zum Hauptinhalt
Symbolbild: Bedienung mit Gesichtsschutz.

© Ronny Hartmann/dpa

Update

Corona-Infektionen nach Restaurantbesuch: „Zahl der Quarantäne-Fälle wird weiter extremst ansteigen“

Im Landkreis Leer in Niedersachsen infizierten sich wohl sieben Menschen in einem Lokal. Gesundheitsministerin will aber nicht von Lockerungs-Kurs abrücken.

In Niedersachsen ist offenbar der Fall eingetreten, vor dem einige Experten gewarnt und den so manche Gastronomen gefürchtet haben: Nach einem Restaurantbesuch wurden mehrere Menschen positiv auf das Coronavirus getestet. Darunter ist auch der Inhaber des Lokals. Der Landkreis hält es für wahrscheinlich, dass sich die Menschen in der Gaststätte angesteckt haben.

„Die Infektionen stehen vermutlich in Zusammenhang mit einem Besuch in einem Lokal“, teilte der Landkreis mit. Demnach wurden dem Gesundheitsamt von Dienstag bis Freitag sieben positive Befunde mitgeteilt, die miteinander zusammenhängen. „Diese neuen Fälle haben dazu geführt, dass in der Folge bereits für mindestens 50 Personen vorsorglich häusliche Quarantäne angeordnet wurde.“ Weitere Testergebnisse stehen noch aus.

Für den Betreiber der Gaststätte „Alte Scheune“ in der Gemeinde Moormerland im Kreis Leer ist die Entwicklung fatal. Monatelang hatte er das Restaurant renoviert und sich auf die Eröffnung vorbereitet, wie er der Deutschen Presse-Agentur erzählte. Der erste Abend sollte rund 40 ausgewählten Gästen gehören - darunter Vertreter von Firmen, die ihn unterstützt hatten.

Der Inhaber stand zunächst als Koch in der Küche. Später gesellte er sich nach eigenen Angaben zu den Gästen, um mit ihnen anzustoßen. Die Abstands- und Hygieneregeln seien eingehalten worden, sagt der Mann, der seinen Namen nicht in den Medien lesen möchte.

Inzwischen kennt er vier Gäste, die wie er positiv getestet wurden. Bei drei Freunden von ihm sei das Virus ebenfalls nachgewiesen worden. Ob sich das Virus am 15. Mai beim Eröffnungsabend für Unterstützer seines Lokals verbreitet habe, wisse er nicht. Es sei auch möglich, dass sich die Menschen vor oder nach dem Abend infiziert hätten. Eine Party sei der Abend sicher nicht gewesen, sondern eine Art Testlauf für ihn und sein Team. Denn am kommenden Tag öffnete das Restaurant regulär.

Schilderungen von Gästen widersprechen der Darstellung des Betreibers. Man habe Hinweise erhalten, dass "möglicherweise gegen Corona-Regeln verstoßen worden ist", sagte Landrat Matthias Groote (SPD) dem NDR. Gäste hätten sich mit Handschlag begrüßt und keinen Mund-Nasen-Schutz getragen. Auch der Mindestabstand sei nicht immer eingehalten worden.

Niedersachsen will nicht von Lockerungen abrücken

Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann sieht wegen der Corona-Fälle keine Notwendigkeit, vom Lockerungskurs abzurücken. „Nach ersten Erkenntnissen ist das Infektionsgeschehen nicht auf einen normalen Restaurantbesuch zurückzuführen, stattdessen wurde dort offenbar eine private Party gefeiert“, sagte Reimann am Samstag der Nachrichtenagentur dpa.

Ministerin Reimann sagte, das Land habe immer darauf hingewiesen, dass die Corona-Lockerungen mit einem gewissen Risiko verbunden seien. „Wir werden Ansteckungen auch in Zukunft nicht vollständig verhindern können“, sagte Reimann. Entscheidend sei in einem solchen Fall, dass von den Behörden vor Ort konsequent alle Kontakte nachverfolgt würden, um das Infektionsgeschehen so eng wie möglich einzugrenzen. „Genau das passiert nun im Landkreis Leer“, so die Ministerin.

