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Siziliens Küste lockt, die Fähre ist günstig wie selten. Nur: Wann darf man sie wieder benutzen?

© picture alliance / ZB

Die Sparkolumne von Andreas Austilat: Rabatt auf Erinnerungen

"Urlaub oder Geburtstag - aus Ihren Bildern machen wir für wenig Geld ein Fotobuch", hieß es in der Werbung. Aber was, wenn alles ausfällt?

Von Andreas Austilat

Ich hätte nur sagen müssen: „Ja, ich will.“ Dann hätte mir Grandi Navi Veloci 40 Prozent Rabatt eingeräumt. GNV, das ist eine große italienische Fährgesellschaft, und die 40 Prozent wurden mir kürzlich für den Fall versprochen, dass ich eine Fähre von Genua nach Sizilien buche. Oder nach Sardinien. Ohne jedes Risiko. „Sie können absagen, wann immer Sie wollen“, so lautete das Versprechen.

Wer will schon in Palermo festsitzen?

Ach, Sizilien! Wir sind die Route mal gefahren, war herrlich. Aber die Vorstellung, die Pandemie holt uns mit ihrer vierten Welle auf einer Insel ein, ließ mich zurückzucken. Was nützt es mir, den Preis für die Rückfahrt erstattet zu bekommen, wenn ich schon dort bin? Und auf ziemlich lange Zeit in Palermo festsitze oder irgendwo sonst in der roten Zone – so heißt das, wenn in Italien in einer Region Lockdown ist. Wir haben uns jedenfalls nicht getraut, obwohl die Angebote immer verlockender wurden. Zum Schluss wollten sie uns sogar das Ticket für die zweite Person schenken. Was hätten wir da sparen können!

Oder Frankreich. Camping Sandaya bot uns 30 Prozent Nachlass, wenn wir nur endlich unseren Sommerurlaub in der Provence buchen. Doch wer weiß schon, ob ich überhaupt jemals wieder nach Frankreich darf? Bestimmt nicht ohne Impfpass. Und ob ich da bis Sommer den richtigen Stempel kriege? Dafür werde ich wohl immer in der falschen Gruppe sein. In Kalifornien übrigens, so habe ich es in dieser Zeitung gelesen, impfen sie jetzt Menschenaffen. Aber das hilft ja Sandaya nicht, denn welcher Schimpanse kriegt schon die Chance, sein Gehege zu verlassen, um Campingurlaub zu machen.

Hilferufe im E-Mail-Konto

Darauf läuft es hinaus: All diese Rabattcodes, mit denen mein E-Mail-Konto gerade überschwemmt wird, sind im Grunde Hilferufe von notleidenden Branchen ohne Öffnungsperspektive. Darunter solche, von deren Existenzängsten wahrscheinlich weder Helge Braun noch Jens Spahn überhaupt wissen.

Pixum zum Beispiel, die machen Fotobücher. Das Geschäftsprinzip ist einfach: In eine Online-Maske lädt man seine Bilder hoch und bekommt dann per Post ein gedrucktes Album. Wer braucht denn so was, wird sich jetzt manch einer vielleicht fragen. Nun, jeder, der den Überblick über seine Festplatte verloren hat, auf der die eigenen Erinnerungen allmählich im Ozean der Beliebigkeit versinken. Während man sich die 50 besten Fotos eines Jahres, gebunden in einem Buch, irgendwann vielleicht doch noch mal anschaut.

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Das Problem ist nur: Welche Bilder sollten das sein, wenn man die Erlebnisse der vergangenen zwölf Monate durchforstet? Ohne Urlaub, ohne runden Geburtstag, ohne Hochzeit, ohne Taufe, ohne Weihnachten. Die von der Einschulung im kleinsten Kreis vielleicht? Oder vom Fußballturnier der F-Jugend, das pandemiebedingt leider nur am Bildschirm stattfand? Ich habe doch seit Monaten nur ein Bild vor Augen: Die Aussicht aus dem Fenster meines Homeoffices.

Denk an deinen Gutschein!

Nein, kein Mensch bestellt zurzeit Fotobücher. Weshalb Pixums E-Mails immer drängender klingen und etwa alle drei Tage eintreffen.

Mit einem Zwölf-Prozent-Gutschein fing es an, verbunden mit Profitipps zum Gelingen schöner Landschaftsaufnahmen. „Denk an deinen Gutschein“, erinnerten sie nur drei Tage später. Das taten sie noch zwei Mal, dann wurde der Ton drohender, der Hinweis, das Angebot sei befristet, deutlicher.

Glaube ich aber nicht, das ist nicht das letzte Wort. Spätestens, wenn Ostern ausfällt, sind bestimmt 20 Prozent drin. Das riskiere ich, ich habe ja nichts zu verlieren. Jedenfalls keine neuen Erinnerungen.

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