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"Da ich mit meinen drei Studios mehr als eine Brutzelbude leite, weiß ich, wie man Yoga so aufbereitet, dass auch reservierte Anzugträger in klimatisierten Konferenzräumen etwas mitnehmen."

© Getty Images/iStockphoto

Die Yogakolumne: Warum Businessyoga keine Kuschelveranstaltung ist

Wer instabil ist, kann keine Verantwortung tragen. Ich möchte, dass meine Anzugträger das bis in die Eingeweide erfahren. Yoga fleischt es einem ein.

Hin und wieder werde ich von mittelständischen Unternehmen eingeladen, um auf ihren Tagungen einen Einblick in die Philosophie und Praxis des Yoga zu vermitteln. Da ich mit meinen drei Studios mehr als eine Brutzelbude leite, weiß ich, wie man Yoga so aufbereitet, dass auch reservierte Anzugträger in klimatisierten Konferenzräumen etwas mitnehmen.

Meist lädt mich eine engagierte Personalabteilung oder der CEO selbst ein, weil sie erkannt haben, dass in unserem rasant fortschreitenden Wissenszeitalter ganz neue Formen der Führung notwendig sind, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Starke Teams sind gefragt. Wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, ist eine Organisation einfach stabiler. Dieser Kulturwandel – weg von der Hierarchie, hin zu etwas Neuem – scheitert oft an der Umsetzung, es gibt immer noch zu viele, denen Status wichtiger ist als Verantwortung, oder die von ihrem Chef erwarten, dass er ihnen alles mundgerecht vorkocht.

Obertonsingen und Beckenschwingen

Der kniffelige Umwandlungsprozess spiegelt sich auf meinen Matten wider. Da sind immer ein paar Leute dabei, die Yoga schon lange nutzen, um diese Stabilität aus sich heraus zu finden. Die genau wissen, dass sie mit ihrer Energie besser haushalten müssen, um dem Leistungsdruck auch in fünf Jahren noch standhalten zu können.

Und dann gibt es die, die Yoga auf der Agenda lesen und in Abwehrhaltung gehen: „Jetzt kommt Gähnen, Rekeln, Stöhnen bis zum Umfallen.“ Ich kann das verstehen. Wenn die Hütte brennt, sind Obertonsingen und meditatives Beckenschwingen denkbar ungeeignet. „Es ist nicht, wie Sie denken!“, möchte ich brüllen, aber das wäre wenig dienlich. Yoga will nicht propagiert, sondern erfahren werden.

Zunächst erzähle ich den Skeptikern von den Yamas. Das sind in der Yogaphilosophie die Verhaltensregeln gegenüber anderen. Ich bin überzeugt, dass diese – entsprechend adaptiert – für ein gutes Miteinander in Unternehmen hilfreich sein können.

Ich spreche von Ahimsa, der Gewaltlosigkeit oder Rücksichtnahme. Von Satya, der Wahrhaftigkeit, von Asteya, was bedeutet, dass man sich nicht mit fremden Federn schmücken soll. Ich erläutere Brahmacharya, was als Enthaltsamkeit zu verstehen ist, und wie entscheidend Aparigraha ist, die Konzentration aufs Wesentliche.

Wir üben Gelassenheit

Wie bei vielen anderen Achtsamkeitstrainings für Führungskräfte könnte ich es dabei belassen. Doch wer instabil ist, der kann keine Verantwortung tragen. Ich möchte jedoch, dass meine Anzugträger das bis in die Eingeweide erfahren. Yoga fleischt es einem ein.

Wir üben gemeinsam, wie wir reagieren, wenn es dicke kommt. Egal, wie trainiert jemand ist, im Krieger 2, mit 90 Grad gebeugtem vorderen Bein, brennt der Oberschenkel nach ein paar Atemzügen garantiert. Das ist nicht nur physisch, sondern auch mental eine Zumutung – und eine konkrete Möglichkeit, sich in Gelassenheit zu üben.

Ähnlich kann man die Anzugträger übrigens auch mit Stille kriegen. Oft denken sie bei Meditation an Glöckchenspielen und Mittagsschlaf, dabei geht es darum, eine geschärfte Konzentration zu erlangen. Die einen dösen sofort weg, bei den anderen Multitaskern springen die Gedanken. Wie passt das mit Leistungsfähigkeit zusammen?

Mit dieser Idee entlasse ich sie. Eine Kuschelveranstaltung ist Businessyoga sicher nicht. Gut so! Veränderungsprozesse erfordern nun mal 100 Prozent Engagement.

Patricia Thielemann ist Chefin von Spirityoga.

Patricia Thielemann

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