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Creme hilft nicht immer, aber Gelassenheit ist besser als Panik.

© Adam Gregor/Fotolia

Der Satz meines Lebens: „Stell dich nicht an, mach Penatencreme drauf“

Manchmal reichen ein paar Worte - und alles ist anders. Unsere Autoren berichten von zupackenden Meistern und weisen Müttern.

Es gab in meiner Jugend eine Zeit, da hatten die Männer und ich es miteinander schwer. An jedem hatte ich etwas auszusetzen, keiner war mir wirklich gut genug. Da sagte meine Mutter einmal den so wahren wie naheliegenden Satz zu mir: „Du bist schließlich auch keine Prinzessin!“ Danach wurde alles leichter. Dorothee Nolte

„Stell’ Dich nicht an, tu Penatencreme drauf!“

Meine Mutter war Ärztin rustikaler Natur. „Stell’ Dich nicht an, tu Penatencreme drauf!“, hieß es jedes Mal, wenn eines von uns Kindern sich wehgetan hatte. Selbst wenn es nicht immer half, weswegen ich heute noch Kohle in meinen Knien habe, Spuren eines Rollschuhunfalls in Essen-Frillendorf, um die mein Neffe mich beneidet – ein unverwüstliches Zeichen der Ruhrgebietsherkunft.

Zum Dreck hatte unsere Mutter ein genauso entspanntes Verhältnis wie zum Leben, der Dreck reinigt den Magen, lautete ihr anderer Lieblingsspruch. Langfristig geholfen haben ihre Sätze schon. Jedes Mal, wenn’s wehtut oder schmutzig wird, wiederhole ich sie mir. Bin ganz gut gefahren damit. Susanne Kippenberger

„Make good use of your many talents.“

Mit 17 war ich für ein Schuljahr in Amerika. Ich nahm einen als schwierig geltenden Kurs in Literatur. Als der Lehrer Daniel Epstein hörte, dass ich eine deutsche Austauschschülerin sei, warf er mich aus der Klasse. Die Schulleitung zwang ihn, mich wieder aufzunehmen. Schüchtern und ratlos saß ich da. Ich fragte die andere Außenseiterin, die einzige Schwarze in diesem Kurs, und sie sagte: „Das kapierst du nicht? Du bist Deutsche, und er ist Jude.“ Äh, na und? Dachte ich.

Epstein ignorierte mich wochenlang. Seinen Hausaufgaben war ich gewachsen. Reden tat er nicht mit mir. Bis er eines Tages unvermittelt fragte, ob es in Deutschland noch viel Antisemitismus gebe. Ich sagte entrüstet: überhaupt nicht! Ich hatte null Ahnung. Ob es Juden gebe. Ich: Na klar, unser Buchhändler ist Jude, meine Eltern sind mit ihm befreundet, auch mein palästinensischer Vater. Unsere kleine Stadt im Westfälischen hatte in der mittelalterlichen Altstadt auch eine Synagoge. Aha, hm hm, soso.

Irgendwann taute er auf. Manchmal redeten wir nach dem Unterricht, er empfahl mir Bücher, ich gewann für unsere Klasse einen Schreibwettbewerb. Am Ende verabschiedete er mich mit diesem Satz: „Make good use of your many talents.“ Das aus seinem Mund! Wie sehr mich Epstein auf die Spur gesetzt hat, habe ich erst in den Jahren danach gemerkt. Fatina Keilani

"Mach was draus!"

Meine Bilder waren nie so schön und ordentlich und exakt gemalt, wie die der anderen Mädchen in meiner Klasse. Sie gaben eher eine Ahnung von meiner Vorstellung von der Welt, hatten aber mit der Realität nur bedingt Ähnlichkeit. Über die unendliche Geduld der Kunstlehrerin war ich überrascht.

Eines Tages wurde es mir selbst zu viel. Die Aufgabe: einen Zaubergarten auf schwarze Pappe malen. Ich fand das bunte Gewusel am Ende so gar nicht gelungen, wollte die Pappe zerreißen. Das ließ die Lehrerin nicht zu. „Mach’ was draus!“, sagte sie. Also malte ich drüber und drüber, bis der Garten allein schon von der vielen Farbe verzaubert war. Dafür gab es dann ein glattes „Gut“ in Zeiten, die noch strenger waren, was Zensuren betrifft.

Der Satz „Mach was draus!“, ist mir nicht wieder aus dem Kopf gegangen. Er poppt immer auf, wenn eine Situation verfahren erscheint oder ausweglos, wenn die Aufgaben, die das Leben an mich heranträgt, nicht gelingen wollen: Ein Zauberspruch, der vieles zum Guten wenden kann. Elisabeth Binder

"Es muss ja gemacht werden"

Während eines Ferienjobs im Garten- und Landschaftsbau sollte ich ein Abflussrohr ausbuddeln und rausreißen. Das war auf einem Bauernhof und ging direkt vom Klo aus. Mir wurde übel, ich ekelte mich, musste unterbrechen. Da kam der Meister, der alles Recht der Welt gehabt hätte, mich als Hiwi zu triezen, nahm stattdessen den Spaten, hackte auf dieses Rohr ein, dass die Fäkalien spritzten (ekelig, sag ich ja). Ich fragte ihn, wie er das aushält. Und er meinte: „Es muss ja gemacht werden. Und wenn ich es nicht mache, macht es sonst auch keiner.“ Sage ich mir bis heute immer wieder, wenn ich mal wieder eine ungeliebte Aufgabe erledigen muss. Christian Vooren

"Easy to dislike but impossible to ignore"

Es war 1996, südlich von Stuttgart, irgendwann im Sommer. Das Schuljahr vorbei, ich 15. Es ist kein sonderlich einfaches Jahr gewesen: Einerseits trat ich schon als ziemliches Großmaul auf, mit dem latent arroganten Stolz, nichts mit den Jungs aus dem Dorf, mit ihrem Leben zwischen Fußballplatz und Dorffest zu tun zu haben. Aber andererseits war ich halt doch arg angegriffen, weil die theoretisch gewollte, offene Ablehnung der andern Jungs ganz praktisch oft furchtbar war.