[Alle wichtigen Updates des Tages zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]

Niedersachsen zählte zu den ersten Bundesländern, in denen Restaurants wieder geöffnet werden durften - seit dem 11. Mai. In den Tagen darauf folgten nach und nach auch fast alle anderen Bundesländer. Ausnahmen gelten für Bayern, wo vorerst nur Biergärten und Außenbereiche aufmachen dürfen, Innenräume ab dem 25. Mai. Bundesweiter Vorreiter war Mecklenburg-Vorpommern, wo die Restaurants bereits am 9. Mai wieder öffnen durften.

50 Menschen „vorsorglich häusliche Quarantäne“

Eine Sprecherin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga sagte NDR 1 Niedersachsen, durch das Hygiene- und Abstandskonzept, das der Verband erarbeitet habe, seien Neuinfektionen in Restaurants eigentlich nicht möglich. Der Landrat von Leer, Matthias Groote, warnte die Bürger der Landkreis-Mitteilung zufolge: „Dieser Ausbruch führt uns deutlich vor Augen: Corona ist nicht vorbei, das Virus kann sich jederzeit weiter verbreiten.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog]

In einem auf der Twitterseite des Landkreises veröffentlichten Video sagte Groote, die Zahl der Quarantäne-Fälle werde weiter „extremst“ ansteigen, da die aktuellen Fälle „im Rahmen eines Zusammentreffens“ entstanden seien.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Einige Experten hatten vor Restaurantbesuchen in geschlossenen Räumen gewarnt. So sagte Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene an der Universitätsmedizin Rostock, der Deutschen Presse-Agentur, die Gäste von Restaurants sollten möglichst draußen sitzen. „Da kommt es praktisch nicht zu Infektionen. Das Coronavirus wird ganz maßgeblich über die Luft übertragen.“

[Alle wichtigen Updates des Tages zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]

Dagegen schütze draußen der Luftzug. In Innenräumen von Restaurants oder Cafés werde es allerdings problematischer. Selbst bei ausreichendem Luftaustausch alle sechs bis zehn Minuten gebe es keine hundertprozentige Garantie.

Restaurants und auch Kneipen waren Mitte März geschlossen worden, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Unter Einhaltung von Abstandsregeln und Hygienevorschriften durfte die Gastronomie schrittweise wieder öffnen, vor dem Hintergrund des jeweiligen Infektionsgeschehens in den Ländern und landesspezifischer Besonderheiten.

70.000 Unternehmen in der Gastronomie droht die Insolvenz

So müssen sich Gäste mancherorts vorher mit Adresse und Telefonnummer anmelden. In manchen Restaurants werden Gästen Sitzplätze zugeteilt. Bedient werden darf häufig nur am Tisch. An Theken darf vielerorts niemand Platz nehmen.

Die Dehoga hatte die Situation von Gastronomie und Tourismus Anfang Mai als „dramatisch“ bezeichnet. Eine Umfrage bei den Betrieben habe ergeben, dass ein Drittel von der Insolvenz bedroht sei - 70.000 der 220.000 Unternehmen.

Das betroffene Restaurant hat der Betreiber nun vorsorglich geschlossen. Nach seiner Quarantäne will er am 4. Juni wieder öffnen. „Vorausgesetzt alle Tests sind negativ“, sagte er. „Ich möchte auf Nummer sicher gehen.“ Um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren, braucht es aus seiner Sicht mehr Tests. Hätte ein Gast des Abends sich nicht umgehend testen lassen, hätte er von seiner Infektion wahrscheinlich nichts mitbekommen, erzählt der Inhaber. Diesem einen Gast sei es zu verdanken, dass die anderen Infektionen entdeckt wurden. (dpa/Tsp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false