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Aus dem angekokelten Holz entstehen Häuser, wie hier in Schottland.

© Altaimage/PhaidonVerlag aus dem Buch: „Black – Architecture in Monochrome“/Raw Architecture Workshop

Design-Trend aus Japan: Schwer angesengt: Verbranntes Holz als Baumaterial

Blaues Schwarz, silbriges Schwarz. In Japan schimmern Häuser magisch – dank verkohltem Holz. Die Technik ist Jahrhunderte alt und erreicht nun Deutschland.

Das mit den Hornissen hat Paul Stark genau beobachtet. Die kommen gelegentlich aus dem Wald angesummt, an den sein Haus grenzt. Dann aber, kurz bevor sie da sind, drehen sie wieder ab. Einfach so. „Die Hornissen mögen den Geruch nicht“, vermutet Stark. Auch die anderen Insekten lassen bleiben fern, nur ein Specht wollte es sich gemütlich machen in dem Haus, das kein gewöhnliches ist. Der minimalistische Flachdachbau, der sich an ein leicht abschüssiges Grundstück lehnt, wurde verschalt mit einem Holz, das nach einer traditionellen japanischen Technik namens Shou Sugi Ban bearbeitet wurde. Es ist verkohlt und entsprechend – schwarz.

Klingt erst mal komisch: Warum sollte man ausgerechnet verbranntes Holz als Baumaterial verwenden? Tatsächlich gibt es dafür gleich eine Reihe guter Gründe. Das weiß Kuma Kenta. Er ist Designer und Architekt, in Kyoto geboren und in Köpenick zu Hause. Dort betreibt er das Restaurant Kumami, dem man die Affinität des Chefs zum Holz gleich ansieht: Der Tresen, an dem die Gäste sitzen, ist aus einem imposanten Pappelbalken gefertigt, der durch den ganzen Raum und sogar durch die Mauer geht, die den Eingang vom Gastraum trennt. Wenn Kuma Kenta nicht in seiner Küche steht, entwirft er Interieurs für Bars und Restaurants. Für einen neuen Japaner in Mitte, das Arai, hat er gerade den Look kreiert – mit einer Shou-Sugi-Ban-Verschalung der Fassade.

„Wörtlich übersetzt heißt das ‚Verbranntes Sicheltannenbrett’“, erklärt Kenta. Die Bretter für die Fassade hat er selbst mit einem Bunsenbrenner bearbeitet. Etwa zwei Minuten ist er mit der Flamme über die Planken gegangen. Die Bretter sind schwarz, man erkennt aber noch die Struktur des Holzes, die Astlöcher und Jahresringe, an manchen Stellen ist das Holz von der starken Hitze etwas aufgeplatzt, was die furchige Oberfläche ein wenig wie Elefantenhaut aussehen lässt.

Das Material kommt im Süden Japans traditionell zum Einsatz

Neben dem ungewöhnlichen Look hat die Technik ganz handfeste Vorteile: „Das verbrannte Holz ist viel robuster. Es ist feuer- und wasserabweisend und vor allem altert es schöner als unbearbeitetes Holz“, sagt Kenta.

Es gibt in Japan einen Tempel, der aus dem Holz gebaut und 1300 Jahre alt ist. Die Horyu-ji-Pagode in der Präfektur Nara zählt zu den ältesten Holzgebäuden der Welt. Auch die kaiserliche Katsura-Villa in Kyoto, eines der berühmtesten Bauwerke Japans, ist teils mit Shou-Sugi-Ban-Holz gefertigt. In der modernen Architektur findet der Baustoff ebenfalls Verwendung. Der Star-Architekt Tadao Ando hat es wiederholt verwendet. Ein Avantgardist wie Terunobu Fujimori wählt das Material für seine exzentrischen Entwürfe. „Vor allem in der Mitte und im Süden Japans wird das Material traditionell eingesetzt“, sagt Kuma Kenta.

Die Inspiration für die Fassade seines Hauses fand der Musiker Paul Stark jedoch nicht in Fernost, sondern in der norddeutschen Provinz, an der Mecklenburgischen Seenplatte. Das 2007 eröffnete Müritzeum, ein imposant geschwungener Bau am Rande der Warener Altstadt, ist mit schwarz verkohlten Lärchenbohlen verkleidet. Aber was heißt schon schwarz? Egal, ob man das Müritzeum umrundet oder Starks Wohnhaus in Schildow besucht – (an dem die Lärchenholzbretter in unregelmäßigen Breiten am Betonbau befestigt sind, und manchmal eine Latte quergestellt ist, was die Fassade geschickt rhythmisiert) man stellt schnell etwas Überraschendes fest: Die verkohlten Bretter haben eine ausgesprochen lebendige Anmutung, je nachdem, wie das Licht fällt. Man sieht warmes Schwarz, kaltes Schwarz, manchmal wirkt es grau und ins Aschfarbene gehend, dann wieder silbern wie Metall oder bläulich wie der Himmel. Manche matten Stellen scheinen das Licht fast vollkommen zu absorbieren. Es hat so viele Nuancen, dass es gar nicht monochrom wirkt.