An einem dieser ewig langen Sommertage saß ich im Wohnzimmer meiner Eltern, lungerte auf der dunklen Couch, als MTV lief. Dramatische Musikvideos, hektische Werbeclips, das Übliche. Dann erschien der Rapper Chuck D von Public Enemy auf dem Bildschirm. Weinroter Hintergrund. Ein schwarzes Gesicht, das ernst blickte. In großen, eindringlichen Worten erklärte er seine Band und ihre politische Haltung.

Und dann sagte Chuck D diesen Satz, der mich durch die kommenden Jahre tragen und wie ein Schutzschild von aller Ablehnung und allen dummen Kommentaren abschirmen würde. Er sagte, seine Band sei „easy to dislike but impossible to ignore“ – leicht abzulehnen, aber unmöglich zu ignorieren. Ich starrte den Fernseher an. Genau das war’s. Genau so wollte ich auch sein. Mit diesem Halbsatz als Mantra ging ich in das nächste Schuljahr und durch den Rest der Pubertät. Sicher, aufrecht und gelassen. Daniel Erk

"Die Jüngsten sind immer die Besten"

Der jüngste Bruder meiner Mutter, Onkel Henning, hat sich um uns drei Töchter immer sehr rührend gekümmert. Er hat keinen bevorzugt, aber mitunter sagte er augenzwinkernd zu mir: „Die Jüngsten sind immer die Besten.“ Das war nicht ganz ernst gemeint. Nur ein bisschen. Er war der intellektuellste unter den fünf Geschwistern.

Vielleicht hat dieser Satz dazu beigetragen, dass ich mich als Jüngste nie benachteiligt fühlte und mich auch nie geärgert habe, nicht die Älteste zu sein. Flankierend kam hinzu, dass meine Eltern mir das Gefühl einer gewissen Grenzenlosigkeit gaben. Sie haben nie Zweifel daran geäußert, dass wir unseren Weg finden und alles, was wir wollten, erreichen könnten. Dieses positive Grundgefühl wurde durch den lustigen Satz vielleicht noch etwas gesteigert. Auf dieser Grundlage kann nichts Gedrücktes oder Kleinmütiges gedeihen. Susanne Vieth-Entus

"Ihr Dialekt, verführt Sie dazu, erst zu sprechen und dann zu denken"

Mein Professor im Germanistikseminar an der Pädagogischen Hochschule in Berlin (ich habe seinen Namen vergessen, glaube aber, er kam aus Bonn) sagte zu mir: „ Austilat, Ihr Dialekt verführt Sie dazu, erst zu sprechen und dann zu denken.“ Er hat mir dann noch den Rat gegeben, mich mal an einer westdeutschen Uni einzuschreiben, um eine andere Sprache zu lernen. Leider weiß ich auch nicht mehr, was ich gesagt habe. Mir ist nur sein Satz hängengeblieben. Ich war empört und habe schon aus Trotz meinen Dialekt nie abgelegt. Andreas Austilat

"Anner Leut sinn anners"

Anner Leut sinn anners. Unter all den saarländischen Sprüchen meiner Großmutter, vom Küchenmotto „Hauptsach gudd gess“ bis zum Ruhe-Bewahren-Appell „Nur nit huddeln“, ist dieser mir der liebste. Meine Oma wohnte wie der Rest der Verwandtschaft in einem der eigenhändig zusammengewerkelten Arbeiterhäuser, über schniekere oder ärmere Leute hat sie nie die Nase gerümpft. Die Nachbarin hat eine gewöhnungsbedürftige Frisur, der Opa ist Frühaufsteher? Anner Leut sinn anners! Sie selber war eine Nachteule, spielte die Männer beim Skat unter den Tisch und ging als letzte ins Bett. Es war ihr persönliches Toleranzedikt.

Vielleicht liegt‘s am kleinen Saarland zwischen den Grenzen, dass sie die Kunst des Perspektivwechsels beherrschte, die Gegend wurde zweimal beinahe französisch. Wer Trottoir sagt statt Bürgersteig und Schääselong statt Sofa, hat Übung mit Diversität. Ich komme bis heute ziemlich weit mit dem Satz. Es streitet sich schöner, wenn man nicht davon ausgeht, im Besitz der einen, ehernen Wahrheit zu sein. Christiane Peitz

"Alles kommt wieder"

Mein Vater hat immer gesagt: Alles kommt wieder. Er meinte das modisch und nutzte es als Freibrief, Schlaghosen zu tragen, Freejazz zu hören und Pfeife zu rauchen. Mir kam seine Verweigerung, dem Zeitgeist zu folgen, damals wie eine Ausrede vor, habe aber inzwischen erkannt, dass er absolut richtig lag: Unsere Zeit produziert weniger Neues, als dass sie Altes in einen neuen Kontext stellt. Außer die Pokemonkarten, die waren ebenso unverändert wie sinnentleert bei beiden Söhnen Thema, obwohl sie 16 Jahre auseinanderliegen. Und mein Opa hat mir gesagt, dass ich nie bei irgendjemand mitlaufen soll.

Er war begeistert in der HJ, hat das später bitter bereut und sich von jeder Menschenansammlung ferngehalten, die glaubte, eine Meinung vertreten zu müssen. Ging mir auch immer so, dass ich mich unter kein Schild stellen konnte, auf dem eine einfache Wahrheit gestanden hat. Kai Röger

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