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Touristen an der bulgarischen Schwarzmeerküste

© imago images/Hollandse Hoogte

Bilder wie aus Mallorca: Wilde Partys an Bulgariens Goldstrand

Mallorca hatte die Gastronomie nach verantwortungslosem Verhalten von Touristen wieder beschränkt. In Bulgarien hingegen gibt es noch Schaumpartys.

Junge Leute schieben sich mit Schwimmringen um die Hüften durch den Badeschaum im überfüllten Swimmingpool des „MegaPark Dolphin“ in Varna. Abstand halten sie dabei nicht. Das Partystadl „Zum Roten Pferd“ hat zum „Almklausi“-Konzert geladen. Auf Tuchfühlung tanzend besingen Gäste die „pure Freude am Leben“.

Zwei von der ARD und RTL ausgestrahlte TV-Reportagen über deutsche Urlauber am bulgarischen Goldstrand in Zeiten der Coronavirus-Pandemie zeigen Bilder wie diese und haben Befürchtungen über zusätzliche Infektionen durch heimkehrende Balkan-Urlauber ausgelöst.

Manche Bulgaren sehen in den Berichten der deutschen TV-Sender aber eine Kampagne gegen den einheimischen Tourismus. Der von RTL ausgestrahlte, mit dem Handy aufgenommene Videoclip vom „Almklausi“-Konzert stamme „wahrscheinlich aus dem vergangenen Jahr“, behauptet Daniel Stefanov, Betreiber des Partystadls „Zum Roten Pferd“. „Wir haben hier am Abend nicht mehr als fünfzig Gäste“, sagte er dem bulgarischen Fernsehsender bTV.

Alle vom Gesundheitsministerium geforderten Corona-Vorsichtsmaßnahmen würden strikt eingehalten. Am Eingang messe man die Körpertemperatur der Gäste. Das Personal trage Masken und Handschuhe, zwischen den Tischen herrsche der geforderte Mindestabstand und die Räumlichkeiten würden regelmäßig desinfiziert.

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Rund eintausend deutsche Touristen sollen derzeit am Goldstrand Urlaub machen, die Hälfte davon im partyfreudigen Alter. Seit einigen Jahren profiliert sich der Goldstrand immer erfolgreicher als „Ballermann am Balkan“. Zusammen mit dem weiter südlich gelegenen Sonnenstrand zählt er zu Bulgariens Hotspots für Alkoholtourismus.

Viel weniger Gäste als im Vorjahr

Doch obwohl der Flughafen Varna zuletzt deutlich steigende Passagierzahlen vermeldete, ist die Zahl ausländischer Gäste an der bulgarischen Schwarzmeerküste um ein Vielfaches niedriger als in den Vorjahren. Viele Hotels und Gaststätten sind geschlossen, manche von ihnen haben die Sommersaison wegen Corona bereits abgeschrieben.

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Das neuartige Coronavirus trifft die internationale Tourismuswirtschaft schwer. Dies erfährt das Reiseland Bulgarien besonders schmerzlich. Mitte März 2020 gehörte es zu den ersten Ländern in Europa, die wegen der Corona-Pandemie den nationalen Ausnahmezustand ausriefen und mehr oder minder stringente Lockdown-Maßnahmen erließen. In den folgenden Monaten verzeichnete das Balkanland im internationalen Vergleich äußerst niedrige Infektionsraten, sein nationales Gesundheitswesen war kaum belastet. Die Repräsentanten der bulgarischen Reisebranche brachte dies auf eine Idee, wie sie die durch die internationalen Reisebeschränkungen zu erwartenden katastrophalen Umsatzeinbrüche während der Sommersaison auffangen könnten. Sie wollten die bulgarische Schwarzmeerküste als Reiseziel anpreisen, wo einheimische und ausländische Gäste vom Coronavirus relativ unbehelligt urlauben können.

Italien schickt Rückkehrer in Quarantäne

In den vergangenen Wochen hat sich das Blatt aber gewendet. Die Zahl der Infizierten stieg zuletzt immer schneller. Wird in Deutschland im Schnitt 190-mal getestet, um einen mit dem Coronavirus Infizierten zu identifizieren, so genügt in Bulgarien ein Zehntel der Testmenge. Länder wie Österreich, Griechenland und Dänemark haben für aus Bulgarien Anreisende bereits strikte Einreisebestimmungen erlassen, Italien gar eine 14-tägige Quarantäne verhängt.

Und als wäre das nicht bereits genug Unbill für Bulgariens Tourismus, haben die im deutschen Fernsehen ausgestrahlten TV-Berichte über allen Corona-Vorsichtsmaßnahmen widersprechende Partys am bulgarischen Goldstrand das angestrebte Image vom coronasicheren Reiseziel in sein genaues Gegenteil gewendet. Sind in einem touristischen Land die Preise in den Bars und Restaurants für Alkohol und Speisen konkurrenzlos niedrig wie in Bulgarien, ist Massentourismus zwangsläufig die Folge. Der wird in Corona-Zeiten aber zum Problem.

Bulgarien will weniger Sauftourismus

Seit Langem verfolgt das bulgarische Tourismusministerium die erklärte Strategie, individuellere Reiseformen wie Kultur- und Ökotourismus zu fördern. Für die Spätsaison hoffen die Betreiber von Spa-Zentren und Kurhotels am Meer und im Gebirge auf deutsche Kurgäste. Kürzlich hat der Bund der Kassenpatienten (GKV) Bulgarien in seine Liste der Länder aufgenommen, für die sich deutsche Kassenpatienten die Kosten für ihre Kuren von der Krankenkasse teilweise rückerstatten lassen können.

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Messbare Auswirkungen des wilden Partytreibens am goldenen Strand auf das Coronavirus-Infektionsgeschehen vor Ort kann die Regionale Gesundheitsinspektion Varna (RSI) nicht feststellen. Zum 27. Juli 2020 meldete sie für den Bezirk 51 Neuinfektionen für den Zeitraum der zurückliegenden drei Tage. Diese entstammten unterschiedlichen Altersgruppen und überwiegend „familiären Infektionsclustern“. Die Zahl infizierter Personen im Kreis Varna betrage damit 561, 31 von ihnen befänden sich im Krankenhaus. 404 hätten keine oder nur leichte Symptome und 120 gälten als kuriert.

Derzeit deutet nichts darauf hin, dass den Partylokalen an Gold- und Sonnenstrand wie ihren Pendants auf Mallorca die Schließung drohen könnte. „Wir müssen lernen, mit diesem Virus zu leben", sagte der Bezirksgouverneur von Varna, Stojan Passe. Der Bezirk Varna bewältige die Coronakrise gut, einen drastischen Anstieg der Infektionen gegenüber den vorhergegangenen Wochen gebe es nicht. „Die Alternative ist, dass wir uns alle zu Hause einschließen, was nicht zu empfehlen ist.“

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