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Vorsorge. Bei einer Mammografie kann Brustkrebs frühzeitig entdeckt werden - umso schonender kann dann eine Therapie sein.

© Bernd Thissen/dpa

Dr. Wewetzer: Gentest erspart Chemo

Kenne das Risiko: Bei Brustkrebspatientinnen können neue Tests den Krebstyp bestimmen - und so vielen Frauen eine Chemotherapie ersparen.

Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Hinter dem einen Wort verstecken sich verschiedene Unterarten von Tumoren. Mit genetischen Tests ist es mittlerweile möglich, ein genaues „Täterprofil“ des Krebstyps zu bekommen und damit vielen Frauen eine Chemotherapie zu ersparen.

„Niedrig“, „mittel“ und „hoch“ lauten die drei Risikogruppen für Brustkrebs. Ist das Risiko niedrig, ist zusätzlich zur Operation keine Chemotherapie erforderlich. Ist es hoch, empfiehlt sich eine „Chemo“. Schwierig ist die Entscheidung für oder wider diese belastenden Behandlung in der mittleren Risikogruppe. Jedes Jahr bekommen rund 75.000 Frauen in Deutschland die Diagnose Brustkrebs, und immerhin die Hälfte von ihnen hat ein mittleres Risiko. Etwa 70 Prozent von ihnen können auch ohne Chemo dauerhaft geheilt werden, berichtet die Gynäkologin Marion Kiechle von der Technischen Universität München.

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Tests, mit denen Frauen aus der mittleren Risikogruppe ermittelt werden können, die keine Chemotherapie benötigen. Rund 10.000 Patientinnen jährlich kann (oder könnte) diese damit erspart werden, schätzt der Brustkrebs-Experte Michael Untch vom Helios-Klinikum Berlin-Buch. Die Tests messen, ob in der Krebszelle bestimmte verdächtige Gene aktiv sind, sie heißen in der Fachsprache deshalb Genexpressionstests. Gebräuchlich sind etwa der „Oncotype DX“, der die Aktivität („Expression“) von 21 Erbanlagen in Tumor-Gewebe misst oder der „Mammaprint“, der es gar auf 71 Gene bringt.

Risiko Rückfall: Die Tests nehmen verdächtige Gene unter die Lupe

Je mehr Gene, desto bessere Ergebnisse? Das gilt nicht unbedingt. „Endopredict“, ein Test der zweiten Generation eines deutschen Herstellers, kommt mit lediglich zwölf pfiffig ausgewählten Genen aus. Der eine Teil von ihnen deutet auf das Risiko hin, dass der Krebs frühzeitig zurückkehrt. Ist die zweite Gruppe der Gene aktiv, dann ist das ein Indiz dafür, dass späte Tumorabsiedlungen drohen, jenseits der ersten fünf Jahre.

Dank Endopredict können statt bisher 14 Prozent nun 64 Prozent der Patientinnen sicher auf eine Chemo verzichten, ergab eine Studie. „Sicher“ heißt: Ist der Test im grünen Bereich, dann haben die Frauen eine fast 96-prozentige Gewissheit, in den nächsten zehn Jahren tumorfrei zu sein.

Unser Kolumnist Hartmut Wewetzer.
Unser Kolumnist Hartmut Wewetzer.

© Kai-Uwe Heinrich

Der Test hat seinen Preis, er beläuft sich auf 2000 bis 3000 Euro. Neben den privaten Krankenkassen erstattet bisher lediglich die Techniker-Krankenkasse regelmäßig die Kosten. Die anderen übernehmen sie nur im Einzelfall. Das könnte sich ändern, wenn der für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zuständige Gemeinsame Bundesausschuss demnächst entscheidet, ob die Tests (oder ein Teil von ihnen) künftig von allen Kassen bezahlt werden. Das könnte sich auch für die Solidargemeinschaft der Versicherten rechnen, denn die Kosten für Chemotherapie und Krankschreibung können die Testgebühren mehr als aufwiegen. Von der Erleichterung für jene Frauen, denen die Chemo erspart wird, ganz zu schweigen.

Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht? Bitte an: sonntag@tagesspiegel.de

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