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Stabil und trendy. In den USA nennt man das Produkt Duck-Tape.

© imago/Science Photo Library

Die Sparkolumne: Mit Klebeband zum Mond

Reparieren statt neu kaufen ist wieder chic, findet unser Autor und trägt seine geflickte Armbanduhr mit Stolz.

Von Andreas Austilat

Ich bin angesprochen worden. Wegen meiner Uhr, die ich ums Handgelenk trage. Mir ist da ein kleiner Draht aus dem Armband gesprungen, das spitze Ende hat bereits eine meiner Hemdmanschetten ruiniert. Also habe ich die Stelle mit stabilem Panzerklebeband gesichert. Manche verwenden in so einem Fall auch „Gaffer-Tape“, das klingt trendiger. Ich sage das nur, weil ich glaube, dass ich mit meinem geklebten Armband ziemlich weit vorne bin, was aktuelles Styling angeht.

Erkennt natürlich nicht jeder, weshalb der Kollege, der das als Erster sah, auch sichtbar eine Augenbraue hochzog und mich fragte, ob ich mir nicht mal ein neues Armband leisten wolle. Man könne es mit Sparerei schließlich auch übertreiben, dann sei die Schwelle zum Geiz übertreten. Sehe ich anders.

Tatsächlich ist das Originalarmband dieser speziellen Uhr nicht ganz billig. Und weil nun leider auch das Glas gesprungen ist, würde die Reparatur der gesamten Uhr wahrscheinlich ihren Wert übersteigen. Auf jeden Fall handelt es sich um eine Grundsatzentscheidung: Wegschmeißen und neu kaufen oder reparieren? Dafür brauche ich Bedenkzeit. Solange behelfe ich mich mit dem Klebeband und befinde mich in guter Gesellschaft.

Duck-Tape in der Raumfahrt

In den USA nennt man das Produkt Duck-Tape oder auch Duct-Tape, was im Prinzip das Gleiche ist: ein ziemlich stabiles Gewebeklebeband. Dieses Band war lange aus der Raumfahrt gar nicht wegzudenken. Wenn zum Beispiel irgendwann mal irgendjemand Taurus Littrow erreichen sollte, dann wird er am Rand dieser grauen, staubigen Ebene ein Fahrzeug vorfinden, das Eugene Cernan als bislang letzter Mensch auf dem Mond vor 46 Jahren dort für immer geparkt hat. Und er wird sehen, dass dieser Wagen unter anderem von sehr viel Duck-Tape zusammengehalten wird. Interessant wäre dann herauszufinden, ob es bis heute klebt. Die Bedingungen auf dem Mond sind ja ziemlich extrem.

Jedenfalls sollte man das bedenken, bevor man den Wert des Klebebandes geringschätzt und Provisorien für schäbig hält. Vielleicht ist ja genau diese Haltung die Ursache dafür, dass seit Jahrzehnten kein Mensch mehr den Mond erreicht hat. Aber ich glaube, es findet gerade ein Umdenken statt. Reparieren statt neu kaufen ist wieder chic, und das darf man dann auch sehen.

Ein klebriges Geschäft

Wie ich darauf komme? Kollege M. hatte an einem der vergangenen Sonntage einen Stand auf dem Flohmarkt am Mauerpark. Nach Abzug aller Kosten verblieben ihm rund 120 Euro, und er hatte seinen Keller endlich leer.

Trotzdem war er nicht wirklich zufrieden, die Geschäfte auf dem Flohmarkt liefen schon mal besser. Vor zehn Jahren zum Beispiel, da haben ihm die Leute seine CDs förmlich aus der Hand gerissen. Diesmal ging nichts so richtig, die Bücher nicht, die Vasen, die Schallplatten, alles stieß nur auf mäßiges Interesse. Für die paar CDs, die er noch hatte, wollten die Leute höchstens 50 Cent springen lassen.

Natürlich lag es am Sortiment, aber er weiß jetzt auch, was besser funktioniert hätte. Es gab da nämlich diese eine Rolle Gaffer-Tape auf seinem Tisch. Leider brauchte er sie selbst, um seine Plane und die Preisschildchen festzukleben. Aber kaum hatte er sein Zeug ausgebreitet, kam schon der Erste und fragte: „Was willsten für die Rolle haben?“ So ging das den ganzen Tag, die Leute waren verrückt danach. Mit Klebeband hätte er sein Glück machen können.

Die Episode lässt nur einen Schluss zu: Meine geflickte Uhr ist auf dem Weg zum Statussymbol. Vielleicht sollte ich die Sache noch verfeinern und das gesprungene Glas mit Tesafilm überziehen. Sieht blöd aus, aber einem Trendsetter darf so etwas nichts ausmachen.

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