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Die Fans von AS Rom im Stadio Olimpico.

© imago/Pacific Press Agency

Die härtesten Derbys aus aller Welt: Diese Stadt ist zu klein für uns beide

Im Vatikan gibt’s für Fouls auch blaue Karten, in Teheran verkleiden sich Frauen als Männer, um ins Stadion zu kommen. Sieben Hauptstadtderbys.

1. Kairo, Al Ahly & Zamalek SC: Gemeinsam gegen Mubarak

Es heißt, man sei jederzeit willkommen, mit einem Ägypter das Kairo-Derby zu schauen – so lange man zum Team des Gastgebers hält. Womit nicht zu spaßen ist, denn dieses Derby galt lange Zeit als das gewalttätigste der Welt. Zum Glück hat sich die Stimmung zwischen den Anhängern beider Vereine seit dem Arabischen Frühling 2011 merklich verbessert, als man auf dem Tahrir-Platz gemeinsam gegen die Truppen Husni Mubaraks opponierte. Dass beide Klubs vom afrikanischen Fußballverband als die zwei wichtigsten des Kontinents angesehen werden, darüber herrschte hingegen schon immer schönste Einigkeit. Umstritten war nur, wer denn nun der Wichtigere unter den Wichtigsten sei. Dabei ist der Fall eigentlich klar: Allein dank der 41 zu 12 ägyptischen Meisterschaften liegt Al Ahly souverän vorn.

2. Rom, Lazio & AS: Demütigung mit allen Mitteln

Beim „Derby della Capitale“ verfallen die Römer regelmäßig in ganz primitive Muster. Statt sich über den eigenen Sieg zu freuen, ist es Unsitte, sich vor allem in Spott über die Niederlage des anderen zu ergehen. Die vom Verstand befreiten Anhänger der Unterlegenen quittieren dies leider allzu oft mit Messerattacken. Oder wie es der Italien-Experte Julius Müller-Meiningen einmal schrieb: „Es geht um die Demütigung des Nachbarn, Onkels oder Bürokollegen mit allen Mitteln.“ Dabei kann man sich doch auch ganz friedlich freuen. Das zeigt der Fall Miroslav Klose. Der machte sich im Oktober 2011 unsterblich, als er in der Nachspielzeit den Siegtreffer für Lazio erzielte. Am folgenden Tag dankte es ihm sein Briefträger so: Er küsste Klose die Füße.

3. London, Arsenal & Tottenham: Nachbarschaftsstreit

Schon die erste Begegnung beider Mannschaften stand unter keinem guten Stern: Die Partie vom November 1887 musste wegen schlechter Lichtverhältnisse 15 Minuten vor ihrem regulären Ende abgebrochen werden. 13 Jahre später verließen die Arsenal-Spieler den Rasen unter Protest. Ihnen war die Sprache der Tottenham-Kicker zu deftig. Weitere 13 Jahre später verschlechterte sich das Verhältnis der beiden heutigen Weltklubs erneut – wegen eines Umzugs. Bis dahin hatte der FC Arsenal im Südosten Londons seine Heimat, plötzlich spielte er nur noch vier Meilen entfernt von Tottenham im Norden der Stadt. Richtig ernst wurde die Sache jedoch, als 1919 die Erste Liga von 20 auf 22 Teilnehmer aufgestockt wurde. Obwohl Tottenham der Favorit für den letzten freien Platz war, erhielt Arsenal den Zuschlag.

4. Teheran, Esteghlal & Persepolis: Für Frauen verboten

Fußball sei eine Religion, hört man gelegentlich. Beim „Teheran-Derbys“ stimmt das sogar ein wenig. Während Esteghlal als Verein der Oberschicht gilt und bis zur iranischen Revolution 1978/79 in enger Verbindung zum Schah-Regime stand, stammen die Anhänger von Persepolis traditionell aus der religiösen Arbeiterschicht. Als das iranische Fernsehen im Oktober 1983 davon absah, das wichtigste Derby Asiens zu übertragen, hätte dies leicht in einer Katastrophe enden können. Denn natürlich wollten die Fans jetzt umso mehr ins Azadi-Stadion. 100 000 Sitzplätze fasste das Nationalstadion seinerzeit offiziell. 128 000 Männer sollen schließlich das Spiel im Stadion gesehen haben. Frauen ist der Stadionbesuch seit der Revolution bis auf wenige Ausnahmen verboten. Noch im März 2018 wurden 35 weibliche Fußballfans verhaftet, nachdem sie versucht hatten, als Männer verkleidet ins Stadion zu gelangen.

5. Nairobi, Leopards & Gor Mahia: Spiel der Zumstammhalter

Seine archaischste Form findet das Derby in Kenia. Denn hier geht es wirklich um „Wir gegen die“, nämlich um die Stammeszugehörigkeit: Entweder zu den Luhya (A.F.C Leopards) oder zu den Luo (Gor Mahia). Wie ernst diese Fehde ist, zeigte sich zuletzt im Mai dieses Jahres. Während die Spieler beider Teams in Zusammenarbeit mit „Missing Child Kenya“ jeweils mit dem Foto eines vermissten Kindes auf den Rasen liefen, versuchten die von den Klubs eigens abgestellten Sicherheitsmitarbeiter beider Vereine, die Fanlager in gebührendem Abstand voneinander zu halten. Das gelang auch. Blöd nur, dass es die Securityleute selbst waren, die sich stattdessen eine wüste Prügelei lieferten.

6. Vatikanstadt, jeder gegen jeden: Wo zwei Karten nicht reichen

Seit 2007 gibt es ihn, den „Clericus-Cup“, die Weltmeisterschaft des Vatikan. 16 Teams treten an, mitspielen dürfen die Mitglieder römischer Priesterkollegien oder Studenten päpstlicher Universitäten. Gespielt wird nach Fifa-Regeln, allerdings nur zweimal 30 Minuten. Und weil die christliche Nächstenliebe auch vor dem grünen Rasen nicht Halt macht, gibt es neben der üblichen gelben und roten auch noch eine dritte Karte, die blaue. Wer die sieht, muss für fünf Minuten über Gott und Welt nachdenken, eh er wieder mitwirken darf. Einem Seminaristen aus Burkina Faso half das nicht. Der rastete 2008 dermaßen aus, dass er zunächst des Platzes verwiesen wurde, ehe seine Mannschaft, das Collegio San Paolo, ganz von der Meisterschaft ausgeschlossen wurde. Amen.

7. Buenos Aires, Boca & River Plate: Mörderische Rivalität

1907 war es, da fügte River Plate dem Konkurrenten Boca die erste große Schmach der noch jungen Vereinsgeschichte zu: Beide Teams wurden nicht nur im Hafenort La Boca gegründet, sie sahen auch noch gleich aus. Also musste ein Entscheidungsmatch um die Klubfarben her. River Plate, das später ins Reichenviertel Núñez umzog, gewann und spielte weiter in rot-weiß. Die Mitglieder Bocas hingegen liefen unmittelbar nach der Niederlage zum Hafen, da sie beschlossen hatten, die Farben des nächsten einfahrenden Schiffes anzunehmen. Es war ein schwedisches, weshalb die Juniors seither in Blau und Gelb auflaufen. Über die Jahrzehnte forderte die Rivalität des „Superclásico“ zahlreiche Todesopfer – auch durch Mord.

Ilja Behnisch

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