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Schönes Zuhause. In der Berliner Vogelwelt scheint es keine Wohnungsnot zu geben.

© imago/Sven Simon

Die Sparkolumne: Friede den Hütten

Die Vögel da draußen gehen zur Familienplanung über. Warum unser Autor bei den neuen Nistkästen skeptisch ist.

Von Andreas Austilat

Meine Frau hat ein sehr großes Herz. Und das bricht sich gerade wieder Bahn. Was wohl auch an der Jahreszeit liegt. Da ist nämlich bei uns im Garten ein Tirilieren in der Luft, das kann nur eines bedeuten: Die versammelte Vogelwelt da draußen geht zur Familienplanung über. Und meine Frau möchte gerne live dabei sein, stellt sich das so schön vor.

Jedenfalls haben wir inzwischen vier Nistkästen draußen hängen, und sie wartet gespannt darauf, dass endlich jemand einzieht. Natürlich blieb mir nicht verborgen, dass darüber schon einige Kosten entstanden sind, all meinen Sparbemühungen zum Trotz. Das hat schon zu Spannungen zwischen uns geführt.

Denn es geht ja bereits länger so. Im letzten Herbst hat sie zum Beispiel eine Art Futterkrippe für notleidende Eichhörnchen eingerichtet. Außerdem gibt es jetzt bei uns ein Insektenhotel. Das ist so ein flacher Kasten mit allerhand Nischen, in dem sich kleine Krabbeltiere künftig wohl fühlen sollen.

Sie hat mir das so verkauft, dass Insekten kleine Nützlinge seien, zum Beispiel als Bestäuber unentbehrlich. Und ich würde schon sehen, ganz bestimmt könnten wir demnächst viel mehr Obst ernten als sonst. Um des lieben Friedens willen habe ich nichts weiter gesagt.

Meine Frau legt inzwischen sogar Futterspuren aus

War auch nicht nötig, denn bisher ist niemand so richtig auf ihr Angebot angesprungen. Jedenfalls waren nicht mehr Eichhörnchen da als früher. Und das Insektenhotel steht auch immer noch leer. Nun also die Nistkästen.

Neulich wurde eine der kleinen Hütten mal von einer Meise begutachtet. Es sah sogar so aus, als ob noch eine zweite zur Besichtigung angeflogen kam. Jedenfalls hatte meine Frau sofort die romantische Vorstellung, dass es sich um ein Pärchen auf Wohnungssuche handeln müsse. Wenn es so war, dann haben die beiden aber etwas anderes gefunden. Denn das Angebot ist groß. Bei unserem Nachbarn hängt auch ein Vogelhaus, und da tut sich neuerdings was. Dabei ist die Hütte dort viel hässlicher als die bei uns.

Zumindest in der Berliner Vogelwelt scheint es also keine Wohnungsnot zu geben, da muss man sich allerlei einfallen lassen. Meine Frau legt inzwischen sogar Futterspuren aus.

Sollte sie am Ende Erfolg haben, sieht das Szenario, das ich mir ausmale, nicht nach Paradies aus, sondern nach Inferno. Wenn das Insektenhotel und die Nistkästen irgendwann besiedelt werden, folgt doch ein Massaker. Die Vögel werden die Insekten aus ihrem Unterschlupf zerren, um sie an ihre Brut zu verfüttern, nur um danach über meine Kirschen herzufallen.

Weshalb ich finde, wir sollten uns das alles sparen. Ich traue es mich nur nicht zu sagen.

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