Jedes Brett wird zum Unikat

Das 2007 eröffnete Müritzeum ist mit schwarz verkohlten Lärchenbohlen verkleidet.
Das 2007 eröffnete Müritzeum ist mit schwarz verkohlten Lärchenbohlen verkleidet.

© promo Müritzeum/Klaus Steindorf-Sabath

Ein durchaus typischer Effekt: „Schwarz ist nicht nur Farbe, es ist Tiefe“, sagt der südkoreanische Bildhauer und Maler Lee Bae, der zu den renommiertesten Künstlern Asiens zählt und seit Jahrzehnten die Eigenheiten des Materials erforscht. Er arbeitet fast ausschließlich mit Kohle und verbranntem Holz. Aktuell würdigt ihn die renommierte Fondation Maeght im provencalischen St.-Paul-de-Vence mit einer Ausstellung.

Eine Besonderheit des Materials, findet Nina Freund, sei, dass jedes Brett zum Unikat wird. Sie arbeitet als Geschäftsführerin der Freund GmbH, die sich auf Naturstoffe spezialisiert. Neben Moos- und Kork-Verkleidungen haben sie seit ein paar Jahren auch Shou Sugi Ban im Angebot.

Dass kein Brett identisch mit dem anderen ist, liegt an der handwerklichen Herstellung. Traditionell werden drei Planken mit einem Band zusammengebunden, so- dass sie einen dreieckigen Schornstein bilden. Dann werden die Bretter mit dem Flammenwerfer bearbeitet und anschließend mit Wasser abgelöscht, damit auch der Ruß weggeht. Je nachdem, welchen Look man mit dem Holz erzielen will, wird es zusätzlich gebürstet und geölt. „Man kann die Maserung nutzen, indem man die Jahresringe rausarbeitet,“ sagt Nina Freund. Als Fassadenmaterial sei es in Deutschland allerdings noch recht ungewöhnlich. Den Teil einer Fassade eines Feuerwehrhauses hätten sie mal verschalt, sonst vor allem in Innenräumen damit gearbeitet. In Skandinavien sieht man es schon häufiger. Und in Amerika ist es derzeit ein Trend.

Nicht nur Insekten lehnen das verkohlte Holz ab

In Schildow nähern sich entsprechend nicht nur Hornissen und Spechte dem Haus von Paul Stark, sondern regelmäßig auch Architekten. „Da kommen oft welche und wollen schauen“, sagt er. Um zu sehen, wie das Material altert. Weder Grünspan noch Moos setzt das Holz an. Es bleicht nicht von der Sonne aus und bekommt keine Wasserflecken. Anders als unbearbeitetes Holz werden Shou-Sugi-Ban-Bretter auch nicht grau von der Witterung. „Allerdings hört es nie ganz auf zu rußen“, erzählt Stark. „Dafür muss man nicht streichen.“

Auch Möbel und Wände werden aus verbranntem Holz designt.
Auch Möbel und Wände werden aus verbranntem Holz designt.

© akg-images / VIEW Pictures / Edm

Hartnäckiger als die Hornissen aus dem Wald, die immer wieder abdrehten, statt sich in einem Winkel ein Nest zu bauen, erwies sich jedoch der Nachbar nebenan. Der war gleich so irritiert von der Außengestaltung, dass er eine Unterschriftensammlung gegen seine neuen Nachbarn lancierte. „Leichenhalle“ war noch eins der freundlicheren Worte, die anfangs am Zaun fielen.

Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet. Und wer weiß, vielleicht ja eher wegen als trotz des Schwarzes. Denn die Farbe lässt die Silhouette schrumpfen, das Haus wirkt alles andere als dominant. Es nimmt sich diskret zurück – und lässt die Natur drumherum erstrahlen. Das kräftige Grün der Hemlocktanne wirkt noch satter, die weiß-rosa Blüten der Magnolie leuchten auf. Ein Effekt, den man bei den creme- und bonbonfarbenen Giebel-, Walm- und Flachdachbauten in der Nachbarschaft so nicht unbedingt beobachten kann.

Felix Denk

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