. Er öffnet das PDF, wischt von einer Seite zur nächsten. Gegrillte Garnelen in Knoblauch-Zitronen-Marinade, Karotten-Kohlrabi-Salat mit Gurke und Cranberries, und auch das Rezept für den gebeizten Barsch auf Baguette taucht auf. Dazu Fotos, die Akko in seiner Schönheit zeigen und Texte, die von Uris Leben zu erzählen.

Uri Buris Team arbeiten Israelis neben Palästinenser

Obwohl die israelische Küche längst kein Geheimtipp mehr ist, finden sich in den meisten deutschen Buchhandlungen bislang vor allem die Bücher eines israelischen Kochs. Yotam Ottolenghi und sein Standardwerk „Jerusalem“ sind Symbol für nahöstliches Fusion Food geworden, haben jiddische Rezepte wie Babka, der Hefezopf mit Schokoladenfüllung, und arabische Klassiker wie Baba Ganoush und Shakshuka von der Eifel bis nach Ostsachsen bekannt gemacht. „Yotam hat mir das Vorwort geschrieben“, sagt Uri. Wenn er es vorliest und dabei seine Mundwinkel nach oben gehen, ist ihm der Stolz anzusehen. „Weißt du, er lobt nicht nur mein Essen, sondern meine Philosophie, meine Einstellung zu meiner Arbeit, mich als Mensch. Das ist für mich das schönste Kompliment.“

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Geboren wurde Uri Buri in Naharija, zehn Minuten nördlich von Akko. Naharija ist die Stadt der Jecke, der deutschen Juden. Wie Uris Eltern waren die meisten Einwohner aus Nazi-Deutschland geflohen, um sich in Palästina ein neues Zuhause aufzubauen. In vielen Familien, auch bei Uri, wurde Deutsch gesprochen, auch in den ersten Jahren nach der Staatsgründung Israels, als alles Deutsche verboten war.

Uris Eltern wollten den Spagat schaffen, der für ihre Generation kaum zu schaffen war: Die Erinnerung an das alte Zuhause wahren und friedlich mit den neuen Nachbarn, den Palästinensern, leben. Sie kümmerten sich um palästinensische Kinder, luden deutsche Schülergruppen ein, gaben dem Sohn Werte mit, die ihn bis heute prägen: Akko ist eine arabische Stadt, Uris Küchenchef ist Palästinenser, ein großer Teil seines Teams auch. Damit lässt sich der Nahostkonflikt nicht lösen. Aber so hält ein Idealist wie Uri Buri die Spannungen aus, die Teil der israelischen Identität sind.

Als der Teller leer ist, räumt ein Kellner den Tisch ab, stellt ein Schälchen mit Orangensorbet hin, gibt einen Löffel Olivenöl darauf. „Probier mal, das ist meine neueste Kreation, ein ganz neuer Geschmack“, sagt Uri und lächelt.

Steffi Hentschke

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