zum Hauptinhalt
Papst Benedikt XVI. geht am 27.02.2013 im Vatikan in Rom nach der Generalaudienz zu seiner Verabschiedung vom Podest.

© Michael Kappeler/dpa

Die Lüge des ehemaligen Papstes: Benedikt XVI. bagatellisiert den Missbrauch

Unfehlbar als Mensch muss kein Papst sein. Aber einsichtsvoll und reuig. Ratzinger wird sein Leben in Schande beschließen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes überholt ist - Joseph Ratzinger hat ihn als Papst Benedikt XVI. geliefert. Nicht dass ihn höhere Einsichten leiten würden; es sind wohl eher niedere Instinkte. Nämlich, sich um nahezu jeden Preis zu schützen gegen alle Vorwürfe, die gegen seine katholische Kirche, sein einstiges Münchner Bistum und ihn selbst in Sachen Missbrauch erhoben werden.

Da greift Ratzinger zu Mitteln, die sowieso unwürdig sind, in Sonderheit aber eines „Heiligen Vaters“. Das Mittel seiner Wahl ist die Unwahrheit.

Du sollst nicht lügen, lautet das Gebot seines Gottes. Eine Sünde, wer dagegen verstößt. In diesem Fall keine lässliche: Benedikts Lüge stößt das Papsttum in seine schwerste Krise seit der Verkündung des Unfehlbarkeitsdogmas im 19. Jahrhundert.

Persönlich ist Ratzinger jetzt auch völlig diskreditiert. Er zog gegen den Relativismus der Moderne zu Felde - und relativiert selber die Wahrheit. Ausgerechnet der Kirchenobere, der sich als Erzbischof den Wahlspruch „Mitarbeiter der Wahrheit“ ins Wappen schreiben ließ. Und dem nun Anwälte in einem geharnischten Gutachten vorwerfen, eben das nicht zu sein.

Dass Ratzinger, damals Kardinal, von einem besonders schweren Missbrauchsfall nichts gewusst haben will, wie er sogar zweimal behauptet, widerspricht dem Protokoll zu einer entscheidenden Leitungssitzung vom 15. Januar 1980.

Benedikt sagt heute, er habe das Protokoll nie zu Gesicht bekommen und außerdem an der Sitzung nicht teilgenommen. Was ausweislich der Themen und Zitate nicht sein kann. Aber weil nicht sein kann, was nicht sein darf, hat zunächst sein damaliger Generalvikar alle Verantwortung für schuldhaftes Verhalten auf sich genommen; inzwischen aber sagt der: um Benedikt zu schützen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

In einem anderen Missbrauchsfall, „Fall vier“, bestreitet das emeritierte Oberhaupt der Katholiken nicht, von einem Strafbefehl gegen einen Priester gewusst zu haben, aber nichts vom Grund dafür. Und relativiert dann zugleich wieder in ungeheuerlicher Weise: Der Täter sei „als Exhibitionist aufgefallen, aber nicht als Missbrauchstäter im eigentlichen Sinn“.

Es geht sogar noch schlimmer. Benedikt legt dar: Die Tathandlungen hätten „jeweils im Entblößen des eigenen Geschlechtsteils vor vorpubertären Mädchen und in der Vornahme von Masturbationsbewegungen (...)“ bestanden. In keinem der Fälle sei es zu einer Berührung gekommen.

Benedikt XVI. begibt sich auf unterirdisches Niveau

Nicht nur, dass sich der frühere Oberhirte der Kirche - der sich selbst viel auf höchste Gelehrsamkeit zugute hält - auf unterirdisches Niveau begibt, um sich zu retten. Nein, so schreibt der, der lange über den rechten Glauben gewacht hat. Der in seinem Amt als Papst eine Sittenfrage als endgültig entschieden verkünden kann. Und der jetzt den Missbrauch dieses Täters bagatellisiert.

Benedikt, der Name kommt vom lateinischen benedicere. Das hat mehrere Bedeutungen: wohl reden, richtig reden, segnen, weihen, lobpreisen, preisen. Keiner dieser Bedeutungen wird der vormalige Papst gerecht. Wer wollte ihn noch preisen?

Unfehlbar als Mensch muss kein Papst, muss auch Joseph Ratzinger nicht sein. Aber einsichtsvoll, reuig und demütig, bereit zu Umkehr und Buße, darin ein Vorbild für seine Kirche. Einer, der die Insignien der Macht so für seine rein selbstbezogene Ehrenrettung missbraucht, beginnt, das Papstamt zu zerstören. Benedikt XVI. wird sein Leben in Schande beschließen.

Zur Startseite